In Echt ist keine Frau dick
von Dominika Meindl
In Wahrheit sei es doch so, sagt Franz, dass nichts real sei. Da könne man in der Fiktion doch ruhig ein bisschen schwindeln. „Wirklich?“, frage ich. Ja schon, denn im Virtuellen sei das Echte fiktional, sagt Franz. Der Weise wisse, dass ein authentisches Leben in Realität eine Vielzahl an Narrationen sei. „Herrjeh, du bist mir irgendwie keine Hilfe“, seufze ich und trinke aus.
Wir schweigen lang genug, um das Thema wechseln zu können. „Ich muss weniger Bier trinken, ich gerate aus den Fugen“, sage ich, meinen Bauch in Händen. Da sei ich wahrhaftig der nächsten verschleiernden Erzählung auf den Leim gegangen, ich litte in Echt unter Dysmorphophobie. „Soso, aha“, brumme ich. Das sei die wahnhafte Überzeugung, körperlich defekt und ästhetisch deviant zu sein, sagt Franz. Realistisch betrachtet oktroyiere die kapitalistische Verwertungslogik den Damen, sie seien zu feist – und zwar alle. „Ich bin erleichtert, dass ich objektiv betrachtet tipptopp aussehe“, antworte ich und mache mir den Knopf der letzten Hose auf, die mir noch passt.
In der Zwischenzeit haben zwei neue Biere unseren Tisch und unsere Schlünde erreicht. Von außen gesehen sei es ein Akt des Widerstandes gegen das Schweinesystem, sich zu berauschen, sagt Franz nach einer Pause. „Das habe ich irgendwo schon einmal gehört“, meine ich. Nein, in Wahrheit seien wir ja schon so gleichgeschaltet, dass wir untertags willenlose Rädchen in der großen Maschine seien und abends unsere Rest-Resistenz durch televisionäre Konsumation kulturimperialistischer fiktionaler Machwerke im Keim erstickt würde. „Ja eh“, ächze ich, denn Franz kommt beim dritten Bier stets auf diese Ansicht.
Was ich denn jetzt wirklich für die Streifzüge schreiben wolle, sagt Franz schließlich. „Keine Ahnung, ich denk’ mir irgendwas aus“, sage ich und Franz sagt: „Echt?“