Rezens
von Lorenz Glatz
Der Sammelband zum Kongress „Jenseits des Wachstums?!“ (Attac 2011, Berlin) gibt einen Überblick, wie die Debatte zum „Ende des Wachstums“ aktuell verläuft. Ein Befund dazu, im Buch selbst nicht ausgesprochen, könnte sein: Degrowth ist das Ende des Kapitalismus, sein Herzstück, die unendliche Verwertung, bricht an der Endlichkeit des Planeten – aber Degrowth muss keineswegs das Ende von Herrschaft sein. Die ist älter als ihre jüngste Verkörperung und sucht schon nach einem Weiterleben nach dem Tode.
In jungen Diskursen liegen oft unvereinbare Positionen nahe beisammen. Exner/Lauk analysieren gleich zu Beginn das Scheitern des unendlichen Wachstums bei fortdauernder Herrschaft illusionslos als Weg in die Verelendung der großen Mehrheit in einer „ökologischen Kriegswirtschaft“. Ihre Perspektive der Befreiung: Demonetarisierung, Selbstorganisation der Leute und Überwindung des Staats. Dahin sucht auch Friederike Habermanns „Ecommony“ einen Weg: Grundsätze der „commons-based peer production“ freier Software, angewandt auf materielle Produktion. Auch Serge Latouches Erläuterung der „Décroissance“ als Aussicht auf Befreiung von Konsumismus, Mangel und Naturzerstörung ist lesenswert.
Bei einem Großteil der übrigen Aufsätze jedoch wird der Bock zum Gärtner gemacht: Ausgerechnet der Staat soll das Vehikel der Befreiung von der Herrschaft sein. Vielleicht greifen Parteien, Interessenverbände und Bürokratien noch darauf zurück. Insofern auch nicht uninteressant.
L.G.