Zitterndes Glück
von Franz Schandl
Kurd Adler schildert nicht vornehmlich die Welt der Schützengräben, sondern erzählt von einem Fühlen, einem tiefen poetischen Empfinden wider diese Welt. Stets schreibt er dabei nicht nur ums Überleben, sondern wirklich ums Leben. „Zitterndes Glück ahnt sich vorbei“, heißt es im Gedicht Verheißung. Das ist die Botschaft. Er, dem Untergang wohl immer nahe und dann auch von ihm verschlungen, er wollte nicht untergehen. Aber er lag an der Front und er kam schließlich dort auch um. Genaueres weiß man nicht. Selbst die Suchmaschinen sind ratlos, entsprechende Forschungen über Leben und Werk stehen nicht zur Verfügung und somit noch aus.
Lust und Schrecken
Leben, das ist auch etwas, das als Vorahnung und Vorstellung, als Vorspiel und Vorlauf schon da ist, wenn auch bloß im Ansatz und nicht als Fülle. Der Traum, den Adler träumte, war kein Albtraum. „Lebe gestorben“, schrieb etwa der im September 1915 gefallene August Stramm an Nell und Herwarth Walden. „Lebe lebendig“, hätte Adler wohl antworten müssen. Beides ehrt beide.
Adler gab sich dem Schrecken nicht hin, sondern wollte aus dem Schrecken raus, rein in die Welt der gefüllten Badewannen und geöffneten Ventile. Seine Lust rührte nicht aus dem Schrecken, sie war wider ihn, nicht aus ihm. Da war nicht die Spur einer Todessucht, sondern vielmehr Lebensfreude. Der Krieg diente als Kontrast zu dem, was Leben hätte sein können. Und der Poet hatte diverse Imaginationen davon. Doch er, der sich soeben aktivierende Dichter war an der Front, dem denkbar ungeeignetsten Ort praktizierender Sinnlichkeit.
Was er schreibt und wo er schreibt, das sind verschiedene Dinge. Der Krieg ist nur eine Folie im Raum und wann immer er diese abziehen kann, zieht er sie ab. Der Lyriker im Krieg war kein Kriegslyriker. Selbstverständlich war da auch Melancholie, aber seine Grundstimmung oder besser sein Grundwollen war geprägt von einer vitalen Sendung. Dieser hatte er sich hingegeben. Leben wollte er, gut leben, nicht sterben. Was ihn beseelte, das war ein schierer Lebensdrang, und dieser glänzt da in geschliffenen Versen: Nicht amorph, nicht diffus, nicht morbid.
Natürlich könnte man über Interpunktionen und Zeilenumbrüche und einige unnötige Klammern diskutieren, indes war wohl wenig Zeit zu redigieren und Rücksprache zu halten. Es mag also kleine Schwächen geben, aber es gibt keine Spur einer Peinlichkeit. Dunkel ist dieser Dichter nicht, vielmehr hell in allen Schlüssen, „hochzeitshell“ wie es bei ihm selbst heißt. Adler affirmiert nicht einfach das Leben, er bejaht des Lebens Möglichkeiten. Da möchte er zugreifen und zugegen sein. Nicht Angst prägte, sondern Lust.
Der Reim, obwohl in manchen Fällen noch existent, gestaltet nicht mehr die Gedichte. Er kann überlesen oder überhört werden. Er ist nämlich aus seiner Starre befreit, nur zufällig scheint er noch da zu sein, und verflüchtigt sich in den meisten Strophen ohnehin. Seine Gedichte sind nicht narrativ, aber sie sind auch nicht minimalistisch wie jene von August Stramm. Anders als bei Stramm, wo ein unermüdlicher Rhythmus die Zeilen diktiert, ist es bei Adler die Melodie, reich an Adjektiven, die nur selten ins Ornamentale kippen. Wird bei Stramm alles Überflüssige ausgesondert, so wird bei Adler das Flüssige noch flüssiger, Wortschätze werden oft geradezu hymnisch gehoben. Dieser Autor scheint (ähnlich Büchner) früh gereift zu sein, zumindest legt die innere Geschlossenheit seiner Poesie das nahe.
Adlers Lyrik ist weniger ambivalent vielsagend als dezidiert aussagend. Was er wollte und nicht hatte, das wusste er. So verzeichnen die lyrischen Würfe auch weniger die Bitterkeit des Krieges als die Liebe zum Leben. Dort, also da ist die große Alternative. Im Dasein. Ganz nahe und doch so fern. Der junge Mann ist ein Meister einer energetischen Umpolung. Schnell ist die Rede von Himmel und Pracht, von Süße und Paradies, von Wollust und Grenzenlosigkeit. In einem Gedicht namens Ausblick heißt es:
Es mengen
Gedanken sich. Der Berg ist steigender Wall,
hinter uns leben Tiere, Frauen, und Fahnen
Ahnung von fernen Flüssen und Eisenbahnen
und keine Grenze. Vor uns brennender Schall
des Kriegs. Von Grauen durchklungene Nacht,
Lauern, Härte, gestorbener Häuser Klagen,
Knall, Krachen, Wut. An vielen Tagen
muss ich mich umsehen nach lange verlorener Pracht.
Eine ungemeines Verlangen mächtigt in dieser Poesie. Das Leben, es wird vorweggenommen als ein profanes Gebet:
Fast ist es seltsam, dass wir Menschen waren
denen das Leben wie Gebete schien,
die sich in Lüsten, Liedern offenbaren
und alle Sehnsucht schrie, in Melodien
und Räuschen wunderbarer Art zu leben.
Der Tod, der ist zwar da, aber nirgendwo bestimmend. Der Schrecken verschwindet nicht, aber er schwindet in diesen mächtigen Willensäußerungen eines jungen Soldaten an der Front. Das Feld, also auch das Schlachtfeld, wird ihnen nicht überlassen. Die Intention stößt die Realität vom Podest. Böse geendet hat die Geschichte trotzdem. „Kurd Adler wurde in den ersten Julitagen 1916 als dienstpflichtiger Soldat im Westen getötet. Er ist der Aktion ein wertvoller Mitkämpfer gegen diese Zeit gewesen“, schrieb Franz Pfemfert, der Herausgeber der Zeitschrift Die Aktion. Der Dichter ist also nur 24 Jahre alt geworden. Sein Leben, es war ihm nicht vergönnt. Viel Gegenzeit hatte er nicht. Soweit bekannt, sprechen wir hier von einem Oeuvre von ungefähr 30 Seiten.
Unsäglich säglich
„Trakls Tote sind nie wirklich tot, wie seine Lebenden nie wirklich lebendig sind“, schreibt Katharina Maier im Vorwort zu einer Ausgabe der Traklschen Gedichte. Die Scheidung zwischen Tod und Leben war bei Trakl aufgehoben, bei Adler hingegen galt sie als fixe Schranke. Unser Autor legt nahe: Der Tod, was geht er mich an? So lange er mich nicht hat, ist er nichtig, und wenn er mich hat, bin ich nichtig. Adlers Eros kränkelte nicht am Thanatos. Dem Leben wollte er kein Ende setzen, sondern einen Anfang. Sein Leben wollte er setzen. Seine Gedichte legen ein deutliches Zeugnis ab, seine Zeilen sind zu lesen als ein großes Vorhaben, ja Programm.
Bei Georg Trakl geht es tatsächlich um die poetische Offenbarung eines Untergangs, den eigenen inbegriffen. Da geht einer wirklich und im wahrsten Sinne des W6ortes zu Grunde und hilft dabei auch noch mit. Seine Lyrik ist geprägt von einer kategorischen Bitterkeit, er sieht eine „dämmernde Totenkammer“, das Menschengeschlecht hält er für „kalt und böse“, es bereitet uns eine „dunkle Zukunft“ heißt es in dem Gedicht Der Abend aus dem Jahr 1914. Er nennt jenes abwechselnd ein „verwesendes“, „entartetes“, „verfluchtes“, „entsetztes“. Georg Trakl war auf jeden Fall der moderndste deutschsprachige Dichter des 20. Jahrhunderts. Was übrigens eine Auszeichnung ist, ist doch dieses Jahrhundert als fortschreitendes Modern gut erfasst. Niemand brachte das so aufs Tapet wie Trakl. Darin liegen Größe und Tragik.
„Ich verfalle oft in unsägliche Traurigkeit“, schrieb Georg Trakl an seinen Freund Ludwig von Ficker im Oktober 1914. Wir wissen nicht, was Adler seinen Freunden geschrieben hat, aber es müsste etwas ganz anderes gewesen sein, denn Adler verfällt im Gegensatz zu seiner Lage geradezu permanent in Zuversicht und Begehren. Der hatte Appetit, auch wenn es erzwungenermaßen nur ein appetitus in prospectu sein sollte. Er sprach lieber vom Himmel als von der Hölle. Adler wollte in keiner Weise untergehen. Aufgehen wollte er vielmehr. Und aufgehen sollte auch das geliebte und gelobte Leben, das er wünschte und das er so temperamentvoll ausmalte.
Der Schützengraben wird nicht überhöht, er wird unterhöhlt. Die Worte unterspülen ihn, lassen ihn nicht gelten. Selbst das „breitgeflügelte Elend“, die „schwere Finsternis“ verstand er grandios zu wenden, ohne Elend und Finsternis zu verdrängen. Man lese Der Triumph – dieses Stück wider seinen Titel, in dem es etwa heißt:
Über den schweren Füßen hatte mein Hirn sil-
berne Flügel
Flog – Flog und sang ein Triumphlied;
und bewundernd und köstlich reich warf ich es weg
in den aufspritzenden Schlamm.
Und jubelte in meinem Himmel, als ich sah,
dass Hunderte achtlos und keuchend vorübermar-
schierten.
Hoffnungslosigkeit, Aussichtslosigkeit, Erbarmungslosigkeit, das alles findet in seiner Lyrik kaum Eingang. Die Traurigkeit, die sich in ihr doch findet, ist die des Dichters, der an seinem Leben gehindert wird, der seine Möglichkeiten versäumt, seine Absichten nicht umsetzen kann. Aber das macht diese und jene nur umso stärker. Er verzweifelt nicht. Leiden ist sein Metier nicht. Da strahlt einer in säglichem Frohsinn. Und dieser Frohsinn ist keiner der Beschränktheit, sondern einer der perspektivischen Prosperität.
Kontrafaktische Konsequenzen demonstrieren, dass da einer weder in Kriegsbegeisterung noch in Depression verfällt. Laufend wird das Geschehen hintergangen. Kurd Adler wollte sich weder übergeben, d.h. mitmachen, noch aufgeben, d.h. kapitulieren. Adler wollte sich bewegen und zeigen, jenseits von Held und Opfer. Dass er letzterem nicht entging, ist tragisch. Hier wurde eine literarische Potenz sondergleichen zerstört und auch das schmale Werk – sieht man von einigen Anthologien ab – faktisch genichtet, so als hätte es dieses Vermögen nie gegeben. Adler, das ist (um eine Traklsche Formulierung zu entwenden) der „ungeborne Dichter“. Noch.
Morgen und Entnachtung
Georg Trakl, der dunkle Poet der „Umnachtung“ lag mit seinen Vorahnungen zweifellos besser als der liebestrunkene Poet des „Hochzeitshellen“. Und doch oder gerade deswegen ist alles dafür zu tun, und zwar immer, dass Trakl unrecht behalte und die Adlerschen Visionen Wirklichkeit werden. Kurd Adler ist nämlich ein Dichter der Entnachtung. Auch wenn es finster geworden ist, hätte es nicht so werden müssen. Geschweige dass es so bleiben muss. Das Licht geht bei Adler nie aus. Diese Literatur ist absolut exoterisch. Weniger differenziert als konzentriert, insbesondere aber diesseitig. Da ist kein Gott in der Nähe, auch kein abgedankter oder abgehalfteter. Das lyrische Ich zieht sich nicht zurück, es entrückt sich keineswegs, es entzückt sich vielmehr. Dauernd möchte es zu sich kommen.
Diese Lyrik, obwohl keineswegs schlicht, erschließt sich bei gutem Willen und sorgfältiger Lektüre auch ohne professionelle Hilfe. Das Hermetische hält sich in Grenzen und das Kryptische ebenso. Es ist keine chiffrierende Literatur. Adler ist ein Autor des Begreiflichen. Es ist die inhaltliche Sequenz, die fesselt. Sie ist auch kaum meditativ. Adler überfordert seine Leser nicht, er fordert, er möchte, ja er möchte und das Morgen ist ihm nicht Drohung und Unheil, Zukunft will er haben! Jetzt!, oder zumindest Dann! Im Gegensatz zu Trakl ist Adler ein Dichter des frühen Morgens, einer Stunde, wo der Tag noch alles Wünschen erlaubt. „Damals war alles Hoffen städtegroß“, sollte er an einer Stelle schreiben. Doch die Morgendämmerung, die hat dieser Poet nicht überlebt. So stand Adler nur am Anfang, und nichts mehr folgte. Über die Schützengräben kam er nicht hinaus. Später, da war er schon tot.
„Kurd Adler, was wäre aus ihm geworden? Ein zweiter Gottfried Benn?“, fragt Florian Voß, der im Mai 2014 eine ausgesprochen lesenswerte Anthologie mit dem Titel „Weltkrieg! Gefallene Dichter 1914–1918“ herausgegeben hat. Möglicherweise mehr, denn Benns Geschichte nach 1918 ist eine Abstiegsgeschichte, künstlerisch, politisch, menschlich, die ihn schließlich in den Nationalsozialismus führte. Aber wissen können wir nicht, was Ahnung nahe legt.
Der andere Tag
Adler verfremdet nicht, er präzisiert und pointiert, er sprengt keinen Kosmos, er filtriert sich vielmehr sein Universum. Zaubert richtiges Leben aus falschem. „Keine Trompeten, kein Schnarchen, kein Schlamm, keine müden Glieder.“ Und weiter in diesem wohl letzten Gedicht aus dem Juni 1916 mit dem bezeichnenden Titel Wiederkehr:
Ein traumsilberner Flieger will ich den Lenz überfliegen,
die schweren Bäume in ihren Kronen fassen
und in freudig geneigter Demut wieder und wieder
die Liebe durch tausend Ventile ausströmen lassen.
Wiederkehr steht an, zweifellos. Diese Verse, werden von mal zu mal reicher und klarer, gewinnen von Lesung zu Lesung. Wahre Schätze können gehoben werden. Verse beginnen zu leuchten, Verstecke werden erspäht, Wörter tanzen und die Sätze laufen auf uns zu, insofern wir nicht achtlos an ihnen vorbeigehen. Aber warum sollten wir? Die Flaschenpost ist angekommen. „Und keiner fand das Wort, das irgendwo an steilen Bergen hing“, lesen wir in Der andere Tag. Oh doch!
Literatur
Kurd Adler, Gedichte, Edition Grillenfänger, Potsdam 2011.
August Stramm, Gedichte. Dramen. Prosa. Briefe, Reclam, Stuttgart 1997.
Georg Trakl, In den Nachmittag geflüstert. Gedichte 1909–1914. Mit einer Einleitung von Katharina Maier, Marix Verlag, Wiesbaden 2009.
Georg Trakl, Fünfzig Gedichte, Reclam Verlag, Stuttgart 2001.
Florian Voß (Hg.) „Weltkrieg! Gefallene Dichter 1914–1918“, Lyrik Edition 2000, Allitera Verlag, München 2014.
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Kurd Adler,
geb. 1892, gefallen am 6. Juli 1916
Die Rückkehr
Früher war meine Liebe grenzenlos
und keiner war, der sie bescheiden bände,
der in der Wirrnis über dem Gelände
der Füße Andacht mir nur einmal wies.
Ganz taumelnd schaut ich um das Paradies,
das ich hinter der bangen Wüste fände.
Damals war alles Hoffen städtegroß.
Da fand ich feil und offen eine Lende
einer geschmückten Frau, und Feuerbrände
loht ich in sie; und alle Süße ließ
ich in sie strömen, und so pries
ich tagehin nur Seele, Mund und Hände.
Aus trübem Wissen wuchs ein quälend Ende.
Ich sah und sank, nun steh ich nackt und bloß.
Betrachten
Ganz lauernd stehen wir auf hohem Berg
Und sehen Deutschland links und Frankreich rechts;
und überall ist großes stilles Land
mit weichen Wäldern und verblinkten Dörfern.
Tief eingegraben sind wir wie die Tiere,
die Beute bergen. Der Geschütze
blauschwarze Mäuler glotzen stumpf und stier.
So ahnungslos ist aller Dinge Schein,
dass erst der runde, dumpfe Schall von drüben
uns bitter denken lässt, dass wir Zerstörer sind.
Hoch hebt sich ein Gefühl
von jener Liebe zu dem stillen Lied,
dem Sonntagmorgen und Sebastian Bach.
Ein Augenblick! Und schon ist alles grau.
Fünf Männer rennen wild um ein Geschütz,
Ich denke lächelnd der Begeisterung
der Morgenblätter, die wir nicht mehr lesen.
Ruhe an der Front
Manchmal nur surren verirrte Geschosse.
Knarrende Wagen auf fernen Chausseen.
Krähende Hähne in einem Dorfe. Zwei Rosse
klappern irgendwo. Lüfte wehen
weich, violett, seltsam wie unserer Mütter Hände,
die oft in unseren Träumen erscheinen.
Fremde Ruhe sinkt um uns her. Es fände
keiner den Ton der zerrenden Wildheit. Und
käme der Tod wie ein Wunder an, dass er den Blick
staunend und schreiend lodernd lasse. Scheiden seh ich das Leid
dieser Welt. Und Liebe strahl ich zurück.
Fast vergess ich die wilde Zeit. Eine Ewigkeit
dünkt mich dies grause Spiel schon vorbei.
Der Frühling tastet mich an wie ein vertrautes Gedicht:
Sommertage, ein winkendes Tuch und ein liebender Schrei.
Die junge Sonne wandert über mein Angesicht.
Verheißung
Tage springen auf
mit lichtendem Glanz,
von Verheißungen schwer.
Meine Hände betasten
gierig das Große
und gleiten hinab
und ahnen Geschick
flutender, rauschender Gebärden.
Und greifend spielend
den schweren Ball
aufsteigender Sonnen.
Zitterndes Glück
ahnt sich vorbei.
Farben zerfließen,
werden zum Rahmen
zersinkender Dinge,
verklingender Köpfe,
zerrinnender Wünsche.
Auf breitem Feld
schleicht schweren Schritts
mit brechendem Rücken
müdgraue, fressende
gestaltenlose Einsamkeit.
Ein bitteres Schreien
tief hinten im Hals
zerbricht den Tag,
der weise und lächelnd
sich selbst begräbt.
Der Triumph
Seltsamer, seltsamer Triumph!
In dieser eklen, peitschenden Nacht,
da der Regen sich wie ein unendliches Gewand
um uns legte
und der Dreck uns bis zu den Ohren sprang,
die dunklen Sumpffelder wuchsen in den Himmel
und die kahle Schwarze stach uns – stach uns.
In dieser Nacht klangen heisere, verwünschende
Worte –
breitgeflügeltes Elend . . . patsch- patsch-
patsch sang die schwere Finsternis.
Augen, in denen Wasser tropfte, brannten nach
Schlaf.
Flüche – Gekeuch – im zähen Brei stapften
Schritte von Störchen.
„Verflucht- die Sauerei!“
Patsch- patsch- patsch sang die schwere
Finsternis.
Ein unerbittlicher Leichenzug.
Oho! Hochzeitshell triumphierte in dieser Nacht
mein Leben wie nie zuvor.
In toller Wollust warf ich weiße Astern in diese
Schwärze.
Die Hände meiner schönsten Freundin steckte ich
wie Grabkreuze in die Sümpfe.
Straßen mit Beeten und Bäumen zog sich am
Himmel.
Eine unendlich einsame Leuchtkugel – – oh,
dieses ausersehene Restaurant,
in dem Kellner auf roten Teppichen um kleine
Tische frackten.
Tausend Verse Rilkes schrieb ich in den rinnen-
den Regen.
Über den schweren Füßen hatte mein Hirn sil-
berne Flügel
Flog – Flog und sang ein Triumphlied;
und bewundernd und köstlich reich warf ich es weg
in den aufspritzenden Schlamm.
Und jubelte in meinem Himmel, als ich sah,
dass Hunderte achtlos und keuchend vorübermar-
schierten.
Wiederkehr
Seltsam – wird alle Bitternis in schließendem Schlund versank:
die zerrissene Luft, der Schrei, der Pulvergestank
die Enge und das schleichende, müde Leid.
Wieder lodert das Leben auf in verzückten Flammen,
Berge erblühn und Straßen lagern sehr breit
sich hin. Schon rücken Gespräche zusammen.
Und eine dünne Brücke – fast nur ein Seil,
tänzelt leicht über die trennenden Tage.
Verschwommene Gesichte – lang schon außer Bewusstsein – steigen aus glühem Krater
wie Freunde auf. Das ist der Strom, der Turm, die Straßenbahn, das Theater,
geliebtete Frauen, Glanz aus vernarbten Wunden, rhythmisch Gejage.
Weiße, große Betten … wie ein Irrer bin ich, wie ein Neger oder ein Inder.
Ich möchte nach allen bunten Dingen verlangend greifen,
durch Abende wehn, über hundert Münde streifen
oder lange in kristallenem Bade liegen.
(Keine Trompeten, kein Schnarchen, kein Schlamm, keine müden Glieder.)
Ein traumsilberner Flieger will ich den Lenz überfliegen,
die schweren Bäume in ihren Kronen fassen
und in freudig geneigter Demut wieder und wieder
die Liebe durch tausend Ventile ausströmen lassen.