Extreme Umverteilung
von Thomas Konicz
Die vom US-Finanzministerium konzipierte öffentlich-private Investitionspartnerschaft dürfte sich zu einem passiven Subventionsprogramm für den Finanzsektor entwickeln
Kaum ein Unterfangen der neuen US-Administration hat solch heftige Kritik führender Wirtschaftswissenschaftler ausgelöst, wie der Bankenrettungsplan des amerikanischen Finanzministers Timothy Geithner. Nobelpreisträger Paul Krugman sprach von einem „Sieg der Zombie-Ideen“, da Geithner einfach die Konzepte seines republikanischen Amtsvorgängers Henry Paulson wiederbelebe. Die Ökonomen Joseph Stiglitz und Jefferey Sachs warnen vor einem enormen Transfer von Steuergeldern zu den „Banken“ und „Finanzmärkten“, den der „Geithner-Plan“ initiieren werde. Selbst einer der frühesten unterstützter Barak Obamas, der Finanzspekulant George Soros, monierte, dass dieses Vorhaben die Krise nicht löse sondern nur lägst insolvente „Zombiebanken“ am Leben erhalte.
Die umstrittenen Planungen des amerikanischen Finanzministers zielen darauf ab, die Kreditvergabe des Finanzsektors zu reanimieren, also den „brachliegenden“ Finanzmarkt wieder „in Schwung zu bringen“, wie es die Financial Times Deutschland (FTD) salopp formulierte. Um dies zu erreichen, sollen die Finanzinstitute die Möglichkeit erhalten, „faule“ Wertpapiere – die zumeist mehrere Hypotheken in undurchsichtigen „Finanzinstrumenten“ wie des Collateralized debt obligations (CDO) zusammenfassen – abstoßen zu können. Diese während des Höhepunkts der spekulativen Blasenbildung auf dem US-Immobilienmarkt gehandelten Papiere sind nun de facto unverkäuflich.
Um den Handel mit all dem Finanzmarktschrott, in dem inzwischen die Tragödien hunderttausendfacher Zwangsvollstreckungen „verbrieft“ sind, doch noch in „in Schwung“ zu bringen, plant Geithner die Durchführung einer gigantischen Aufkaufaktion im Rahmen eines Public-Private-Investment-Partnership (PPIP), einer Öffentlich-Privaten Investitionspartnerschaft. In dieser „Partnerschaft“ treten private Investoren auf der einen, und der Einlagensicherungsfond (Deposit Insurance Corporation – FDIC) wie die Zentralbank der Vereinigten Staaten auf der anderen Seite auf. Ausschlaggebend für diese Vorgehensweise war die fixe Wahnidee innerhalb des US-Finanzministerium, dass der Finanzsektor nur unter einer „Krise des Vertrauens“ leide und dass es irgendwo einen „fairen Marktpreis“ für alle die toxischen Wertpapiere gebe, der nun unter Beihilfe dar privaten Investoren bei der Aufkaufaktionen ermittelt werden soll.
Ursprünglich sollten nur größere Finanzinstitute an PPIP beteiligt werden, die selber mindestens zehn Milliarden US-Dollar an „hypothekenbasierten Vermögenswerten“ halten, so die FTD. Doch inzwischen drängen auch Hedge-Fonds und „kleinere private Investoren“ die US-Regierung, in Partnerschaft mit ihr den im Verlauf der Spekulation entstandenen Finanzmüll aufkaufen zu dürfen. Kein Wunder, bei den Konditionen: In einem oder mehreren gigantischen Investitionsfonds stellt die FDIC für jeden für den Aufkauf von toxischen Wertpapieren aufgewendeten US-Dollar 85 Cent als Kredit zur Verfügung. Der Staat und der private Investor beteiligen sich mit jeweils 7,5 Cent. Der Haken an dieser Vorgehensweise besteht nun darin, dass die FDIC regresslose Darlehen (non-recourse loan) an die Investoren vergibt, die keine persönliche Haftung des Darlehensnehmers beinhalten, sondern einfach mit den Wertpapieren „besichert“ sind, zu deren Aufkauf sie dienten.
In der Theorie sollen die derzeit „eingefrorenen“ Märkte für hypothekenbasierende Wertpapiere durch die Aufkaufaktion wiederbelebt werden, wonach auch die in dem Investitionsfonds aufgekauften Papiere veräußert werden könnten. Sollte nun aber nach dem Aufkauf der Wert eines faulen „Wertpapiers“ unter die Kreditsumme der FDIC, also unter 85 Prozent seines Aufkaufpreises fallen, so erhält die FDIC diese „Sicherheit“ und bleibt somit auf dem Finanzmarktmüll sitzen – die privaten Investoren sind hingegen von jeglicher weiteren Haftung befreit. Bei einem Totalausfall der aufgekauften Wertpapiere haftet der private Investor nur mit 7,5 Prozent des Einkaufspreises, während alle eventuellen Gewinne in dieser ungleichen öffentlich-privaten „Partnerschaft“ geteilt werden sollen. Es sei wie das Werfen einer Münze, wo bei „Zahl“ der private Investor gewinnt, und bei „Kopf“ der Steuerzahler haften werde, kommentierte Paul Krugman. Von einem „Ersatz-Kapitalismus“ sprach hingegen Joseph Stiglitz, bei dem die „die Gewinne privatisiert und die Verluste sozialisiert“ würden. Es scheint somit, als ob der US-Einlagensicherungsfond als eine Art finanzpolitischer Müllhalde der Finanzkrise fungieren soll.
Zudem lässt dieses Verfahren, in dessen Verlauf Wertpapiere im „Wert“ von bis zu einer Billion US-Dollar aufgekauft werden sollen, jedwedem Missbrauch Tor und Tür offen. Zum einen könnten die Banken ihren unverkäuflichen Wertpapiere sich gegenseitig zu überteuerten Preisen abkaufen und so auf Kosten des Steuerzahlers noch saftige Gewinne einfahren – der Aufkaufpreis müsste nur mindestens 15 Prozent über deren Nennwert in ihren Bilanzen liegen. Die Finanzinstitute könnten auch eigens Investitionsgesellschaften ausgliedern, die ihre eigenen toxischen Wertpapiere aufkaufen.
Sollte beispielsweise die Citibank unverkäufliche und wertlose Wertpapiere veräußern wollen, die sie einstmals für eine Million US-Dollar erwarb, so müsste sie nur einen Citibank Public-Private Investment Fund (CPPIF), also einen Öffentlich-Privaten Investitionsfonds gründen, erläuterte der Ökonom Jefferey Sachs an einem Beispiel: Der CPPIF kauft dann den Finanzmüll der Citibank für eine Million US-Dollar auf und geht anschließend bankrott. Die Citibank hätte dann gemäß des „Geithner-Plan“ 925.000 US-Dollar für ihren Wertpapierschrott erhalten, da sie vermittels der CPPIF nur 75.000 US-Dollar investieren musste. Der Steuerzahler verliert – durch die direkte Beteiligung des Staates und die Kredite der FDIC – hingegen 925.000 US-Dollar. Ein solcher Totalverlust für die öffentliche Hand dürfte alles andere als selten vorkommen, da die Banken im Rahmen des PPIP-Programms selbstverständlich ihre miesesten Wertpapiere abzustoßen versuchen werden. Im Kern würden auf diese Weise durch die FDIC „Hunderte von Milliarden von Dollar“ der Steuerzahler an die Banken transferiert, kommentierte Sachs.
leicht gekürzt publiziert in: “Junge Welt”, 20.04.2009