Der Reiz des Rackets

AUS AKTUELLEM ANLASS

von Franz Schandl

Man kennt ihn zwar kaum, aber er ist überall dabei. Zumindest, wenn und wo es nach Geld duftet. Zweifellos hat hier einer einen Riecher ähnlich dem Twitter-Elon. Denn im Geld aufstellen, da ist er wirklich Kaiser. Alfred Gusenbauer, der in den letzten Jahren einer der engsten Kompagnons des Geld-Zampanos geworden ist, bringt es auf den Punkt. Es sei ganz einfach, warum Leute dem Signa-Gründer ihr Geld anvertrauen: „Ein Investor ist daran interessiert, dass das Geld, das er einsetzt, anständig verzinst wird. Da sind alle Investoren gleich. Und das hat er halt von Anfang an geschafft. Die Investoren haben immer gut verdient.“ So der zum Signa-Aufsichtsrat aufgestiegene ehemalige SPÖ-Kanzler zum Wirtschaftsmagazin Eco. Anständig verzinsen. Anständig verdienen. Gelegentlich kollidiert diese Anständigkeit mit dem Anstand. Doch solange das Ergebnis stimmt, sollte man seine Machart nicht schlechtreden.

Der 1977 geborene René Benko ist mit Immobiliengeschäften zum Milliardär geworden, heute untersteht ihm ein Konglomerat von 200 Firmen und Unterfirmen. Mit einem Vermögen von 5 Milliarden Dollar ist der „Tiroler des Jahres 2011“ angeblich der drittreichste Österreicher. Was er will, ist verdienen. Kaufen, verkaufen, verschulden, umgruppieren, abkassieren, investieren, bankrottieren, bilanzieren. Da zieht einer alle Register. Aus Geld gilt es mehr Geld zu machen. Benko ist die Inkarnation der Marxschen Formel G-G’. Ein Fleisch gewordener Kapitalautomat. Was hat das Leben sonst zu bieten?

Benkos Modell ist entschieden invasiv, aber nicht offen aggressiv. Anders als Twitter-Elon ist unser Finanzmagnat ein scheues Raubtier. Die Lust in die Medien zu geraten, ist geringer als die Lust sie zu kaufen. Besonders geil ist Benko auf die Übernahme der Kronen Zeitung, bezogen auf die Bevölkerungszahl wohl eines der größten Blätter der Welt. Sein Anliegen sei rein wirtschaftlicher Natur, ließ er mehrfach wissen. Seitdem kämpft die Familie Dichand einen Abwehrkampf gegen die Übernahmegelüste von Benko und seinen Kumpanen.

Verbündete in der Politik sind bei alledem nützlich. Puncto Partner ist Benko nicht wählerisch, sei es der gestürzte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, seien es die Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer oder Sebastian Kurz, sei es der ehemalige Grünmandatar Christoph Chorherr, dem soeben in Wien der Prozess gemacht wird. Vorgeworfen wird ihm Bestechlichkeit und Amtsmissbrauch. Auch da sitzt Benko mit auf der Anklagebank. Benkos Verhaberung kann sich jedenfalls sehen lassen. Hat man ein Problem mit der Finanz, fragt man etwa beim Spezi im Finanzministerium namens Thomas Schmid nach, ob man da nichts machen könne. Freilich konnte man da was machen. Benkos Firma übersiedelte ins heilige Land Tirol und bekam vom dortigen Finanzamt seinen Wunsch auf Steuernachlass prompt erfüllt. Laut Schmid wusste auch Sebastian Kurz über die Intervention Bescheid. Schon bei der Übernahme des Kika/Lainer-Konzerns in Wien soll der damalige Kanzler äußerst hilfreich gewesen sein.

Wer hier wessen Gesellschaft sucht, sei dahingestellt. Dass Kurz oder Gusenbauer sich einen Benko halten, ist jedenfalls unwahrscheinlicher als umgekehrt. Stets gilt die Unschuldsvermutung, auch wenn es jetzt, nach den belastenden Chats und dem Geständnis des Thomas Schmid, die nicht nur die gesamte ÖVP erschüttern, auch für Benko wieder einmal etwas enger werden könnte. Aber derlei ist er gewohnt. Man muss was riskieren. Jeder Deal ein Abenteuer. Läuft es nicht rund, muss die Öffentlichkeit was zuschießen. Notfalls droht man mit einem kleinen Konkurs oder der Vernichtung zahlreicher Arbeitsplätze. Da zittert die Politik und schon wird frisches Kapital geliefert und bereichert die Holding. Der Markt funktioniert am besten, wenn der Staat viel Geld herschenkt. 700 Mio Euro hat Benko bereits in Deutschland kassiert. Trotzdem sieht es für die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof alles andere als gut aus. Ob Karstadt an Benko oder Benko an Karstadt scheitert, ist noch offen.

Der österreichische Selbstbedienungsladen ist Benko entschieden zu klein geworden, der große Nachbar hat da ganz andere Ressourcen zu bieten. „Mit wem haben sich Deutschlands Politiker da eingelassen?“, stöhnt Der Spiegel. Als „nicht gerade seriös“ bezeichnet das Magazin die Praktiken des Investors. Aber vielleicht ist es gerade der Mangel an Seriosität, was den exorbitanten Surplus lukriert. Niemand kann doch heute ernsthaft glauben, die Durchsetzung am Markt (insbesondere am Finanzmarkt) sei ein Fair Play auf gleicher Augenhöhe mit Handschlagqualität und ähnlichem Brimborium. Auf den Battlefields des Kapitals regiert die Zuschlagsqualität der Bad Companys.

Hausdurchsuchungen, Untersuchungsausschüsse, Gerichtsverhandlungen, verdeckte Geldgeber, Beugestrafen in Millionenhöhe gehören da dazu. Ohne dem wäre das alles ja fad. Dass er bereits 2014 wegen Korruption verurteilt wurde, tat Benkos Karriere keinen Abbruch. Das macht ihn bloß noch interessanter. Die Anwälte sind da immer schon eingepreist. Da mögen deren Honorare noch so astronomisch hoch sein, das zahlt die Portokassa. Das Leben ist ein Kick. Tatsächlich sind hier Desparados unterwegs. Aber gerade darin liegt auch der Reiz der Rackets. Ohne Doping keine Benkos. Das schreckt weniger ab, als es anzieht. Der traut sich was. Der Nimbus des René besteht darin, dass ihm die Reputation ziemlich wurscht ist. Warum sauber, wenn es schmutzig besser läuft. Mit den gesammelten Unschuldsvermutungen könnte er locker einige seiner Luxushochsicherheitsjagdhütten in den Alpen austapezieren.

aus: Freitag Nr. 47, 24. November 2022