Beirrbar und umzingelt
von Franz Schandl
Weder hat sie das Amt angestrebt noch erkämpft, es wurde ihr einfach nach Christian Kerns unrühmlichen Abgang aufgedrängt. Niemand sonst wollte es haben. Schon gar nicht die mächtigen Männer in der Partei, die allesamt spürten, dass da unmittelbar nichts zu gewinnen sei. Folglich ließen sie die Finger davon. „Mach mal Pam, wir stützen Dich eh.“
Pamela Rendi-Wagner, die nie eine
Funktionärin, ja bis vor kurzem nicht einmal Parteimitglied gewesen
ist, soll es jetzt richten. Sie hat keine Hausmacht, keinen
Stallgeruch, keine wirklichen Mentoren und Freunde. Ein paar
Freundinnen, zweifellos, aber das Gewicht der Frauen in der SPÖ
entspricht nicht dem Quantum ihrer Posten. Trotz Gender und Quoten
gilt die Macht der Männer. Formelle Verluste werden informell
ausgeglichen.
Auch die vorgeschickte oder
vorgeschaltete Frau ist eine Variante männlichen Machtgebarens. Zwar
gelten Männer als Aufräumer, doch in Wirklichkeit sind Frauen zum
Aufräumen da. Man will gar nicht wissen, was die führenden Genossen
(die Innen sind da jetzt nicht mitgedacht) in bierseligen Gesprächen
so über sie unken. Da wird viel geredet, worüber nicht gesprochen
wird. „Mach mal Pam, wir stützen und stürzen Dich eh“,
signalisieren sie in geradezu abgefeimter und triefender
Hinterfotzigkeit.
Auf die Frage, ob sie die richtige
Spitzenkandidatin sei, antwortet der burgenländische Landeshauptmann
Hans Peter Doskozil kryptisch: „Es ist immer der beste Kandidat,
der zum gegenwärtigen Zeitpunkt Kandidat ist.“ Und auf die Frage,
ob sie nicht aufgrund des schlechten Europawahlergebnisses
zurücktreten sollte, erwidert derselbe ganz polizeischlau: „Das
müsste sie selber entscheiden. Ich für mich persönlich weiß, wann
der Zeitpunkt gekommen wäre.“ Wer solche Freunde hat, braucht
seine Feinde nicht mehr zu fürchten. Und auch der Kärntner
Landeshauptmann Peter Kaiser meint es nur gut, wenn er festhält, man
stehe „neben, hinter und vor“ Rendi-Wagner. Das nennt man wohl
eine Umzingelung.
Wenn Parteimänner gelegentlich Kante
zeigen zu müssen, sollte es doch andere Objekte geben als die eigene
Parteiobfrau. Statt bei einer Demontage mitzuspielen, könnte man
auch überlegen wie eine erfolgreiche Montage zu bewerkstelligen ist.
Die Aufräumer könnten so beim Aufräumen helfen. Die Pflicht der
SP-Granden bestünde darin, ihre Vorsitzende zu stützen,
Schutzschilder aufzubauen und Stoppschilder aufzustellen. Wenn der
Machertyp so viel Hirn hätte wie er Kraft zu haben glaubt, könnte
man davon Rendi-Wagner doch auch einiges leihen. Da muss man nicht
einmal Feminist sein, durchschnittliche Sensibilität und Respekt
reichen. Doch mehr als ein „friendly fire“ bringen die SP-Spitzen
anscheinend nicht zustande. Zu allem Überfluss ätzt jetzt auch noch
der eitle Kern.
Wir leben in Zeiten, wo hemdsärmeliger
Unsinn als Potenz daherkommt, vorsichtiges Lavieren hingegen als
Manko erscheint. Pamela Rendi-Wagner wirkt beirrbar, manchmal
selbstverloren. Sie klammert sich ans Mikro, sie stolpert im
Interview, ja sie lächelt an unpassenden Stellen, um sich sinngemäß
fragen zu lassen, warum ihr das Lachen nicht schon längst vergangen
sei. Das sitzt. Aber trifft es auch? Oder agiert hier nicht bloß
mediale Brutalität, die Verletzungen als Treffer verwertet.
Es sind spätpubertäre Schlägertypen,
die heute Politik und Journalismus bevölkern. Einschaltziffern und
Wählerstimmen geben ihnen aber (trotz aller Politikverdrossenheit)
recht, so autoaggressiv und autodestruktiv ihr Spiel auch geworden
sein mag. Dass man Frau Rendi-Wagner ungestraft abwatschen darf,
zeugt mehr von emanzipatorischen Defiziten als wenn irgendwo die
Quote nicht erfüllt ist. Dass solche Kommunikationsketten den
Populismus antreiben und beschleunigen, sollte einleuchten.
Politik ist ein beschädigendes
Geschäft. Frauen, die da mitspielen, erscheinen meist als Männer in
Frauenkleidern, Margaret Thatcher war der Prototyp. Frauen, die da
nicht mitspielen, haben keine Chance. Und Frauen, die da halb
mitspielen, kommen schon nach einigen Jahren als verhärmte
Amtsträgerinnen daher. Erscheinen Männer bloß als erbittert, so
Frauen gleich als verbittert.
Ihre Körpersprache verrät sie und
ihre Sprache überdies. Mit Bravour beweist die Parteichefin noch,
dass sie das nicht hinkriegt. Aber wozu soll das auch gut sein? Wenn
sie im falschen Moment lacht, dann ist das eher Unsicherheit, kein
zynisches Grinsen wie es die Herrn am Parkett so gerne an den Tag
legen, um zu zeigen, wie unberührbar und unbelehrbar sie sind. So
weit oder besser so hin ist die Rendi noch nicht. Indes, die
Unsicherheit ist Tatsache, die Sicherheit eine Schimäre, die der
Manipulation durch Simulation bedarf. Rendi-Wagner simuliert zu
wenig. Auch das spricht für sie. Es ist die wirkliche Unsicherheit,
die gegen die falsche Sicherheit auftritt. In der öffentlichen
Wahrnehmung erscheint letztere nicht als grobschlächtiger Unsinn,
sondern da ergänzen sich autoritäre Profile im Wechselspiel von Fan
und Führer.
Zweifellos gibt es viele Leersätze und
Leerstellen in ihren Aussagen. Aber da ist sie alles andere als
alleine, da ist sie vielmehr in trauter Gesellschaft. Gleiche Gesten,
ähnliche Sätze, die selben Argumente können so souverän als auch
dilettantisch wirken, je nach Aufbereitung und Nachrede. Sebastian
Kurz ist z.B. ein Großmeister von Hülsen und Phrasen, doch kommt
das bei ihm anders rüber. Da haben sich Begehrende und Begehrter in
gemeinsamer Hysterie gegenseitig immunisiert. Hype nennt sich das.
Zur medialen Differenz zwischen Rendi und Kurz sei festgehalten:
Rendi-Wagner weiß nicht, ob sie recht hat. Da hat sie recht. Kurz
wiederum ist überzeugt, dass er recht hat. Da hat er unrecht.
Die Vorsitzende ist nicht abgebrüht,
daher wird sie von Freunden und Feinden auch dauernd gesotten, auf
dass man sich schon fragt, wie sie das aushält. Die Aufführung ist
altbekannt. Es ist das obligate suggestive Theater: Rendi-Wagner wird
so lange schlecht geredet bis sie endlich die schlechten Werte
vorweist, die man ihr zuschreibt. Bashing ist angesagt. Auf den
primitivsten Punkt gebracht, fühlt es sich so an: Weil alle auf ihr
herumtrampeln, ist doch offensichtlich, dass sie ein Trampel ist.
Diese irre Logik ist bestechend in ihrer realen Kraft wie in ihrer
haltlosen Dummheit. Aber so agiert Politik im Zeitalter
kulturindustrieller Faschiermaschinen.
Wenn man sich ansieht, wer aller gegen
sie ist, wird sie einem aber durchaus sympathisch. Wer solche Gegner
hat, kann keine so Üble sein. Insofern gilt es, unabhängig davon
was Frau Rendi sagt oder tut, sie gegen diese konzertierte Wut zu
verteidigen. Natürlich wirkt Pam peinlich, sobald sie selbst auf
Patriarchin macht, von Führungsanspruch und ähnlichen
Lächerlichkeiten spricht. Da wird sie dann zum Politmacho, den sie
nicht kann, was alles andere als eine Kritik ist. Frau Rendi-Wagner
ist keine autoritäre Persönlichkeit, was meint: Als sie selbst hat
sie eine gewisse Chance, als verdonnerter Mann kann sie nur die
Nahles machen. Wenn Pamela Rendi-Wagner scheitert, dann nicht an
sich. Diese Frau hat keinen Killerinstinkt. Wenn nur noch mehr für
sie sprechen würde.