AUSlauf: Was kommt danach?
Streifzüge 49/2010
von Tomasz Konicz
Jetzt – da der Kapitalismus am Ende ist – müsste mensch Politiker sein. Derzeit muss sich unsere politische Klasse nämlich zwischen zwei alternativen Wegen in den Systemkollaps entscheiden. Sollen jetzt drakonische Sparmaßnahmen ergriffen werden, die auf eine Sanierung des Staatshaushalts abzielen – und sofort einen verheerenden wirtschaftlichen Einbruch auslösen? Oder darf es eine Fortführung der staatlichen Defizitkonjunktur sein, bei der schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme die schwindsüchtige kapitalistische Warenproduktion bis zum Staatsbankrott am Laufen halten werden? Am Ende könnte durch expansive Geldpolitik eine ordentliche Hyperinflation in Gang gesetzt werden, mit der die Schuldenberge, unter denen alle Industriestaaten verstärkt ächzen, inflationiert würden – und die zugleich praktischerweise den Glauben an den Fetisch Geld massenhaft ins Wanken brächte.
Was wäre dies für ein perfekter Job für einen überzeugten Antikapitalisten, bei dem durch die Exekution der bloßen Krisendynamik den marktgläubigen Konkurrenzsubjekten der Glaube an Markt, Kapital und Konkurrenz ausgetrieben werden könnte! Leider bevölkern unsere Kabinettstische und Staatskanzleien aber keine Antikapitalisten, sondern gerade jene Konkurrenzsubjekte, die durch ein Übermaß an Rücksichtslosigkeit und Verschlagenheit im allgemeinen Hauen und Stechen es bis dorthin geschafft haben. Für diese politische Kaste – geschult, ihre politische Praxis an einer Optimierung der Kapitalakkumulation auszurichten – bricht jetzt tatsächlich die Welt auseinander. Diese Leute wissen – noch! – nicht, wie es weitergehen soll.
Diese Orientierungslosigkeit äußert sich in dem fast schon hilflos anmutenden Streit über die Krisenstrategie, wie er z.B. auch auf dem G20-Gipfel zwischen den USA und der BRD entflammte: Washington müsse künftig mehr sparen, erklärte US-Finanzminister Timothy Geithner zu Beginn des Treffens, weswegen Länder mit hohen Überschüssen (wie die BRD) mehr für ihre Binnennachfrage tun müssten. Wer soll, wer kann sich noch weiter verschulden, um die kapitalistische Mehrwertmaschine noch ein paar Monate länger durch staatliche oder private Schulden am Laufen zu halten – so lautet die Streitfrage. Auf diese erbärmliche Perspektive schrumpft inzwischen der Horizont der politischen „Elite“. Der Kapitalismus kann nur noch auf Pump funktionieren.
Die Orientierungslosigkeit des politischen Personals des Kapitalismus wird aber nicht ewig anhalten. Sollte sich mittelfristig keine breite, antikapitalistische und vor allem emanzipatorische Bewegung formieren, die eine zivilisatorische Perspektive jenseits von Kapitalakkumulation und Privateigentum an Produktionsmitteln aufzeigt, dann werden die Funktionäre des Kapitals Mittel und Wege finden, Herrschaft in eine neue Gesellschaftsformation zu überführen. Zu denken sollten beispielsweise all die politischen Initiativen geben, die einer Ausweitung und Forcierung von Zwangsarbeit das Wort reden. Die durch den Markt vermittelte Ausbeutung des „doppelt freien“ Lohnabhängigen könnte bei Voranschreiten der Krisendynamik schließlich durch direkten Zwang – ersetzt werden. Der Kommunismus wird sich nicht durch den ohnmächtigen, krisenbedingten „Gang der Dinge“ durchsetzen – hiedurch kann nur eine Neuanpssung von Unterdrückungs- und Ausbeutungsstrukturen über den Kapitalismus hinaus erfolgen. Die Befreiung ist nur durch emanzipatorische Organisierung, durch eine kollektive bewusste Tat möglich. Was nach dem Kapitalismus kommt, hängt also ganz von uns ab.