Krise ohne Ende?
von Peter Samol
Was die gegenwärtige Krise mit dem Marx’schen „Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate“ zu tun hat und warum man ihr nicht richtig begegnen kann, solange man sie nicht als fundamentale Krise des Kapitals begreift
Welchen Charakter hat die momentane Wirtschaftskrise, die mittlerweile in ihr fünftes Jahr geht? Handelt es sich lediglich um einen außergewöhnlich starken Ausschlag im bekannten Auf und Ab der Konjunkturkrisen? Oder haben wir es mit einer grundsätzlich anderen Art von Krise zu tun – einer globalen Verwertungskrise des Kapitals, aus der es keinen systemkonformen Ausweg mehr gibt, und die so lange weitergeht, bis wir beginnen, aus der fundamentalen Logik der Kapitalverwertung auszusteigen? Das ist keine bloß akademische Frage, sie hat vielmehr äußerst weitreichende praktische Konsequenzen. Von der Antwort auf diese Fragen hängt ab, ob die linken Bewegungen ihre Hoffnungen lieber auf eine gerechte Verteilung und eine bessere Politik setzen sollten oder ob sie das warenproduzierende System selbst zur Disposition stellen müssen. Trifft letzteres zu, dann müssen ganz neue Wege der Aneignung und Produktion des vorhandenen stofflichen Reichtums gefunden werden. Wie man sieht, ist es alles andere als eine vernachlässigbare Gedankenspielerei im Elfenbeinturm der Theoriebildung, wenn man sich eingehend mit der Logik der kapitalistischen Krisendynamik befasst. Die daraus resultierenden Ergebnisse sind von enormem Gewicht für die emanzipatorische Praxis.
Für Karl Marx stellte die kapitalistische Produktionsweise eine hochgradig katastrophenschwangere Vergesellschaftungsform dar, die letztlich an ihren unüberwindlichen inneren Widersprüchen scheitern würde. In diesem Zusammenhang war er der festen Überzeugung, dass das von ihm entdeckte „Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate“ das wichtigste Gesetz für seine Prognose vom unvermeidlichen Ende des Kapitalismus sei. Diese Marx‘sche Vorstellung einer inneren Schranke, auf die der Kapitalismus zusteuert, trifft in großen Teilen der heutigen Linken auf wenig Gegenliebe, und dementsprechend werden auch seine Überlegungen zum „tendenziellen Fall der Profitrate” heftig kritisiert. So behauptet der Mathematiker und Politologe Michael Heinrich unter anderem in seinem Longseller „Kritik der politischen Ökonomie. Eine Einführung”, eben dieses Gesetz widerlegt zu haben, und stößt damit innerhalb großer Teile der Linken auf Zustimmung. Im Folgenden soll gezeigt werden, dass Heinrich mit seiner Behauptung falsch liegt.
Der Fall der Profitrate nach Marx
Beginnen wir mit der Marx’schen Darstellung des Theorems vom tendenziellen Fall der Profitrate. Marx’ Ausgangspunkt ist die ständige Weiterentwicklung der Produktivität. Getrieben von ihrer wechselseitigen Konkurrenz sind die einzelnen Kapitale dazu gezwungen, sich maximal anzustrengen, um am Markt überleben zu können. Praktisch bedeutet das: Jedes Unternehmen muss versuchen, mit möglichst wenig und möglichst billiger Arbeit möglichst viel und möglichst kostengünstig zu produzieren. Dabei besteht das Kapital im Wesentlichen aus den zwei Bestandteilen: dem Sachkapital und dem Humankapital. Ersteres bezeichnet alle Formen von eingesetztem Material (Maschinen, Gebäude, Rohstoffe etc.), zweiteres die in der Produktion eingesetzten Arbeitskräfte. Laut Marx schaffen nur die Arbeitskräfte den sogenannten Mehrwert, der wiederum die einzige Grundlage für den kapitalistischen Profit darstellt. Während nämlich das Sachkapital nur die eingesetzten Kosten eins zu eins an das Endprodukt weitergibt, schaffen menschliche Arbeitskräfte mehr Warenwert, als sie an Lohn bekommen – dieser zusätzliche Wert ist der von Marx so genannte Mehrwert. Ohne Mehrwert gibt es keinen Profit, und die Profitrate ist nichts anderes als der Mehrwert im Verhältnis zur Summe des eingesetzten Human- und Sachkapitals.
Aus dem bisher gesagten ergibt sich, dass die durchschnittliche Profitrate um so geringer ausfällt, je weniger menschliche Arbeitskraft im Verhältnis zum Sachkapital bei der Produktion zum Einsatz kommt. Genau das geschieht aber, wenn die Produktivität steigt, denn dabei werden Menschen durch Maschinen verdrängt. Im Grunde wäre es also für alle Kapitale – bzw., wie Marx es nennt, das „Gesamtkapital” – das Beste, möglichst viel menschliche Arbeitskraft und möglichst wenig Maschinen einzusetzen. Aber gleichzeitig treibt die Konkurrenz jedes einzelne Kapital unerbittlich dazu, die lebendige Arbeit durch den Einsatz von Sachkapital zu ersetzen. Denn so lange das nur ein oder sehr wenige Einzelkapitale tun, können diese ihre Waren billiger als die anderen produzieren und trotzdem zum Preis des alten, teureren Produktivitätsstandards verkaufen. Den zusätzlichen Gewinn bezeichnet Marx als Extramehrwert bzw. Extraprofit. Dieser Extraprofit macht Produktivitätssteigerungen für die Unternehmen so interessant. Allerdings sieht sich die Konkurrenz gezwungen, sobald wie möglich mit eigenen Produktivitätserhöhungen nachzuziehen. Wenn das geschieht, dann sinkt der Wert der entsprechenden Waren, die ja jetzt flächendeckend mit weniger Aufwand hergestellt werden können. Sie werden insgesamt billiger, womit der Extraprofit wieder verschwindet, und am Ende verdienen alle Unternehmen der betreffenden Branche weniger als zuvor. Dass die ersten Anwender einer produktiveren Technologie durch ihr Handeln eine Entwicklung auslösen, die langfristig den Wert der eigenen Produkte senkt und ihnen damit selbst zum Schaden gereicht, haben diese gar nicht im Blickfeld. Ihnen geht es nur um die aktuelle Senkung der Produktionskosten pro Einzelware. Die für das Gesamtkapital und damit auch für sie selbst ungünstige Gesamtentwicklung der Profitrate kommt erst später ins Spiel und erscheint ihnen als schicksalhaft. Als Folge setzen immer weniger Menschen immer mehr Maschinen in Gang und verbrauchen dabei immer mehr Rohmaterialien und Energie. Diese Einsparung der menschlichen Arbeitskraft geht immer weiter, bis zu dem Moment, in dem der Profit nahezu Null beträgt. So gelangt die historische Entwicklung des Kapitals schließlich an einen Punkt, an dem ein weiteres Betreiben der kapitalistischen Produktion unmöglich wird, weil das Risiko des Scheiterns in Relation zum voraussichtlichen Gewinn viel zu groß wird. Genau das ist die Entwicklung, die Marx mit dem „Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate“ bezeichnet.
Michael Heinrichs erster Einwand: Erhöhung des relativen Mehrwerts
Dass ein immer geringerer Teil des Gesamtkapitals für den Ankauf von menschlicher Arbeitskraft verwandt wird, während der Anteil des Sachkapitals beständig wächst, ist allerdings nicht die einzige Wirkung der wachsenden Produktivität. Zugleich verbilligen sich dabei auch die vom Kapital produzierten Waren, d.h. jede einzelne Ware stellt immer weniger Wert dar. Das schlägt zunächst einmal auf den Wert der menschlichen Arbeitskraft zurück. Denn weil auch jene Waren preiswerter werden, die in den Konsum der Arbeiter eingehen, sinken deren Lebenshaltungskosten, d.h. es sinkt der Wert der Ware Arbeitskraft, und damit wächst der Anteil der Mehrarbeit am Gesamtarbeitstag und der von jedem einzelnen Arbeiter erzeugte Mehrwert. Das hat auch schon Karl Marx gesehen und als „entgegenwirkende Ursache“ verbucht. Marx ging jedoch davon aus, dass der Druck auf die Profitrate, der von der Verschiebung zu immer mehr Sachkapital ausgeht, eine stärkere Tendenz darstellt als die Steigerung des Profits, die durch die Verbilligung der Ware Arbeitskraft möglicht wird. Michael Heinrich teilt diese Ansicht nicht; seiner Auffassung nach hat Marx die Effekte der Verbilligung unterschätzt.
Offensichtlich lautet die entscheidende Frage, welche Tendenz stärker ist: die sinkenden Arbeitskosten oder die Verdrängung der mehrwertschaffenden lebendigen Arbeitskraft. Betrachten wir zunächst die Entwicklung der Arbeitskosten und ihre Folgen. Wenn die Konsumgüter der Arbeiter billiger produziert werden können, dann sinken dadurch nicht nur die Arbeitskosten, sondern es steigt darüber hinaus auch der Mehrwert, der pro Arbeitskraft erzielt werden kann. Denn bei einer Verbilligung der Arbeitskosten sinkt der Zeitanteil des Arbeitstags, an dem die Arbeiter den Gegenwert für ihren Lohn erzeugen. Entsprechend verlängert sich der Anteil der Zeit, in dem sie für das Unternehmen arbeiten und dadurch Mehrwert (also Profit) produzieren. Die Verbilligung der Konsumgüter steigert also den Mehrwertanteil. Das bezeichnete schon Marx als den relativen Mehrwert. Genau auf diesen kommt es Heinrich an. Er ist der Überzeugung, dass durch die höhere Produktivität zwar weniger Arbeitskräfte gebraucht werden, was aber dadurch mehr als ausgeglichen wird, dass die verbleibenden Arbeitskräfte einen höheren Anteil an relativem Mehrwert liefern als durch die Entlassungen an mehrwerterzeugender Arbeitskraft verloren geht. Stimmt das, dann sinkt die Profitrate in der Tat nicht, sondern sie steigt sogar.
Aber kann der relative Mehrwert den Abbau von Arbeitskräften wirklich immer ausgleichen? Zunächst einmal ist zu bedenken, dass es eine eindeutige Beziehung zwischen Mehrwert und Lohn gibt. Sie besteht darin, dass die Summe der Arbeitszeit, in welcher eine Arbeitskraft für ihren Lohn Arbeit arbeitet plus derjenigen, in denen sie für das Unternehmen arbeitet und Mehrwert schafft, immer genau der Länge des Gesamtarbeitstags (von z.B. acht Stunden) entspricht. Wenn wir also davon ausgehen, dass die Länge der entlohnten Arbeitszeit mit steigender Produktivität immer geringer wird, dann tendiert diese immer stärker gegen Null, während die Zeit, in der für Mehrwert bzw. Profit gearbeitet wird, gegen die Länge des Gesamtarbeitstags (also gegen besagte acht Stunden) tendiert. Damit ist die Entwicklung des relativen Mehrwerts nach oben begrenzt: Er kann nicht mehr werden als es der Dauer des Arbeitstags entspricht. Außerdem wächst der relative Mehrwertanteil am Arbeitstag nicht im selben Verhältnis wie die Produktivität, sondern lediglich um den Zeitanteil, der noch von der entlohnten Arbeitszeit abgezogen werden kann, wenn diese entsprechend vermindert wird. So führt beispielsweise eine Verdopplung der gesamtgesellschaftlichen Produktivität dazu, dass die notwendige Arbeitszeit halbiert wird; denn die notwendigen Lebensmittel (und mit ihnen die Arbeitskosten) verbilligen sich um die Hälfte, die andere Hälfte kann der Mehrwertproduktion zugeschlagen werden. Die nächste Verdoppelung der Produktivität führt zu einer weiteren Halbierung der notwendigen Arbeitszeit – d.h. es wird (vom Ausgangspunkt gesehen) nur noch ein weiteres Viertel eingespart, das dann dem Mehrwert zugeschlagen werden kann; die nächste Verdoppelung (also insgesamt eine Verachtfachung der Produktivität) bringt noch ein Achtel neuen Mehrwert ein etc. Wie man sieht, werden im Laufe der Zeit mit immer größerem Aufwand immer geringere Anteile an neuem relativem Mehrwert ermöglicht. Ganz offensichtlich erschöpfen sich also auf lange Sicht die Reserven des relativen Mehrwerts. Zugleich gehen mit jeder entlassenen lebendigen Arbeitskraft immer höhere Mehrwertanteile verloren, die diese zuvor geliefert hat. Damit ist die Tendenz der Verdrängung der lebendigen Arbeitskraft langfristig eindeutig höher als die ständig schwächer werdende Ausgleichsbewegung der relativen Mehrwerterhöhung.
Michael Heinrichs zweiter Einwand: Verbilligung des Sachkapitals
Aber nicht nur die Arbeitskräfte werden billiger, sondern auch das Sachkapital. Während der materielle Umfang von Maschinen, Ausgangsmaterialien, Rohstoffen etc. aufgrund der allgemeinen Produktivitätsentwicklung ständig wächst, wird diese Erweiterung aufgrund der allgemeinen Verbilligungstendenz zugleich weniger kostspielig, als wenn die Preise gleich blieben. Heinrich hält es für möglich, dass der Wert des Sachkapitals schneller fällt als sein rein stofflicher Umfang zunimmt. Auch in diesem Fall würde die Profitrate nicht fallen. Nun gibt es allerdings, ähnlich wie im Fall der Arbeitskosten, einen logischen Zusammenhang zwischen der Verbilligung des Sachkapitals und der Erhöhung seines stofflichen Umfangs. Und auch hier gibt es eine Grenze für die Profitraten-stützende Wirkung der Verbilligung des Sachkapitals. Beides übersieht Heinrich.
Letztlich kann auch die Verbilligung des Sachkapitals nur darauf beruhen, dass bei der Herstellung dieses Sachkapitals menschliche Arbeitskraft durch Maschinen verdrängt wird. Entscheidend ist also wieder einmal, welche Bewegungstendenz die stärkere ist. Mathematisch lässt sich nun nachweisen, dass die Verbilligung der Produktionsmittel die Verdrängung lebendiger Arbeitskraft, die zu eben jener Verbilligung führt, auf Dauer nicht vollständig zu kompensieren vermag. Das liegt daran, dass der Maschineneinsatz auf Dauer stärker ansteigt, als sich an Einsparungsmöglichkeiten durch die Entlassung von Arbeitskräften ergibt. Denn ähnlich wie bei der relativen Mehrwertproduktion wächst die Ersparnis nicht proportional zur Produktivität, sondern lediglich um den immer weiter schrumpfenden Anteil an lebendiger Arbeit, der in den Branchen, die Produktionsmittel produzieren, noch eingespart werden kann. Zugleich ist die Zunahme der absoluten Menge des benötigten Sachkapitals von dieser Entwicklung nicht betroffen. Sie geht konkurrenzgetrieben immer weiter.
Ein weiteres Problem: Abnahme der Wertmasse
Alles in allem sind beide von Michael Heinrich angeführten Gegentendenzen, sowohl die Verbilligung des Humankapitals als auch die Verbilligung des Sachkapitals, nicht in der Lage, dem Fall der Profitrate auf Dauer entgegenzuwirken. Das liegt daran, dass sich beide im Laufe der Entwicklung immer weiter abschwächen, während die absolute Entwicklung der Produktivität und die Verdrängung menschlicher Arbeitskraft unvermindert weitergeht.
Damit nicht genug, kommt zum Fall der Profitrate noch ein weiteres Problem hinzu. Im Kapitalismus kommt es nämlich außerdem noch automatisch zu einer stetigen Abnahme der Wertmasse. Die Wertmasse bezeichnet den Gesamtwert aller produzierten Waren. Dieser nimmt zwangsläufig ab, wenn die Waren aufgrund der ständigen Produktivitätserhöhungen immer billiger produziert werden können. Das Kapital kann sich aber nur erhalten, indem es sich ständig vermehrt. Und da diese Vermehrung nur durch die Herstellung und den Verkauf von Waren möglich ist, stellt der Rückgang ihrer Wertmasse für das Kapital eine ernsthafte Bedrohung dar. Dieser Rückgang bedeutet nämlich, dass das Kapital im Verlauf seiner Verwertungsbewegung nicht mehr verlustfrei durch die Produktion und den Verkauf von Waren hindurch geschleust werden kann. Es muss zwangsläufig schrumpfen, was nichts anderes bedeutet als eine Wirtschaftskrise samt Firmenpleiten, Arbeitslosigkeit, grassierender Armut etc.
Der einzige Weg, den Fall der Gesamtwertmasse aufzuhalten, besteht darin, die Menge der ausgestoßenen Waren permanent zu erhöhen, um dadurch den Wertverlust der Einzelwaren zu kompensieren. Das ist der einzig mögliche Ausgleichsmechanismus gegenüber der allgemeinen Tendenz zur Wertminderung. Diese Tatsache bleibt übrigens sowohl bei den meisten Anhängern der Marx’schen Theorie als auch bei der bürgerlichen Mainstream-Ökonomie notorisch unterbelichtet. Besonders brisant wird nun die ständige Drohung der sinkenden Wertmasse, wenn man sie im Zusammenhang mit dem tendenziellen Fall der Profitrate betrachtet. Wenn nämlich die Profite mit der Zeit immer weiter sinken, dann wird zwangsläufig ein Punkt erreicht, an dem sie nicht mehr ausreichen, die Warenproduktion in dem Umfang zu erhöhen, der nötig wäre, um den Fall der Wertmasse aufzuhalten. Von diesem Moment ist das Absinken des Gesamtwerts aller produzierten Waren nicht mehr aufzuhalten. Damit jedoch befindet sich der Kapitalismus nicht mehr in irgendeiner seiner traditionellen Krisen, sondern in einer fundamentalen Verwertungskrise.
Was dann noch bleibt, ist die Flucht in die windige Sphäre des Finanzkapitals, die eine Vermehrung des gesellschaftlichen Kapitals durch Vorgriff auf künftige Wertproduktion erlaubt. Diese Lösung aber erweist sich angesichts der seit 2008 nicht mehr enden wollenden Krise als Weg in die Sackgasse. Denn auch das Finanzkapital ist letztlich auf Profite aus der realen Produktion angewiesen, die angesichts der hier beschriebenen Entwicklung einfach nicht mehr möglich sind. Letztlich sind alle Hoffnungen auf eine Renaissance der selbsttragenden Akkumulation auf Sand gebaut. Und weil einfach kein echter Wert mehr entsteht, der allein die Basis für die Einbeziehung der Menschen als Arbeitskräfte sowie für eine „sozialere Politik” sein könnte, sind stattdessen immer unverschämter werdende Zumutungen für immer mehr Menschen die Folge. In Deutschland, wo man einstweilen noch relativ bequem auf den verbliebenen Fettaugen der globalen Resteverwertungssuppe mitschwimmt, können sich die Illusionen über diese Sachlage ein wenig länger halten als anderswo. Aber früher oder später zwingt die fundamentale Verwertungskrise des Kapitals alle Beteiligten dazu, eine Frage aufzuwerfen, die aus Sicht der kapitalistischen Binnenrationalität als verrückt erscheinen muss: Mag ja sein, dass unser Leben nicht mehr finanzierbar ist, aber warum sollte das denn ein Grund dafür sein, den Anspruch auf ein gutes Leben für alle zurücknehmen? Warum soll nicht machbar sein, was nicht finanzierbar ist? Wer solche Fragen für abwegig hält, ist immer noch in der Logik der Kapitalverwertung befangen. Die Kapitalverwertungslogik verheißt aber nichts anderes mehr als Massenarmut und Verelendung für immer mehr Menschen, obwohl zugleich stofflicher Reichtum in Hülle und Fülle vorhanden ist. Ziel muss daher sein, das Gedankengefängnis der „Finanzierbarkeit” zu sprengen und sich an die praktische Aneignung des stofflichen Reichtums zu machen. Das setzt allerdings das Verständnis dafür voraus, dass es keine Rückkehr zu den vergleichsweise seligen ökonomischen Zuständen der Jahre vor 2008 oder gar in die Zeit des Wirtschaftswunders geben kann.
Der Text ist eine Kurzfassung von:
Peter Samol: Michael Heinrichs Fehlkalkulationen der Profitrate (Krisis 1/ 2013)
Zur Widerlegung von Michael Heinrichs Kritik am „Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate“ und über die Bedeutung der schrumpfenden Wertmasse für den Krisenverlauf.
Michael Heinrichs Fehlkalkulationen der Profitrate (Krisis 1/2013)