Warum grinst der so?

von Franz Schandl

Niko Pelinka ist zweifelsfrei ein junger Mann mit Ambitionen. Das hat er auch unter Beweis gestellt, als er in trickreicher Manier gemeinsam mit FPÖ, BZÖ und Grünen die Schwarzen in den ORF-Gremien ausmanövrierte und die Wiederwahl des sozialdemokratischen Generaldirektors Alexander Wrabetz ermöglichte. Bis vor kurzem war der 25 jährige Pelinka Chef des „roten Freundeskreises“ im ORF-Stiftungsrat und wurde dort, was Taktik betrifft, von seinen Gegnern wohl fahrlässig unterschätzt. Nun sollte er quasi fliegend wechseln und Wrabetz‘ Chefsekretär werden.

Was könnte wichtiger sein als die Besetzung des Büroleiters des ORF-Chefs? Wäre da nicht die chronische Finanzkrise, hätte das Gezeter über Wochen das Thema Eins in der österreichischen Innenpolitik abgegeben. Da tobte tatsächlich eine Staatskomödie mit offenem Ausgang, eine Reality-Show, wie sie hierzulande öfters inszeniert wird.

Der junge Pelinka ist nichts weniger als Ausdruck einer Generation, die davon ausgeht, dass eigentlich eh nichts mehr geht, inhaltliche Ziele einen mehr behindern als befördern und so nun das Richtige macht, in dem sie nichts macht, außer aus sich was macht. „Diese Buben und Mädel bekommen genau das Schicksal, das sie sich wünschen. So wird das jetzt gemacht. So werden die gemacht. Das sind gemachte Leute, bevor es sie überhaupt gibt,“ schrieb Elfriede Jelinek in ihrer Neujahrsbotschaft. Warum soll man keine Karriere machen, wenn man schon sonst nichts kann?

Auftrumpfen ist besser als aufmucken. Das Burliwesen (kreiert vom seligen Haider) ist endgültig in der Sozialdemokratie angekommen, die Karriere führt nicht mehr von links unten nach rechts oben, sondern beginnt gleich dort. Die Anstrengungen des Dagegenseins erspart man sich. Sollte Niko tatsächlich gar nichts können, kennen tut er alle. Und was er kann, ist mit allen. Seine Leistung besteht gerade in Campaigning und Maintaining, Networking und Disturbing. Da ist er Master der Intervention oder Bachelor der Intrige oder sowas.

Niko Pelinka ist ein ganz postmoderner Verschnitt, der den medialen Herausforderungen entspricht. Fast zu sehr. Sein Profil besteht darin, kein Profil mehr zu haben. Zur Politik hat er ein illusionsloses Verhältnis. Das unterscheidet ihn von vielen anderen in dieser Branche zwar nicht, was viele ihm aber übel nehmen, ist, dass er sich keiner Zurichtung unterzogen hat, sondern gleich wohldressiert daherkommt. Der hat sich nie angepasst, der ist nie anders gewesen. Die Abgebrühtheit würde man ihm schon zugestehen, aber hier kommt das Resultat bereits als Voraussetzung daher. Das ist fast unmenschlich. Die Jugend darf das nicht, die hat Widerstand zu simulieren.

Das Land als Bühne

Worum geht’s eigentlich? Nun, es handelte sich um ein schlichtes, aber nicht schlechtes Pfründespiel innerhalb bestimmter, sich überschneidender, meist bekriegender und gelegentlich verbündeter Seilschaften aus dem politischen und medialen Sektoren. Es war ein derber Wettbewerb, wo ganz profan lukrative Posten und Ämter verteilt hätten werden sollen. Hauen und Stechen sind da unumgänglich. Wer irgendwo hehre Motive vermutet, hat schon daneben gegriffen, auch wenn sie pausenlos vorgetragen werden. Mit dem Kampf gegen den Nikolaus wollte man auch den sozialdemokratischen Pelinkas und all ihren Verbündeten eins auswischen. Das kann freuen oder auch nicht oder weder noch.

Cliquen rücken aus und vertreten die ihren (die heute andere sein können als gestern oder morgen) in den Meinungsschlachten. Die Journaille ist so läufig, das es unmöglich ist, auf dem Laufenden zu sein. Die Kommentare gleichen immer mehr elaborierten Postings, Kujonierung ist das obligate Ziel. So richtig auskennen könnte man sich nur, wenn man wüsste, wer mit wem und weswegen verhabert oder verfeindet ist. Aber damit möchte ich kein Publikum belästigen. Nicht nur, weil ich zu wenig weiß, mir reicht schon, was ich weiß. Wie ein riesiger Intrigantenstadel wurde das Stück als „Niko und die Pelinkas“ aufgezogen. Auf der Bühne erscheinen: Burli Pelinka, Papa Pelinka, Onkel Pelinka, die Nobelpreisträgerin, der Salzburger Jedermann-Darsteller, Meinungs- und Jungendforscher, Kinderfreunde und Altrecken, die Chefredakteure sämtlicher Blätter, die ORF-Belegschaft und viele mehr, die da im jeweiligen Chor singen: Arrangierte, Ausrangierte, Derangierte.

Peter Pelinka, der Vater, gilt als einer der führenden Journalisten Österreichs. Er war der letzte Chefredakteur der sozialdemokratischen „Arbeiter Zeitung“, die aus ökonomischen Gründen 1991 ihr Erscheinen einstellen musste. Inzwischen leitet er das Wochenmagazin News, schreibt Kolumnen in Revolverzeitungen und moderiert eine Talkshow im ORF. Dort will er sich vom Sohn aber nix dreinreden lassen. Wenn der interveniert, haut er ihm eine Watschen runter, ließ Pelinka senior im Stadtmagazin Falter wissen. Das empörte die sozialdemokratischen Kinderfreunde, die ganz bierernst meinten, man dürfe Kinder nicht schlagen. Der Onkel, der bekannte Politikwissenschafter Anton Pelinka, sollte in der „Zeit“ die Geschichte kommentieren. Die ORF-Führung habe das dilettantisch angegangen, dozierte der Professor, gegen den Neffen selbst sei nichts zu sagen.

Sogar Meinungsumfragen (siehe: Standard vom 14. Jänner) wurden in Auftrag gegeben, wo das Publikum ernsthaft vor die Entscheidung gestellt wurde, ob Pelinka entweder die Unabhängigkeit des ORF bedrohe oder ein fähiger junger Mann sei. Ich armer Tor wäre völlig unfähig gewesen, hier eine adäquate Antwort zu geben. Aber vielleicht könnte man sich darauf einigen, dass da ein fähiger junger Mann die Unabhängigkeit des ORF bedroht. Die Befragten werden für genau so dumm gehalten wie die Fragestellungen sind. Zurecht. Leider.

Als die Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek auf den Plan trat, um mit Niko das Ende der Sozialdemokratie zu markieren, wusste man endgültig: Klein Pelinka ist ein bedeutender Mann. Der Bub hat Excalibur, der zerschlägt SPÖ und ORF mit einem Hieb. Der bringt’s noch bis zum Königdrama. Jelinek schreibt: „Er grinst, haben Sie das gesehen? Wieso grinst der so? Lacht der uns aus? Natürlich.“ – Was sollte er sonst tun in „diesem rotblonden grinsenden Kinderkönig-Dasein“? Außer lachen hat er nichts gelernt und wenn die anderen so lächerlich sind, wird ihm das Lachen auch kaum vergehen. Er hat also allen Grund dazu. „Bin ich wirklich so wichtig?“, fragt er laut Falter. Und ob. Die Koketterie liegt in der falschen Wortstellung. Wichtig ist, wer sich wichtig macht und wichtig genommen wird. Beides trifft auf Pelinka zu. Na also: „Ich bin wirklich so wichtig!“

Jelinek erzürnte sodann Walter Pohl derart, dass er der „völkischen Beobachterin“ sogleich ein „stürmerisches Pamphlet“ (News 01/12) unterstellte, und aus dem Satz „Irgendwo müssen diese Leute ja auch entsorgt werden“ folgerte, dass sie den Buben ins KZ wünsche. Ja, so wird’s sein. Ein mittelalter sozialdemokratischen Jugendforscher, vereinigte die Jelinek mit einigen Altrecken des ORFs und bezichtigte sie des gerontokratischen Übergriffs. Dies ließ einer der Angesprochenen nicht auf sich sitzen und konterte seinerseits und so weiter und so fort.

Die hofierten österreichischen Spassmacher wiederum, die bei keiner Hetz fehlen dürfen, führten Niko gar in ihren Programmen vor. Das mag lustig sein, aber ernsthaft betrachtet werfen sie sich für seinesgleichen ins Zeug, ohne es zu schnallen. In ihrer kabarettistischen Parallelwelt, nehmen sie die anderen bloß als Witz wahr, ohne zu merken, dass sie selber ein Witz sind. Im Kabarett wird die Ohnmacht der Welt noch einmal dupliziert, in Wahrheit sind diese Lachnummern Trauerspiele. Außerdem ist die Realpolitik besser als jedes Kabarett. Dieses ist bloß eine schlechte Kopie, und wie jede Kopie Affirmation. Wenn etwa der Salzburger Jedermann-Darsteller Nicholas Ofczarek Pelinka nachäfft, dann sagt Niko, dass er kein Problem habe mit dieser TV-Persiflage. Der ist fast gut wie ich, wird er sich denken.

Die Mehrzahl der ORF-Redakteure unterzeichnete schließlich eine Resolution, wo sie zum Kampf gegen den Nikolaus antritt, so als sei dieser der Krampus des öffentlich-rechtlichen Fernsehens: Nein, der darf nicht Sekretär vom Chef werden. Nein, der gefährdet uns. Nein, der wird aber protegiert. Nein, der ist nicht unabhängig. Nein, da wir gepackelt. – Der peinlichen Ansagen sind gar viele, sogar eine youtube-Werbeeinschaltung gibt es, die ungefähr so geht: „Wer fürchtet sich vorm Nikolaus?“ „Niemand!“ „Und wenn er aber kommt?“ „Dann jagen wir ihn davon.“ Nun denn, so ist es auch ausgegangen, und wäre es nicht so ausgegangen, wäre es auch nicht anders. Aufregung und Anlass wiesen jedenfalls eine große Diskrepanz auf in diesem Staatstheater, wo Mücken stets als Elefanten verkleidet auftreten. Nicht zufällig empörten die anderen (proporzmäßigen) Stellenbesetzungsvorhaben im ORF kaum. Aber um den Niko wegzukriegen, war diese Lautstärke unumgänglich.

Zu guter Letzt hat der Designierte resigniert. Niederlagen sehen trotzdem anders aus. „Dieser Schritt erfolgt nicht, weil ich die falsche Person auf dem Posten bin“, sagt Pelinka. Egal, die Wochen der Promotion zündeten einen Karriereturbo sondergleichen. Denn angestellt hat er ja nichts, und kennen tut ihn jetzt wirklich jeder, den „SP-Jung-Star“, so der verordnete Staatskonsens. Die nächsten Vorhaben lassen schon ungeduldig auf sich warten. Auf solche Leute kann nicht verzichtet werden. Aus dem Bub, dreht er nicht durch, wird noch was. Vom Staatssekretär aufwärts ist alles möglich. Und niemand sage, er habe nicht das Format. Das hat er im Mittelfinger.

Unabhängig?

Interessanter als das stete Einklagen der Unabhängigkeit, wäre es doch die Verflechtungen anzuschauen, die solche Konflikte ausdrücken und ihnen in der medialen Wahrnehmung einen enormen Stellenwert zuweisen. Die angebetete Unabhängigkeit selbst eine Monstranz, die so andächtig vor sich her getragen wird, dass gar niemand mehr sich zu trauen fragt, was sie denn ist. Tatsächlich ist sie ein erkenntnisloses Bekenntnis, ein ideologischer Sticker, der überall haftet, aber nicht viel besagt. Die Frage, wie Journalisten dimensioniert werden, stellen sich Journalismus und Journalistik fast nie. Die Zunft sieht Geister und verteidigt etwas, was es nicht gibt, weil sie die internalisierten Bedingungen der Medienmache gar nicht zum Gegenstand der Reflexion machen kann. Unabhängigkeit ist eine spezifische Befangenheit, die sich als solche partout nicht begreifen kann.

„Es gehört zur österreichischen Lebenswirklichkeit, dass sich die Institutionen der Republik fest im Griff der Parteisekretariate befinden. Meist scheuen sie das Licht, agieren im Dunkel ihrer Allmacht. Dort bestimmen sie, welche Leistungen erbracht werden müssen, entscheiden über Posten und Karrieren.“ So ungefähr gehen die renommierten Vorurteile, hier vorgetragen von Joachim Riedl. (Die Zeit-online, 6. Januar 2012). „Lichtscheu ist das Dunkel der Allmacht“, raunt das stereotype Konzentrat eines begriffslosen Liberalismus.

Nüchtern betrachtet ist es allerdings umgekehrt, was meint, dass gerade der Parteieneinfluss, das Spiel verschiedener Interessen erst die Freiräume zulässt, die kein Privatsender in diesem Ausmaß kennt. Der ORF ist abhängig, aber er ist multipel abhängig, da marschieren so viele Könige, Fürsten und Ritter auf, dass die Pluralität der Interventionen nichtintendierte Effekte zeitigt. Die Parteien und deren vordergründige wie hinterhältige Interessen haben (wenn auch nicht absichtlich) die Kommandostrukturen und die Durchgriffsrechte im ORF minimiert und nicht maximiert. Wrabetz ist ein Verwalter, kein Chef. Gerade weil dort verschiedene Wünsche und Forderungen herangetragen werden und aufeinander prallen, gedeihen welche, die unmittelbar nicht auf Linie von Geschäftsführung oder Programmleitung liegen. Überhaupt ist es schwer für diese wie jene eine Linie vorzugeben, und das ist auch besser als andersrum.

So paradox es klingt, der Parteienproporz, der Filz, ja die Korruption sind Korrektive, die relative Autonomie ermöglichen. Es ist also die Frage zu stellen, ob die allseits geforderte „Entpolitisierung“ des ORF tatsächlich das Resultat liefern würde, das man propagiert oder nicht das schiere Gegenteil der Fall wäre. So ist der ORF zwar nicht frei, aber zumindest freier. Außerdem, das sei noch abschließend zu Riedl gesagt, ist die Allmacht der Parteisekretariate Schnee von vorgestern. Faymann, Rudas, Ostermayer, Pelinka sind doch weniger die dunkle Seite der Macht als die Comedy Capers der Ohnmacht. Selbst das Abgedunkelte fließt sofort in die Druckerschwärze oder das Sendekabel. Hier will bloß ein unbeobachteter Beobachter die Gewichtung noch deutlicher von der Politik zum Journalismus hin verschieben. Man vertritt halt seine Interessen und tritt auf die Politik hin, die ohnehin schon fast hin ist.