Naturkatastrophen?

von Franz Schandl

Geht es nach den sich häufenden Überschwemmungen, werden die Jahrhunderte immer kürzer. Doch schnell kehrt die Normalität wieder. Wenn die Japaner sich von keinem Supergau schrecken lassen, warum wir hier von einem Hochwasser? Zum Schluss erschlägt die mediale Dramaturgie die reale Tragödie durch ihren Hype. Zuerst ist die Welt fast untergegangen, doch dann ist wieder fast nichts passiert. Betroffenheit, das sollten wir nicht vergessen, ist nicht schlicht eine menschliche Größe, sondern oft Folge der Inszenierung. Sie wird nicht selten exogen evoziert, nicht bloß unmittelbar gespürt.

Sie geschehen nicht nur. Zwar sind Umweltkatastrophen nicht frei von Natur (verstanden eben als Geschehen ohne menschliches Zutun), doch primär sind sie den sozialen und ökologischen Zusammenhängen geschuldet. Das Unglück, das da oft hereinbricht, ist ohne gesellschaftlichen Kontext in der sich ereignenden Form nicht denkbar. Ja, man muss heute schon so weit gehen, den Begriff „Naturkatastrophe“ überhaupt in Frage zu stellen. Der führt in die Irre, weil er uns „höheren Gewalten“ ausliefert, um unsere eigenen Taten besser verbergen zu können. Die Verwertung ist die trächtige Mutter aller modernen Katastrophen. Mögen die Kinder nun Wachstum, Konkurrenz, Einkommen, Kauf, Arbeit, Mobilität, Müll oder anders heißen.

Katastrophen sind gemacht, ohne dass sie gemacht werden. Diese Unterscheidung ist nur auf den ersten Blick haarspalterisch, denn tatsächlich ist es so, dass es nicht in unserer Absicht liegt, darauf hinzuarbeiten, dass wir es aber doch mit aller Konsequenz tun. Und auch nicht einfach lassen können in einem System, wo nicht die Folgen interessieren, sondern alles auf Kosten und Lohn, Preis und Profit konzentriert ist. Die Ergebnisse, so sehr sie uns auch schädigen und ärgern, passieren aufgrund unserer Aktivitäten, aber nicht aufgrund unseren Wollens. Sie sind Folge unserer Entschlossenheit, die wiederum arm ist an Erkenntnis und Bewusstsein. Wille und Resultat wären also zu synchronisieren. Annähernd. Das sollte nicht nur möglich sein, das ist auch notwendig.