Paarlauf der Koalition
von Franz Schandl
Viel schief hat da nicht gehen können. Von kleinen atmosphärischen Störungen abgesehen, war es ein Paarlauf. Ganz anders als in Deutschland, hatte man in Österreich kaum das Gefühl, dass hier unterschiedliche Parteien verhandeln, die erst mühsam zu einem Konsens finden müssen. Mühsam war da gar nichts. Heute wurde die neue Regierung von Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen in durchaus amikalem Rahmen angelobt.
Sebastian Kurz (ÖVP) ist mit Heinz-Christian Strache (FPÖ) mehr einig als mit einigen seiner Teilorganisationen. Die haben die Umfärbung von schwarz auf türkis noch nicht lückenlos vollzogen, sind über manches nicht so glücklich, indes ohne Kurz wäre die Volkspartei völlig abgestürzt, daher werden jene vorerst schweigen oder nur gelegentlich ihren Unmut äußern. Momentan hat Kurz seine Partei so fest im Griff wie Strache die seine. Für die ÖVP ist das zweifellos etwas Neues.
Die Gespräche ließen jedenfalls keine Friktionen erkennen. Im Gegenteil, fast glaubte man es mit einer neuen Einheitspartei zu tun zu haben, einer FPÖVP. Wo es keine Differenzen mehr gibt, müssen diese auch nicht ausgeräumt werden. Es lief wie geschmiert und es war auch nicht anders zu erwarten. Nachdem die FPÖ jeden Sozialpopulismus zugunsten blankem Neoliberalismus hat fahren lassen und die Positionen der ÖVP in der sogenannten Ausländerfrage ungefähr die der Freiheitlichen sind, waren die Hürden überwunden. Einer Koalition steht also nichts im Wege. Kurz ist Kanzler und Strache sein Vize. Der FPÖ-Chef wollte seinen Posten ursprünglich unter dem Titel eines Heimatschutzministers beziehen. Das hat ihm aber der Bundespräsident in den letzten Tagen noch ausgeredet. An der inhaltlichen Ausrichtung wird das aber nichts ändern, noch dazu wenn man bedenkt, dass die Konservativen den Rechtspopulisten auch das Innen- und das Verteidigungsministerium überlassen haben.
Die ÖVP ist ganz auf FPÖ-Linie und die FPÖ gibt sich staatstragend und gemäßigt. Der rüpelhafte Ton wurde beinahe völlig abgelegt. Selbst Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der einzelne Minister ablehnen könnte, gibt sich zufrieden und will der neuen Regierung keinen Stein in den Weg legen. Auch die EU nicht. Sie hat sich schon im Jahr 2000 mit den Sanktionen gegen das Bündnis Schüssel-Haider die Finger verbrannt und wird sich hüten ihre Mitgliedsstaaten ein zweites Mal zu Sanktionen greifen zu lassen. Anstatt aufgeschreckt ist man abgestumpft. Dass diese Regierung nun weniger rechts sein wird als jene, ist freilich nicht anzunehmen.
Das marktradikale Lager schreit schon nach seinen Weihnachtsgeschenken. Der Chefredakteur der konservativen Wiener Presse, Rainer Nowak, verlangt eine „wirtschaftsliberale Durchforstung“ um das „Arbeitsinspektorenstandgericht“ (sic!) zurückzudrängen. Gemeinsam ist ihnen allen der selige Wunsch nach dem 12-Stunden-Tag. Konkret soll per Gesetz die täglich zulässige Höchstarbeitszeit auf zwölf Stunden ausgeweitet werden, die wöchentlich mögliche Arbeitszeit auf 60 Stunden. Ganz banal geht es auch darum, Überstunden als Regelstunden entlohnen zu können, um Kosten zu sparen. Da das Kapital in seinen Handlungen immer flinker werden muss, soll auch der Zugriff auf die Lebenszeit der Beschäftigten kein beschränkter sein, sondern ein rigoroser. Alle gesetzlichen Normierungen sind da ein Gräuel, „Arbeitsbereitschaft total“ ist angesagt. Kollektivverträge und Arbeitszeitbestimmungen geraten ins Rutschen. Nichts anderes ist gewollt. Die Demontage der Schutzgemeinschaften (Gewerkschaften, Arbeiterkammer, Betriebsrat) steht schon des Längeren auf der Agenda, nun wird sie forciert.
Ansonsten hören wir das Übliche: die Wirtschaft ist anzukurbeln, der Standort zu sichern, die Bürokratie abzubauen. Der Sermon lässt grüßen. Hoch gingen die Wogen nur, als man die schon geplante Verschärfung des Rauchverbots wieder zurücknahm. Österreich wird nicht neu, aber auch nicht um vieles rechter als es bisher schon gewesen ist. Doch es wird alles um eine Spur autoritärer und restriktiver, enger und engstirniger. Mehr als um die „Neuaufstellung des Landes“ (Nowak) geht es um die schlichte Neuverteilung desselben.