Christoph Türcke: Mehr! Philosophie des Geldes. Rezens

Streifzüge 69/2017
von Andreas Fischer

 

Christoph Türcke: Mehr! Philosophie des Geldes. C.H. Beck, München 2015,
480 Seiten, ca. 29,95 Euro

Das Geld würde auf das archaische Menschenopfer zurückgehen. Gegen David Graeber wendet Christoph Türcke ein, man dürfe nicht von den ersten 5000 Jahren sprechen, sondern von den letzten und müsse viel weiter in die Altsteinzeit zurück. Das naive Bewusstsein der Menschen damals erklärt er mit dem Vergleich zu Kindern, die ich und Welt nicht trennen. Nicht selten empfinden Kinder Schuld, wenn Eltern sich streiten. Unsere Vorfahren empfanden Schuld gegenüber dem Schrecken der feindlichen Natur. Würde diese Schuld gesühnt, wäre die Natur versöhnt. Das Opfer musste wehtun. Die höheren Mächte waren imaginär, die Bezahlung war von Anfang an real. Das Menschenopfer hat sich im Lauf der Zeit profaniert (entweiht). Mit der neolithischen Revolution wurde es durch Tier- und Speiseopfer ersetzt, dann durch Metallopfer, dann durch Geld. Soweit die Würdigung. Nun zur Kritik. Marx ist für Türcke nur ein moralischer Zeuge gegen den Kapitalismus, seine theoretische Stärke versucht er zu widerlegen. Dass Leistung und Belohnung nur säkulare Derivate von Schuld und Sühne sind, bleibt Türcke verborgen. So macht er auch keine wirkliche Differenz zwischen vormodernen Sozietäten persönlicher Verpflichtungsverhältnisse und dem modernen Selbstzweck des Geldes. An der Werttheorie kritisiert er, dass sie Qualität zu quantifizieren sucht und bringt damit, ohne es zu merken, ein Argument gegen den Kapitalismus vor. Denn dem Geld wird die magische Eigenschaft zugeschrieben, Unvergleichbares vergleichen zu können. Sonst bliebe nur noch das „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“ als Ende mit Schrecken.