Verheddert und geschreddert
Von Franz Schandl
Manchmal fliegt auf, was nie und nimmer
auffliegen würde, wäre ein Beteiligter nicht so dumm wie dieser für
Social Media im Kanzleramt zuständige Arno M. Wahrscheinlich wäre
gar nichts aufgefallen, hätte sich der Arno beim Schreddern
sensibler Festplatten nicht so dilettantisch benommen. Was drauf
gewesen ist, wird man wohl nie mehr erfahren, es ist nicht
auszuschließen, dass das Material, das da zwischenzeitlich
gespeichert wurde und klammheimlich entsorgt werden sollte, mehr
peinlicher als brisanter Natur gewesen ist. Fotos von wilden Partys
aus den Tagen seines „Geilomobils“ (Kurz) etwa. Vielleicht.
Derlei wollte man verhindern.
Mit der Abwahl der Regierung Kurz hatte man nach dem Ibiza-Gate der FPÖ nicht gerechnet, vielmehr wollten sich die Türkisen auf Jahre im Kanzleramt einnisten. So geriet Arno in Panik. Wie sonst ist zu erklären, dass ein Mitarbeiter des Kanzleramts und Kompagnon Kurzens aus Tagen der Jungen ÖVP, sichtlich nervös und verhaltensauffällig bei der Firma Reisswolf aufmarschiert, in seinem Beisein fünf Festplatten dreimal (!) schreddern lässt, die Granulatreste dann auch noch mitnimmt, der Firma einen falschen Namen mitteilt, aber die richtige Telefonnummer hinterlässt und die Rechnung von 76 Euro nicht bezahlt. Bei Kurzens groß inszeniertem Auftritt zum Abtritt, war Arno dann so nahe am Sebastian postiert, dass sein Konterfei auch in diverse Sendekanäle gespült und er dabei prompt von den Reisswolf-Mitarbeitern erkannt wurde. „Das ist doch der, der…“
Die kriminelle Energie scheiterte an
der kriminellen Impotenz. Alsbald waren die Mitschnitte aus der
firmeneigenen Überwachungskamera in der Redaktion des Falter
gelandet. Inzwischen hat auch die Korruptionsstaatsanwaltschaft,
konkret die SOKO Ibiza übernommen. Es geht zu wie in einem
österreichischen Tatort, nur die Leiche fehlt. Unbestätigten
Fakes zufolge soll der Mann mit türkisem Gesicht und schwarzem
Vollbart Angst gehabt haben, dass er selbst in den Schredder gezogen
wird. Das zumindest konnte verhindert werden.
Wenn ÖVP-Chef Kurz nun recht hat, dass
es sich bloß um einen „üblichen Vorgang“ gehandelt habe, fragt
sich, wieso der gute Arno bei diesem legalen Trip so aus dem Häuschen
geraten konnte. Möglicherweise tut sich die neue Volkspartei aber
auch schwer zwischen üblichen und üblen Vorgängen zu
unterscheiden. Gegenüber Armin Wolf im ORF hat ÖVP-Generalsekretär
Karl Nehammer beiläufig aber ausdrücklich einbekannt, dass etwa
Strategiepapiere der ÖVP im Kanzleramt gedruckt und wohl auch
besprochen und vorbereitet wurden. Wozu hammas denn, das Amt? Das ist
zwar nicht wahnsinnig überraschend, aber die Kaltschnäuzigkeit des
jungkonservativen Mobs ist doch frappant. Dass es so etwas wie ein
Bundesarchivgesetz (samt Aufbewahrungspflicht und Sperrfristen) gibt,
interessiert dort niemanden.
In Zeiten wie diesen (wo alles mehrfach
abgespeichert) wird, ist es tatsächlich schwierig geworden,
Dokumentiertes spurlos verschwinden zu lassen. Irgendwo im Netz der
Daten, der Platten, Sticks, DVDs oder gar antiken Disketten bleibt
stets was hängen. Es ist ein allseits verhedderter Zusammenhang. Was
wo drauf ist, weiß man dann oft auch nicht mehr so genau, vor allem
wenn mehrere Personen Zugang haben. Und es ist auch davon auszugehen,
dass immer mehr Menschen sich durch legale wie illegale
Aufzeichnungen absichern oder aber zu gegebener Stunde Vorteile
lukrieren wollen. Noch dazu kann man jemanden erpressen oder mit dem
Material am Medienmarkt auftrumpfen. Nicht immer geht es um Kohle,
aber oft ist Kohle im Spiel.
Das „politische Jahrhunderttalent“
war in diesen heißen Sommertagen übrigens nicht zu Hause, sondern
als „Not at the moment“-Chancellor auf Staatsbesuch im Silicon
Valley. Ob sie ihm dort auch einen neuen digitalen Schredder
mitgegeben haben? Vielleicht haben die sowas schon als Software im
Sortiment, auf dass man sich das Vernichten allfälliger Hardware
ersparen kann. Gar kryptisch meinte der junge Altkanzler: „Ich
werde das jetzt einmal alles aufsaugen und analysieren.“ Gemeint
waren damit nicht die geschredderten Granulate sondern die digitalen
Formate aus dem Tal der Täler.
Sebastian wird also nicht unmittelbar
in den Reisswolf geraten, sondern bloß wieder einmal einen Freund
verabschieden müssen. Das verschmerzt er, es wäre nicht das erste
Mal. Ciao, Arno, ciao. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass
dieser Skandal die Chancen von Kurz bei der Nationalratswahl am 29.
September maßgeblich beeinträchtigt. Da ist man derzeit immun. Der
Vorsprung in den Umfragen ist gewaltig. Noch dazu soll auch beim
Übergang von Kern zu Kurz angeblich einiges geschreddert worden
sein. Die Schredder-Affäre wird das Sommerloch bespielen und das
wird’s dann auch schon gewesen sein.