Reichsmutter

Wieder einmal sorgt eine FPÖ-Kandidatur für erhebliche Unruhe

von Franz Schandl

Anders als in Deutschland wird in Österreich der Bundespräsident direkt und für sechs Jahre gewählt. Der, der es ist, der Sozialdemokrat Heinz Fischer, wird es auch wieder werden. Fragt sich nur, wie hoch sein Sieg am 25. April ausfallen wird. Für Aufregung hingegen sorgt die einzig ernst zunehmende Gegenkandidatin, die niederösterreichische Landesrätin Barbara Rosenkranz von der FPÖ.

Die 35 Prozent, die die Freiheitlichen anpeilen, sind allerdings reines Wunschkonzert. Die passionierte Dirndlträgerin und zehnfache Mutter ist kein Angebot für die Mehrheit der von der FPÖ zusammengestohlenen Wählerschaft. Anders als Haider oder Strache wirkt die 51-Jährige tatsächlich ewiggestrig. Vor allem die jüngeren Wähler von Heinz-Christian Strache sind nicht für Mutterkreuz und BDM zu haben. Das ist, bei aller Indifferenz, nicht ihre Welt und wird es auch nicht werden. In die Disco passt die Rosenkranz jedenfalls nicht. Nicht junge Faschisten sind dort am Werk, sondern Youngsters, die die rebellische Attitüde Straches und dessen Starkult durch Stimmabgabe und Stimmung unterstützen. Aber Rosenkranz?

Auch katholische Wähler dürfte sie kaum ansprechen. Zwar wollte Strache „die heilige Barbara“ gegen den konfessionslosen Fischer in die Wahl schicken, doch bald stellte sich heraus, dass Rosenkranz, anders als der Name nahe legt, aus der Kirche ausgetreten ist. Sie gehört also weniger zu den vom FPÖ-Obmann beschworenen christlichen Kreuzrittern als zum alten Schlag deutschnationaler Antiklerikaler. Gab es in der christlichkonservativen ÖVP anfangs noch vereinzelt Stimmen, die die freiheitliche Kandidatin für wählbar hielten, so sind diese jetzt ganz verstummt. Rosenkranz sei untragbar, so der Tenor.

Nicht 35 Prozent werden es werden, sondern eher die Hälfte. Das wäre aber ein Misserfolg. Doch der zeichnet sich ab. Mit Rosenkranz ist die FPÖ erstmals seit Jahren wieder in die Defensive geraten. Das hat sich auch bei den letzten Kommunalwahlen in einigen Bundesländern gezeigt. Das modisch gestylte Erscheinungsbild der FPÖ-Führung wird durch diese Kandidatin konterkariert. Barbara Rosenkranz war auch nicht unbedingt Straches Favoritin, sondern wurde von maßgeblichen Funktionären aus den Bundesländern und ganz rechten Kreisen in der Partei durchgesetzt.

Aussagen wie „Der Feminismus ist ein Irrweg, Mein Vorbild ist Maria Theresia“, der Slogan „Wir sind Heimat“ oder die Forderung nach „demokratiepolitischer Hygiene“ lassen auf die rechte Gesinnung schließen. „Sie ist eine standhafte, treudeutsche Frau“, heißt es in Neonazi-Foren im Internet. Auch die Vornamen der zehn Kinder sind Programm. Sie heißen Hedda und Horst, Mechthild und Sonnhild, Arne und Hildrun, Ute und Volker, Alwine und Wolf. Ihr Mann Horst Rosenkranz ist in der Neonazi-Szene kein unbeschriebenes Blatt. Er war Mitglied der 1983 wegen NS-Wiederbetätigung verbotenen NDP. 1990 trat er zur Nationalratswahl als Kandidat der Liste „Nein zur Ausländerflut“ in Erscheinung. Hier gibt es wenig zu deuten.

Ist Barbara Rosenkranz eine zu spät gekommene Nationalsozialistin? Nein zu sagen, wäre nicht richtig. Bei dem Ambiente. Selbst in ihrer Partei wird sie „Reichsmutter“ genannt. Wie soll man eine Kandidatin auch charakterisieren, die das NS-Verbotsgesetz explizit und den Massenmord an den Juden in Gaskammern implizit in Frage stellt. „Ich habe das Wissen eines Österreichers, der zwischen 1964 und 1976 in österreichischen Schulen war“, sagte sie wohl wissend, dass diese Bemerkung nur als nazistische Chiffre zu interpretieren ist. Mit dieser Ansage war die Kandidatin jedoch schlagartig berühmt geworden, auch über Österreichs Grenzen hinaus.

Das war selbst dem fast neunzigjährigen Zeitungsherausgeber Hans Dichand, der seine Unterstützung für Rosenkranz kundgetan hatte und auf den Leserbriefseiten seiner Kronen Zeitung für die „mutige Mutter“ schreiben ließ, zu viel. Sie müsse sich eidesstattlich von allen nationalsozialistischen Gedanken distanzieren, ließ er ihr ausrichten. Auf diesen Zuruf reagierte die niederösterreichische Landesrätin prompt: Wenn Freund Dichand meint, dass es Gaskammern gegeben hat, dann darf ich auch nicht „Nein“ sagen, wird sie sich mehr übel als wohl gedacht haben. Am 8. März wurde eine entsprechende Erklärung abgegeben. Betreffend Verbotsgesetz wies Rosenkranz nun „jede Interpretation, dass ich dieses Gesetz abschaffen wolle, mit aller Entschiedenheit zurück“. Nicht nur KZ-Überlebende fühlen sich verhöhnt. Den unerträglichen Aussagen folgte eine peinliche Heuchelei. Der notarielle Akt kann nur als blamable Mischung aus Unaufrichtigkeit und Lächerlichkeit bezeichnet werden.

Freilich wusste Rosenkranz auch vorher, was man sagen darf und was nicht, daher muss angenommen werden, dass die ursprünglichen Provokationen absichtlich platziert worden sind. Wahrscheinlich sogar mit Straches Wissen. Es dürfte jedenfalls keine Panne gewesen sein, wenngleich die Dimension unterschätzt worden ist. Die freiheitliche Wahllokomotive wurde durch die öffentliche Erregung diesmal nicht beschleunigt, sondern gebremst. Gewinner der FPÖ-Turbulenzen könnte Heinz Fischer sein. Der beste Grund ihn zu wählen, ist diese Gegenkandidatin. Viele, die unter anderen Umständen nicht zur Wahl gegangen wären, werden das tun, ganz einfach deswegen, um Rosenkranz eine Abfuhr zu erteilen. Wogegen sich nichts sagen lässt.