Spieler

von Severin Heilmann

Zugegeben, das Nachdenken über Fiktion hat mich verwirrt. Je länger ich darüber sinne, umso verwaschener der Kontrast zur Realität. Worin liegt der Unterschied? Wenn Realität das ist, woran geglaubt wird, dann kann Fiktion nur das sein, woran (noch) nicht geglaubt wird. Die Realität ist also potentiell fiktiv, die geglaubte Fiktion real. Erst Täuschung und Enttäuschung lassen das eine als das andere erscheinen.

Was weiter wäre darüber zu sagen? Nun, meine persönliche metaphysische Grundannahme ist, dass Leben spielerischer Natur sei: Die prinzipielle Unmöglichkeit, Fiktion und Realität auseinanderhalten zu können, bietet nämlich auch die Möglichkeit, die beiden nicht auseinanderhalten zu müssen. Es ist der Anspruch an den Spieler, auch sein Privileg, sich mit angemessener Ernsthaftigkeit seinem Spiel zu widmen, darüber aber in keinem Augenblick den an sich unernsten Charakter des Spiels zu vergessen. Der Reiz des Spiels liegt eben darin, sich der Fiktion seiner gewählten Rolle hinzugeben und sie ebenso jederzeit ablegen zu können. Ohne Identifikation mit der Rolle bleibt das Spiel blutleer und leidenschaftslos. Doch völlig ohne Bewusstsein über die angenommene Gegebenheit des Spielcharakters wird es bitter ernst. Beides verunmöglicht jene spielerische Leichtigkeit, die das Wesen alles Lebendigen ist.

So ist das Spiel die Realisierung der Fiktion und genauso die Fiktionalisierung der Realität. In dieser Paradoxie dürfte meine anfängliche Verwirrung ihren Ursprung und nun gleichzeitig auch ein Ende haben.

„All the world’s a stage / And all the men and women merely players“ (Shakespeare’s As You Like It)