Japan druckt Geld
von Tomasz Konicz
Mit riesigen Konjunkturpaketen und mehr Schulden gegen Rezession und Deflation – Tokio heizt globalen Abwertungswettlauf und Inflation an
Japans Regierung stemmt sich gegen die Rezession. Dabei scheint ihr jedes Mittel recht. Seit dem dritten Quartal 2012 geht das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der drittgrößten globalen Ökonomie erneut zurück. Bereits 2011 hatte sich die Wirtschaftsleistung um 0,6 Prozent verringert. »Wir müssen dem Schrumpfen der Wirtschaft ein Ende bereiten«, erklärte Ministerpräsident Shinzo Abe Mitte Januar und kündigte einen regelrechten »Raketenstart« der japanischen Industrie zu Beginn seiner Amtszeit an. Es sei ungemein wichtig, »die andauernde Deflation (Preisverfall) und den starken Yen hinter uns zu lassen« so Abe, der die Regierungsgeschäfte bereits 2006 für ein Jahr geführt hatte.
Zentrales Element der aktuellen Maßnahmen ist ein Konjunkturpaket. Das erreicht selbst für japanische Verhältnisse, wo seit den 90er Jahren immer wieder derartige Programme zur Stimulierung der stagnierenden Wirtschaft aufgelegt worden waren, enorme Dimensionen. Umgerechnet rund 173 Milliarden Euro will Abe mobilisieren. Dadurch sollen das BIP Japans um zwei Prozent wachsen und rund 600000 neue Arbeitsplätze durch Infrastrukturprojekte entstehen. Diese dienen vor allem dem beschleunigten Wiederaufbau in der Katastrophenregion im Nordosten des Landes. Rund die Hälfte der dafür vorgesehenen Gelder werden von der Zentralregierung in derartige Projekte investiert.
Das Geld muß allerdings erst herbeigezaubert, neue Kredite müssen aufgenommen und die Banknotenpressen angeworfen werden. Dadurch wird die Staatsverschuldung Japans, die bereits jetzt mit etwa 235 Prozent des BIP einen einsamen Rekord innerhalb der Industriestaaten hält, weiter anschwellen. Ein Vergleich beispielsweise mit den südeuropäischen Krisenstaaten wäre allerdings irreführend. Tokio steht vornehmlich auf dem japanischen Binnenfinanzmarkt in der Kreide, der aufgrund der anhaltenden Deflation ein sehr niedriges Zinsniveau aufweist. Solange man nicht auf ausländische Währungen zurückgreifen muß, um liquide zu bleiben, können Konjunkturimpulse gesetzt werden. Japans geldpolitische Souveränität macht es möglich.
Das zweite Element der aktuellen Wirtschaftspolitik Abes besteht folglich aus einer exzessiven Ausweitung der Geldmenge, mit der die besagten Konjunkturmaßnahmen flankiert werden. Die Notenbank kündigte jüngst an, ab 2014 zum zeitlich unbefristeten Aufkauf von Staatsanleihen überzugehen. Schatzbriefe im Volumen von umgerechnet 109 Milliarden Euro sollen im Rahmen dieses Programms aufgekauft werden – pro Monat. Es wird somit de facto Geld gedruckt, das als zusätzliche Liquidität zur Verfügung steht. Der Ministerpräsident sprach von einem »Paradigmenwechsel« japanischer Geldpolitik, mit dem endlich die hartnäckige Deflation überwunden werden soll. Die Notenbank kündigte in diesem Zusammenhang an, ihr Inflationsziel auf zwei Prozent zu verdoppeln. Bislang waren die Aufkaufaktionen der Bank of Japan in ihrem Umfang begrenzt.
Die Entscheidung Tokios, die Schleusen der Geldpolitik bis zum Anschlag zu öffnen, stieß insbesondere in Berlin auf wenig Verständnis. Die neue Politik mache ihm »sehr viel Sorge«, erklärte etwa Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Auch Bundesbankchef Jens Weidmann äußerte Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit der japanischen Notenbank. Die Befürchtungen sind insofern verständlich, weil Abe dabei ist, das deutsche Geschäftsmodell zu kopieren und mittels einer massiven Abwertung Konkurrenzvorteile auf dem Weltmarkt zu erlangen. Je stärker eine Währung an Wert verliert, desto größer sind die Vorteile der jeweiligen Exportwirtschaft. Sie kann ihre Waren billiger verkaufen als die Konkurrenz. Die deutsche Exportindustrie hatte von diesem Effekt in hohem Ausmaß profitiert. Europas Schuldenkrise hatte den Euro an den Rand des Abgrundes geführt, er verlor zeitweise massiv gegenüber anderen Währungsräumen an Wert. Deutschlands Exporte konnten so in den vergangenen Jahren gerade außerhalb der Euro-Zone massiv zulegen.
In der ersten Jahreshälfte 2008 kostete ein Euro rund 165 Yen. Anfang 2012 waren es nach massiver Abwertung weniger als 100 Yen. Die Folge: Japan mußte in den vergangenen beiden Jahren erstmals seit 1980 Handelsdefizite verzeichnen, die zudem durch notwendige Energieimporte nach der Natur- und Reaktorkatastrophe von Fukushima verschärft worden waren. Die Exportnation fuhr somit 2012 das größte Handelsdefizit ihrer Geschichte ein. Die Importe übertrafen die Ausfuhren um 6,93 Billionen Yen (rund 58 Milliarden Euro), wie das Finanzministerium am Donnerstag in Tokio mitteilte.
Erst in den vergangenen Monaten gelang es, den Yen etwas zu schwächen, der nun bei knapp 120 Yen zum Euro pendelt. Die angekündigte Gelddruckerei soll somit vor allem diese Abwertung beschleunigen. Innerhalb des besagten Konjunkturpakets wurden umgerechnet 30 Milliarden Euro allein dafür reserviert, die ungünstigen Wechselkurse für Exportunternehmen auszugleichen.
Das Problem: Japan tut es nicht allein. Das Prinzip, durch Währungsabwertungen die eigene Exportwirtschaft auf Kosten anderer zu stützen, ist wichtiger Faktor der expansiven Geldpolitik der meisten großen Notenbanken. Nicht von ungefähr warnte das Wall Street Journal jüngst vor einem »globalen Abwertungswettlauf«, bei dem »Unmengen an Liquidität« die Märkte fluten würden. Ein inflationärer Schub wäre dann kaum noch zu verhindern.