Lackierte Kampfhunde

Streifzüge 76/2019 – 2000abwärts

von Götz Eisenberg

Wenn die männliche Ehre auf dem Spiel steht, ist alles andere egal! Um eine Kränkung abzuwehren, wird notfalls sogar der eigene Untergang in Kauf genommen. Wie gewisse Hunde keine Tiere, sondern das nach außen verlegte Aggressionspotenzial ihrer Besitzer sind, so sind gewisse Autos keine Fortbewegungsmittel, sondern lackierte Kampfhunde, die ihre Fahrer aufeinander loslassen. Es sind männliche Selbstwertprothesen, die das schwächelnde männliche Selbstgefühl aufmöbeln. Die Kraft der Motoren entscheidet über den Status: je stärker und lauter, desto männlicher. Statt die Motorengeräusche zu dämpfen, werden sie durch Soundgeneratoren mutwillig verstärkt. Solche Autos fungieren als Viagra des männlichen Stolzes.

Das Automobil erfüllt wie der Fußball in unserer Gesellschaft
eine wichtige sozialpsychologische Funktion: die gestaute Wut derer
loszulassen, die in einem Universum permanenter Verteidigung und
Aggression leben müssen und in Unmündigkeit und Ohnmacht gefangen
sind. So entwickelt sich der Straßenverkehr mehr und mehr zu einer
Form des Krieges. Nach einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation
fallen diesem Krieg weltweit jährlich 1,25 Millionen Menschen zum
Opfer.

Der steigende Absatz von Geländewagen, SUVs und Pick-ups zeugt
auch hierzulande davon, dass auf den Straßen Krieg herrscht. Jeder
macht sich zum Kommandanten seiner eigenen rollenden Festung. Wie in
jedem Krieg, gibt es auch in diesem Leute, die gut an ihm verdienen.
Wenn es wahr ist, „dass man eine Nation erst dann wirklich kennt,
wenn man in ihren Gefängnissen gewesen ist“, wie Nelson Mandela
gesagt hat, so könnte man auch den Straßenverkehr als Gradmesser
dafür nehmen, wie es um die Zivilisiertheit einer Gesellschaft
bestellt ist. Wir sind Zeugen einer gigantischen Auto-Mobilmachung.