Rechtsaußen als Rechtsinnen
von Franz Schandl
Wenn man schon in Österreich alles falsch gemacht hat, warum sollte man das nicht auch in Deutschland können? Der aktuelle Aufbruch der Mitte gegen AfD und Identitäre, Rechtsextreme und Rechtspopulisten wirkt wie eine sattsam bekannte Reprise, allerdings auf weitaus größerem Raum und im Zeitraffer noch dazu. Das Multiplizieren rechten Irrsinns durch liberale Vervielfältigungsmaschinen beherrscht jedenfalls das mediale Terrain. Analog wie digital. Für die Werbung der Rechten ist offensichtlich die Kulturindustrie (Politik, Medien, Theater) zuständig. Und sie machen ihre Sache gut, in Österreich bereits seit 1986, als Jörg Haider an die Spitze der FPÖ gelangte.
Martin Sellner kann zufrieden sein. So eine tolle PR hätte seine äußerste Rechte weder hingebracht, noch hätte sie diese zahlen können. Die Guten laufen wie die Depperten für uns, wird Sellner sich nun denken. In exklusiver Runde werden er und seine Kameraden sich auf die Schenkel klopfen. Fazit: Sie sind so wichtig, wie sie sich nehmen. Sellner kennt seine Rolle und er weiß sie zu gestalten. Die großen Bühnen, er darf sie bespielen. Die Regisseure führen ihn nicht vor, sie führen ihn auf. Scholzens dezente Aussage: „Wir müssen endlich in großem Stil abschieben“, könnte das Motto dieser Förderkampagne sein.
Aus den völkischen Zauberlehrlingsphantasien von Martin Sellner&Co basteln die Korrektoren einen Masterplan. Natürlich ist es grausam, was die da wollen, indes sind die restriktiven Vorhaben der EU-Staaten gänzlich anderer Natur? Das Problem ist, die da rechts außen stehen, stehen in Wahrheit rechts innen. Wer Wähler und Funktionäre der Sozialdemokraten und Konservativen kennt, weiß das auch. Freunde exzessiver Deportation sind überall zu finden. Leider. Das Schlimme ist: Diese Rechten sprechen oft nur aus, was die Mitte tut, was also der Gesamtliberalismus inklusive linksgrünem Appendix so anstellt.
So demonstrieren da in deutschen Städten nicht wenige gegen das, was sie selbst durch ihr Handeln, Denken, Tolerieren erst ermöglichen und vorantreiben. Sie agieren als Brandbeschleuniger (wenn auch wider Willen), nicht als Feuerwehr. Ihre ledige Empörung führt nicht weiter, im Gegenteil, sie funktioniert primär als Reklame für die Bekämpften. Die nachvollziehbare Ansage „Die wollen wir nicht!“, ist ohne die Frage „Warum gibt es die?“, ziemlich einfallslos. Hingegen wären Stimmungen und Lagen zu erkunden, die diese Entwicklung ermöglichen und begünstigen. Solche Fragen werden tabuisiert, wenn nicht sogleich denunziert. Derlei gilt inzwischen als Rationalisierung und daher wohl als „rechtsoffen“. Das Aufbegehren der Zivilgesellschaft ist blind gegenüber seinem Gegenstand wie auch gegen sich selbst.
Vor allem die Skandalisierung hat sich erschöpft, wenn nicht erledigt. Die Lehre aus Österreich sollte sein: Wenn die FPÖ durch etwas nicht gestoppt werden kann, dann sind es Affären. Die serielle, ja manische Frage: Was können wir ihnen anhängen, führt ihnen nur weitere Anhänger zu. Skandale setzen lediglich konventionellen Kräften zu, Populisten sind weitgehend immun oder erholen sich rasch von den Attacken. Die Forderung, die AfD juristisch durch ein Verbot zu entsorgen, strotzt geradezu vor Hilflosigkeit. Die Politik scheint tatsächlich am Ende zu sein und sie gibt es in ihrer Panik auch noch zu.
Im Liberalismus verkommt der Antifaschismus von einer wachen und wehrhaften Reflexion zu einem beliebigen Beißreflex. Die (neo)liberale Geisterbahn lässt den braunen Unrat auffahren um von sich selbst und eigenen Ungeheuerlichkeiten abzulenken. In Deutschland gibt es keine Debatte ohne Nazis. Ginge Hitler ab, ginge wirklich was ab. Indes, es ginge zumeist gar nichts ab. Hitler ist die falsche Fährte, die die aktuellen Zustände stets als beste Normalität erscheinen lassen will. Es wäre wirklich einmal ein Fortschritt, die braune Bagage aus vielen (nicht: allen!) gegenwärtigen Diskussionen zu entfernen, sie nicht für jedes Stück extra zu engagieren. Das hat nichts mit Verdrängung und Verharmlosung zu tun, sondern damit, dass es irreführend ist, mit den primitiven Vergleichen die unmittelbare Realität zuzuschütten. Die fieberhafte „Nazifizierung“ der Debatten ist nicht ertragreich, sondern unerträglich. Außerdem sollte man Realität nicht mit Reality verwechseln.