„Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“*

von Bruno Kern

Das Ende des fossilen Zeitalters ist inzwischen endgültig eingeläutet. Das hat sich heute bis in die Chefetagen der Mineralölkonzerne herumgesprochen. Der „Peak“ der Erdölförderung dürfte inzwischen erreicht worden sein. Dass das Wegbrechen der fossilen Energiebasis die Grundfesten unserer Industriegesellschaften insgesamt erschüttern könnte – über diese Konsequenz versucht man sich krampfhaft hinwegzutäuschen.

Ökokapitalistische Illusionen

Die Illusionisten bestimmen heute immer noch den geistigen Mainstream. Ihr Credo ist das der technischen Beherrschbarkeit, der Wohlstandssicherung und -vermehrung mit intelligenteren Mitteln. Die heute im öffentlichen alternativen „Energiediskurs“ maßgebenden Hofpropheten, angefangen bei Ernst Ulrich von Weizsäcker über Hermann Scheer bis zu Franz Alt, reden uns seit Jahren ein, dass die nötigen Reduktionsziele (bis zum Jahr 2050 etwa eine Reduktion des CO2-Ausstoßes in den OECD-Ländern um 90 Prozent) ohne Wohlstandseinbußen, ja sogar noch mit erheblichen Wohlstandsgewinnen, erreichbar seien – durch mehr Energieeffizienz und den Einsatz erneuerbarer Energien.
Die gedanklichen Kapriolen, die man schlägt, um der schlichten Einsicht zu entgehen, dass unser Wohlstandsniveau drastisch abgesenkt werden muss, sind abenteuerlich. Die ach so verheißungsvolle Effizienzrevolution hat Fred Luks mit einer einfachen Rechnung ad absurdum geführt: Wenn der Ressourcenverbrauch in den Industrienationen bis 2050 um einen Faktor 10 sinken soll (was weitgehend Konsens ist), und wenn man gleichzeitig ein bescheidenes Wirtschaftswachstum von 2 Prozent jährlich unterstellt, dann müsste die Ressourcenproduktivität (also die Menge an Gütern und Dienstleistungen pro Einheit einer bestimmten eingesetzten Ressource) um den Faktor 27 wachsen! Ein Wirtschaftswachstum von 3 Prozent setzt bereits eine 43-fache Energie- und Ressourceneffizienz voraus. Um diese Absurdität zu verschleiern, beschränken sich die ökologisch-kapitalistischen Heilspropheten in ihren Bestsellern immer nur auf beeindruckende Einzelbeispiele.
Die intellektuelle Redlichkeit wird dabei schamlos einem Pragmatismus der politischen Durchsetzbarkeit geopfert. Anstelle einer ehrlichen Bestandsaufnahme dessen, was mit welchen Mitteln zu welchem Preis wirklich erreichbar ist, werden alle Überlegungen der Frage untergeordnet, was man dem europäischen Wohlstandspublikum zumuten darf. In diesem Sinne tritt der ehemalige Attac-Aktivist und Neugrüne Sven Giegold in jüngster Zeit dafür ein, den Widerstand gegen die Massenautomobilisierung und den Flugverkehr endgültig als aussichtslos aufzugeben. Stattdessen müsse man eben auf technische Lösungen setzen, auf Elektroautos und auf mit Brennstoffzellen betriebene Flugzeuge. (Sven Giegold, Freiheit, Auto, Nachhaltigkeit, in: Le Monde diplomatique , 13.9.2009) Die genauere Nachfrage, ob das denn – ehrliche Energiebilanzen vorausgesetzt – überhaupt möglich ist, erspart er sich lieber.
Ernst Ulrich von Weizsäcker spricht offen aus, worum es geht: „Europäern, Amerikanern und Japanern zu empfehlen, sich in Sack und Asche zu kleiden und auf Wohlstand und Fortschritt zu verzichten, ist eine zum Scheitern verurteilte Strategie. Also sollte die neue Wirtschaftsweise den Charakter eines ‚neuen Wohlstandsmodells‘ haben, um politisch durchsetzbar zu sein.“ (1992, S. 12)
Hier wird übrigens auch überdeutlich, für wen dieses neue Wohlstandsmodell gilt und für wen nicht. Weltweit gesehen nimmt eine kleine Elite für sich in Anspruch, die immer knapper werdenden Ressourcen auch noch für den letzten Teil ihrer Wohlstandsparty einzusetzen. Der ressourcensparende, intelligente, ökologiekompatible Wohlstand ist bei Licht besehen chauvinistische Brutalität. Bereits jetzt sind es global gesehen nur 6 Prozent der Menschheit, die jemals in einem Flugzeug gesessen sind, während in Nigeria unter Lebensgefahr Ölpipelines angezapft werden und im Sudan der erste Klimakrieg tobt. (Welzer 2008, S. 94-99)

Ein nüchterner Blick auf die Realität

In jüngster Zeit kann man allerdings auch eine Tendenz zur Ernüchterung feststellen. Gegenüber den Illusionen der ökologischen Hofpropheten nehmen sich die definierten politischen Ziele sehr bescheiden aus. Der ehrgeizige Obama-Plan etwa hat sich zum Ziel gesetzt, dass bis zum Jahr 2025 insgesamt 25 Prozent des US-amerikanischen Elektrizitätsbedarfs aus erneuerbaren Quellen stammen werden. Man darf die Frage stellen, wie es um die restlichen 75 Prozent steht.
Auch in Deutschland werden die skeptischen Stimmen lauter, gerade von Seiten derer, die selbst das größte Interesse am Ausbau erneuerbarer Energien haben. Dietmar Schütz etwa, der Präsident des Bundesverbandes erneuerbarer Energien, gab zu Protokoll, dass man bis zum Jahr 2020 200 Mrd. kWh mittels erneuerbarer Energien produzieren könne. Das entspricht, wenn man einen leichten Verbrauchsrückgang unterstellt, etwa 35 Prozent des deutschen Stromverbrauchs. (die tageszeitung , 24.4.2008) Selbst bei Leuten wie Fritz Vahrenholt, ein Hersteller von Windkraftanlagen, ist der ursprüngliche Enthusiasmus einer Ernüchterung gewichen: „Ich bin durchaus optimistisch, dass wir bis zum Jahr 2050 die Hälfte unserer Energieversorgung mit erneuerbaren Energieträgern bewältigen können. Aber selbst dann ist die Frage: Was machen wir mit den anderen 50 Prozent?“ (die tageszeitung , 7.10.2006) Die Einsicht in das begrenzte Potenzial erneuerbarer Energien führte Fritz Vahrenholt – ebenso wie James Lovelock – dazu, zum Befürworter der Atomenergie zu mutieren.
Wer die Situation unvoreingenommen betrachtet, wird sich vier fundamentalen Problemen stellen müssen:
(1) Das Potenzial erneuerbarer Energien ist grundsätzlich beschränkt. Erneuerbar heißt eben nicht unerschöpflich.
(2) Neben der knapper werdenden Energie aus fossilen Quellen haben wir es gleichzeitig auch mit einer Verknappung von Rohstoffen zu tun, die dem Ausbau der technischen Voraussetzungen und der nötigen Infrastruktur für erneuerbare Energien zusätzliche Schranken setzt.
(3) Das uns zur Verfügung stehende Zeitfenster ist schmal. Es ist fraglich, ob wir angesichts der knapper werdenden Zeit, in der uns die fossile und Rohstoffbasis immer schneller wegbricht, die theoretisch vorhandenen Potenziale wirklich umsetzen können.
(4) Ein Problem für sich stellt die Organisation unserer Mobilität dar, die in der uns bekannten Form ohne die fossile Energiebasis kaum vorstellbar ist und die gleichzeitig für unsere global durchgesetzte kapitalistische Industriegesellschaft essenzielle Bedeutung hat.

Machbar oder lebensfähig? Die Erneuerbaren als „Parasiten“ der Fossilen

Die so genannten erneuerbaren Energien (im Wesentlichen Solarenergie und Biomasse) werden in ihren Möglichkeiten oftmals so hoch veranschlagt, dass es doch sehr erstaunt, warum sie sich nicht längst schon durchgesetzt haben. Ist tatsächlich nur die bitterböse Atomlobby schuld? Die präsentierten Rechnungen sind in der Tat höchst unseriös. Die Energiebilanzen beschränken sich in der Regel auf den laufenden Betrieb. Nicht miteinbezogen werden die Produktionsvoraussetzungen und die gesamte erforderliche Infrastruktur. Wer etwa die Energiebilanz einer Photovoltaikanlage ehrlich erstellen will, der muss – wie in jeder Kostenrechnung auch – anteilsmäßig bei der Produktion der Bagger anfangen, die den Sand zur Siliziumherstellung fördern.
Einer der wenigen, die so bilanzieren, ist Howard T. Odum, der dann auch prompt für die Photovoltaik (auf der Basis von monokristallinem Silizium) eine negative Energiebilanz errechnet. Mit Recht klagt die Anti-Atom-Bewegung in ihrer Auseinandersetzung mit den Atomkraftwerksbetreibern eine solche ehrliche Bilanz ein, um das Argument zu entlarven, Atomstrom sei der Ausweg aus der Klimakatastrophe.
Allerdings müsste man dann auch die intellektuelle Redlichkeit besitzen, diese Rechnung ebenso für die „Erneuerbaren“ aufzumachen. Der Ökonom N. Georgescu-Roegen unterscheidet in diesem Sinne zwischen „machbaren“ und „lebensfähigen“ Energien. „Lebensfähig“ sind nur jene Energiequellen, die sich selber reproduzieren können. Das heißt, Photovoltaik wäre in dem Maße lebensfähig, als die Produktionsbasis mit all ihren Komponenten und deren zyklische Erneuerung selbst wieder mit Photovoltaikstrom hergestellt werden könnten.
Dabei wäre zu bedenken, dass die Herstellung selbst der einfachen Halbleiterzellen Temperaturen von 400 bis 1.400 Grad Celsius erfordert. Richard Heinberg stellt eher skeptisch fest: „Sicherlich können konventionelle Siliziumzellen bisher im Vergleich zu der für ihre Herstellung nötigen Energie nur einen geringen späteren Ertrag aufweisen, obwohl die Anhänger dieser Technologie auch hier standhaft mit günstigen Zahlen werben (im Allgemeinen berücksichtigen sie bei ihren Berechnungen nicht die für den Transport und die Herstellung der Produktionsanlagen aufgewandte Energie…“ (Heinberg 2004, S. 239) Auch die neueren Techniken etwa von Dünnschichtsolarzellen auf der Basis von nichtkristallinem Silizium oder lichtempfindlichen Farbpigmenten etc. helfen nicht viel weiter. Bei einem Wirkungsgrad von maximal 7 Prozent wird ihnen wohl nur ein Nischendasein beschieden sein.
Einzig die Windenergie (die aber für die Erzeugung der Stromgrundlast nicht taugt) scheint zweifelsfrei eine positive Energiebilanz aufzuweisen. Die entsprechenden Bilanzen bewegen sich freilich in einem breiten Spektrum und veranschlagen einen EROEI (Energy Returned on Energy Invested, das heißt Energiegewinn im Verhältnis zur eingesetzten Energie) von 2 bis 50. (Das heißt, innerhalb eines Lebenszyklus einer Anlage gewinnt man das Zwei- bis Fünfzigfache an eingesetzter Energie.)
Hier stellt sich allerdings das Problem der Speichertechniken. In Deutschland etwa steht die Windenergie insgesamt nur 16 Prozent der Zeit zur Verfügung. Die bisher bekannten bzw. derzeit erprobten Speichertechniken sind allesamt nicht unproblematisch. Pumpspeicherkraftwerke mit einem sehr hohen Wirkungsgrad gehen mit einem enormen Landschaftsverbrauch einher, für Druckluftspeicherkraftwerke fehlen vielfach die Voraussetzungen, weshalb bislang weltweit nur zwei existieren, und die Speicherung mittels Wasserstoff weist bislang einen bescheidenen Wirkungsgrad von etwa 20 Prozent auf.
Auf das Problem der schwindenden Rohstoffbasis , die dem Ausbau erneuerbarer Energien zusätzliche Schranken auferlegt, hat unter anderem Thomas Krupka, der Chef von „Solon“, aufmerksam gemacht: Die Verteuerung von Rohstoffen wie etwa Kupfer und Stahl im Lauf des Jahres 2008 hat einen Vorgeschmack dafür geliefert, was deren absolute Verknappung in absehbarer Zeit bedeuten könnte. Mit Hinweis auf diese Problematik hat Krupka übrigens gerade die großflächige Stromproduktion durch Solarkraftwerke in der Sahara als Hoffnungsträger verworfen. Er wies etwa auf das schnelle „Erblinden“ der Module durch Sandstürme, die dadurch bedingte drastische Ertragsminderung und den entsprechend kürzeren Lebenszyklus hin. (die tageszeitung , 13.11.2008)
Die Problematik des Rohstoffbedarfs betrifft solarthermische Anlagen, die neuesten Photovoltaiktechniken ebenso wie die Windenergie. Gerade in jüngster Zeit haben Studien auf die Knappheit von seltenen Metallen wie Indium, aber etwa auch des für Batterien eingesetzte Lithium hingewiesen. (Vgl. dazu SPIEGEL ONLINE , 10.4.2009) Auch in Bezug auf die Windenergie gibt James Howard Kunstler zu bedenken: „Wie schaffen wir die seltenen Erze, Chrom, Titan, von den wenigen Stätten ihres Vorkommens zu den Produktionsstätten, wo die Metalllegierungen hergestellt werden, um Windturbinen zu erzeugen? Und was benutzen wir, um die Hochöfen zu betreiben?“ (Kunstler 2005, S. 128)
Die Problematik des immer schmaler werdenden Zeitfensters lässt sich ebenfalls anhand der Windenergie gut verdeutlichen. Die hochgerechneten theoretischen Potenziale sind teilweise beeindruckend. In den USA etwa gehen die optimistischsten Schätzungen davon aus, dass man mittels Windenergie ca. die Hälfte des Gesamtenergieverbrauchs erzeugen könnte. Doch es klafft eine große Lücke zwischen diesem theoretischen Potenzial und dem Status quo. Weltweit wird bislang etwa 1 Prozent der Elektrizität mittels Windenergie erzeugt. Richard Heinberg weist darauf hin: Wenn man in den USA bis zum Jahr 2030 etwa 20 Prozent der Elektrizität durch Windkraft gewinnen wollte, dann müsste man bis dahin jährlich (!) etwa 20.000 dem neuesten Stand der Technik entsprechende Windkraftanlagen aufbauen, vom nötigen Ausbau der übrigen Infrastruktur (Leitungskapazitäten) ganz zu schweigen.
Das würde eine beträchtliche Umschichtung ökonomischer Ressourcen in einer relativ kurzen Zeit und unter hohem Energieaufwand bedeuten – einem Energieaufwand unter dem Vorzeichen der immer schneller wegbrechenden fossilen Basis: „Betrachtet man nun aber diese Energieinvestition, die man für den Bau all der Windturbinen und andere für den Übergang auf erneuerbare Energien notwendige Infrastrukturmaßnahmen braucht, und bedenkt, dass gleichzeitig das Erdöl immer knapper wird, erkennt man, dass dann keine überschüssige Energie mehr zur Verfügung stünde, um den bisherigen Bedarf der Wirtschaft weiterhin decken zu können.“ (Heinberg 2004, S. 233)

Eine Million Elektroautos oder die Rechenkünste eines Exministers

Überdeutlich wird der illusionäre Charakter der aktuellen Diskussion beim Thema „Mobilität“. Verwundert reibt man sich die Augen, wenn man in gleich zwei Ausgaben des SPIEGEL hintereinander zu lesen bekommt, dass die Biomasse der Erde sieben- bis achtmal größer ist als die Menge, die nötig ist, um den alternativen Treibstoff für unser heutiges Mobilitätsniveau zu sichern.
Leider ist diese Aussage nicht weiter belegt. Aber der Unsinn liegt ohnehin auf der Hand. Die hohen Verluste an fruchtbarem Ackerland durch Bodenerosion, die Ausdehnung der Wüsten etc. sind jedem auch nur oberflächlich Informierten bekannt. Selbstverständlich steht die Erzeugung von Biomasse in unmittelbarer Konkurrenz zur Ernährung der Weltbevölkerung. Der gegenwärtige weltweite Boom beim Anbau von Plantagen für pflanzliche Treibstoffe bedeutet letztlich, dass weltweit gesehen 800 Millionen Autobesitzer (mit entsprechend mehr Kaufkraft) gegen die 2 Milliarden Menschen konkurrieren, die heute unter der Armutsgrenze leben.
Selbst das Wall Street Journal eignet sich in Bezug auf die Produktion von Biotreibstoffen inzwischen die Sichtweise kritischer Ökologen an und weist unter Berufung auf David Pimentel darauf hin: „…die Ausweitung der Produktion von Mais für Biokraftstoffe würde die Wasserressourcen erschöpfen und den Boden durch den Gebrauch von Kunstdüngern und anderen Chemikalien verschmutzen. Das würde auch den Verbrauch von großen Mengen konventioneller Energie erfordern – für die Landwirtschaftsmaschinerie und für die Anlagen zur Konversion von Mais zu Ethanol. Dieser Preis könnte den Vorteil aus der Produktion des weniger umweltverschmutzenden Kraftstoffs zunichte machen.“ (Wall Street Journal , 5.12.2006) Nicht berücksichtigt ist dabei, dass auch die Herstellung von Düngemitteln und anderer Agrarchemikalien den Verbrauch einer großen Menge von fossilen Brennstoffen und anderen nicht erneuerbaren Ressourcen erfordert. Schon in früheren Studien wurde der EROEI von Ethanol aus Mais auf nur 1,3 bzw. 1,1 berechnet, der von Palmöl auf lediglich 1,06. (Heinberg 2004, S. 152f.)
Die bundesdeutschen „Grünen“ biedern sich derzeit bis zur Peinlichkeitsgrenze als Retter der Autoindustrie an. Als einen Bestandteil des „Green New Deal“ hat man die Vision formuliert, bis zum Jahr 2020 eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen zu haben. Jürgen Trittin, Ex-Bundesumweltminister und seinerzeit williger Vollstrecker des Autokanzlers Schröder, antwortete auf die Frage, woher denn dafür der Strom kommen soll: „Bis dahin werden 50 Prozent des Strombedarfs aus erneuerbaren Energien erzeugt, da haben wir ja schon die Hälfte.“ (Interview am 9.5.2009 im Fernsehkanal Phoenix )
Energie in flüssiger, leicht transportierbarer und gut handhabbarer Form ist unabdingbare Voraussetzung zur Aufrechterhaltung der Mobilität in bisherigem Stil. Wasserstoff galt lange als der ideale Ersatz für flüssigen Treibstoff. Eine wasserstoffgetriebene Brennstoffzelle hat tatsächlich einen Wirkungsgrad von 60 Prozent und übertrifft damit Benzinmotoren deutlich. Aber Wasserstoff ist keine Energiequelle, sondern ein Speichermedium.
Grundsätzlich sind zwei Wege der Wasserstoffproduktion gangbar: die Herstellung aus Kohlenwasserstoffen, heute konkret Methan, oder mittels Elektrolyse aus Wasser, wobei es natürlich auch möglich wäre, das Elektrolyseverfahren mittels Energie aus erneuerbaren Quellen durchzuführen. Bei diesen zwei Verfahren beträgt der Stromverbrauch etwa 5 kWh pro Kubikmeter, bei der anschließenden Stromerzeugung aus Wasserstoff geht ebenfalls Energie verloren.
Für den Fall, dass der Strom aus regenerativen Quellen stammt, wirft Benjamin Dessus die Frage auf, welche Gesamtleistung sich damit überhaupt realisieren lässt, wenn man bedenkt, dass die großtechnische Herstellung von Wasserstoff permanente Energiezufuhr in erheblichen Mengen erfordert. (Le Monde diplomatique , 14.1.2005) Richard Heinberg betont in diesem Sinn: „Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik legt fest, dass Wasserstoff immer ein Nettoverlierer sein wird, da bei jeder Umwandlung ein Teil der nutzbaren Energie verloren geht … Angesichts der von vornherein recht niedrigen Nettoenergie aus erneuerbaren Quellen sowie der Nettoenergieverluste bei der Umwandlung von Strom in Wasserstoff und der anschließenden Rückwandlung von Wasserstoff in Elektrizität kommt man kaum an der Erkenntnis vorbei, dass die von wohlmeinenden Visionären propagierte ‚Wasserstoffwirtschaft‘ notwendigerweise mit weit weniger Energie auskommen muss als die Wirtschaft, die wir bisher gewöhnt sind.“ (Heinberg 2004, S. 245)
Dazu kommen noch die erheblichen Infrastruktur- und Sicherheitsprobleme, für die kaum Lösungen in Sicht sind. Aufgrund des extrem hohen Drucks braucht ein Wasserstoffauto mit Brennstoffzellentechnik einen mit äußerst starken Kohlestofffasern verstärkten Tank. Ein Sicherheitsrisiko sind dabei vor allem die Bleiverbindungsstellen. Wasserstoff ist leicht entflammbar und korrosionsaggressiv. Jeder Tankvorgang würde nicht nur ein erhebliches Sicherheitsrisiko bedeuten, sondern mit zusätzlichem Energieverschleiß verbunden sein. Der relative Energieverbrauch allein für den Transport (in Tanklastwagen mit hohem Kompressionsdruck) im Verhältnis zur transportierten Energie würde Wasserstoff bei fast jeder Entfernung unwirtschaftlich machen.
Es führt einfach kein Weg daran vorbei: Da jede Form von Energie endlich ist und dem physikalischen Gesetz der Entropie unterliegt, da auch scheinbar im Überfluss vorhandene Energie erst mühsam und selbst wieder unter hohem Energieaufwand verfügbar gemacht werden muss, werden wir ein anderes Verhältnis zur Mobilität insgesamt gewinnen müssen. Es entspricht vermutlich nicht menschlichem Maß, innerhalb von 24 Stunden an fast jedem beliebigen Punkt der Erde sein zu können.

Eine Ökonomie des „Genug“

Wer die Lebensgrundlagen weltweit sichern will, der muss eine Ökonomie und Kultur des „Genug“ anstreben und sich vom parasitären Charakter unseres Scheinwohlstands verabschieden. Um im Bild zu sprechen: Man kann eben nicht gleichzeitig die Abschaffung der Legebatterien fordern und an Joseph Goebbels’ Forderung nach dem Frühstücksei für jeden Deutschen festhalten wollen. In erfrischendem Gegensatz zum ökologischen Wohlstandschauvinismus eines Ernst Ulrich von Weizsäcker macht Jeremy Rifkin klar, dass nicht weniger als unsere Industriegesellschaft und die damit verbundenen Lebensgewohnheiten auf dem Spiel stehen:
„Diejenigen, die sich … von den Illusionen des industriellen Zeitalters nicht lösen können, … werden sich dagegen wehren, dass Großstadtleben, industrielle Produktionsweisen und der gesamte Komfort, der den so genannten ‚amerikanischen Traum‘ genährt hat, im Widerspruch zum Solarzeitalter stehen sollen. Ökologen und Wirtschaftswissenschaftler … haben jedoch mehr als deutlich gemacht, dass wir uns der historischen Realität nicht länger entziehen dürfen, dass falsche Zukunftserwartungen ein überaus gefährliches Abenteuer bedeuten, vielleicht eine irreversible Katastrophe. Ganz gleich, welchen Weg wir auch einschlagen, der bevorstehende Wendepunkt wird uns Opfer und Verzicht nicht ersparen.“ (Rifkin 1985, S. 213 f.)
Eine nachhaltige, die elementaren Lebensgrundlagen sichernde Wirtschaft darf jedoch nicht nur nicht wachsen, sie muss schrumpfen mit dem Ziel, ein verträgliches Niveau des „steady state“, das heißt eines stationären Gleichgewichts, zu erreichen. Natürlich ist dies mit der dem Kapitalismus eingeschriebenen Wachstumslogik nicht mehr zu vereinbaren. Die erforderliche ökonomische Abrüstung kann nur in bewusster Planung erfolgen. (In Auseinandersetzung mit Herman Daly, Harry Shutt, den „Marktsozialisten“, Elmar Altvater und anderen hat dies vor allem Saral Sarkar in seinen beiden unten angeführten Büchern aufgezeigt.)
Die Rohstoff- und Energieverknappung und das Einhalten ökologischer Mindeststandards führen unweigerlich zum Wegbrechen ganzer Industriebranchen. „Marktkonforme“ Steuerungsgesetze müssen hier zwangsläufig versagen. Die (begrenzten) Steuerungsmechanismen des Marktes funktionieren nur unter der Voraussetzung hoher Produktivität und eines genügend großen Ressourcenangebots. Die fiskalische Lenkung der Nachfrage etwa durch Besteuerung kann nur die soziale Kluft verschärfen und dazu führen, dass „unökologisches“ Verhalten eben einer reichen Elite vorbehalten bleibt. Der freie Handel mit limitierten Verschmutzungsrechten kann unter kapitalistischen Bedingungen nur zu krassen Fehlallokationen führen.
Eine Steuerung des Ressourcenangebotes, Mengenregulierungen für Energie und Rohstoffe müssen mit Preiskontrollen und einer Rahmenplanung einhergehen, die Produktion und Verbrauch lenkt. Was, wie und wie viel produziert wird, kann nicht länger dem Chaos partikulärer Profitinteressen überlassen bleiben, sondern muss – auf möglichst demokratische und partizipative Weise – bewusst organisiert werden. Die mit viel medialer Unterstützung geschürten Illusionen in Bezug auf Energieeffizienz und erneuerbare Energien muten wie die hilflosen Abwehrversuche der sich aufdrängenden Konsequenz eines ökologischen Sozialismus an.

* Ingeborg Bachmann


Literatur

Heinberg, Richard, 2004: The Party’s Over. Das Ende der Ölvorräte und die Zukunft der industrialisierten Welt, München.
Kunstler, James Howard, 2005: The Long Emergency. Surviving the End of Oil, Climate Change, and Other Converging Catastrophes of the Twenty-First Century, New York.
Sarkar, Saral, 2009: Die Krisen des Kapitalismus. Eine andere Studie der politischen Ökonomie, Köln/Mainz (zu beziehen über die Initiative Ökosozialismus, www.oekosozialismus.net; Bruno Kern, Mombacher Straße 75 A, 55122 Mainz; Tel.: 06131/236461; E-Mail: fackelkraus@gmx.de).
Sarkar, Saral, 2001: Die nachhaltige Gesellschaft. Eine kritische Analyse der Systemalternativen, Köln (zu beziehen über die Initiative Ökosozialismus, s.o.).
Sarkar, Saral/Kern, Bruno, 2008: Ökosozialismus oder Barbarei. Eine zeitgemäße Kapitalismuskritik, Köln, Mainz (Broschüre, zu beziehen über die Initiative Ökosozialismus).
Luks, Fred, 1997: Der Himmel ist nicht die Grenze, in: Frankfurter Rundschau, 21. Januar 1997.
Odum, Howard T., 1996: Environmental Accounting. Emergy and Decision Making, New York.
Rifkin, Jeremy, 1985: Entropie – ein neues Weltbild, Frankfurt /Berlin.
Weizsäcker, Ernst Ulrich von, 1992: Erdpolitik. Ökologische Realpolitik an der Schwelle zum Jahrhundert der Umwelt, Darmstadt.
Welzer, Harald, 2008: Klimakriege. Wofür im 21. Jahrhundert getötet wird, Frankfurt.