Aufschwung in den Abgrund
Peak Oil nun auch bei IEA angekommen
By Andreas Exner
Die Debatte um Peak Oil, das globale Fördermaximum des Erdöls, ist nun endlich auch bei der Internationalen Energieagentur angekommen. Dies zeigt ein Artikel in der International Business Times vom 11. August.
Der Chefökonom der Energieagentur, Fatih Birol, bestätigt darin die Einschätzung, die wir in “Die Grenzen des Kapitalismus” (Exner/Lauk/Kulterer, Ueberreuter 2008) gezogen haben: selbst wenn die gegenwärtige Wirtschaftskrise einem Aufschwung weichen sollte, würde die kapitalistische Ökonomie rasch von der nächsten Energieverknappung in die Tiefe gezogen. Wobei, das bleibt anzumerken, ein Aufschwung ohnehin unwahrscheinlich ist. Die Verknappung des Erdöls jedoch schreitet auch in der Krise unweigerlich voran. Die Krise verschärft sich daher in jedem Falle weiter.
Die Schlussfolgerungen, die Birol zieht: es drohe ein neues “finsteres Zeitalter”, weil erst die energieabhängigen Maschinen die Sklavenarbeit überflüssig gemacht hätten. Der Umstieg auf Kohle sei unausweichlich. Der Ausbau der Erneuerbaren ist zwar wünschenswert, aber zu teuer und zu zeitintensiv.
Die kapitalistische Borniertheit äußert sich in Birols Aussagen gleich mehrfach. Denn erstens hat der Kapitalismus, bürgerlich verkürzt auf das “Maschinenzeitalter”, Herrschaft keineswegs überwunden, sondern lediglich verändert, in vielen Bereichen sogar verschärft. Zweitens aber ist Kohle noch klimaschädlicher als Erdöl oder Erdgas; Techniken der Abscheidung von CO2 sind äußerst fragwürdig und angeblich erst um 2020 verfügbar; außerdem reichen sie nicht aus, um dem Klimawandel zu begegnen (siehe dazu z.B. hier). Davon ganz abgesehen befindet sich auch die Kohle am Rande des globalen Fördermaximums, Peak Coal. Der Ausbau der Erneuerbaren ist mit dem Kapitalismus in der Tat nicht vereinbar. Deshalb die Energiewende als illusionär abzulehnen ist freilich absurd.
So bestätigt der Chefökonom, wenngleich nicht in unserem Sinne, unsere eigene Einschätzung der Gefahren, die in der epochalen Energiekrise liegen: erstens, dass sich Herrschaft nach dem Ende der billigen fossilen Energieträger zu erneuern versuchen wird – eine Ökodiktatur im Kontext einer ökonomisch stationären (und insofern nicht-kapitalistischen), jedoch verelendeten und extrem repressiven Gesellschaft ist grundsätzlich denkbar; zweitens aber wird der Kapitalismus bis zu seinem – entweder emanzipatorischen oder repressiven – Ende alles daran setzen, seine (rückläufige) Wachstumsdynamik oder jedenfalls den Glauben daran vorerst aufrechtzuerhalten, indem er auf Atom, Kohle und auf Mega-Projekte á la Desertec setzt.
Wer noch glaubt, das System von Lohnarbeit, Markt, Staat und Kapital “reformieren” zu können, sitzt nicht nur einer Illusion auf, sondern bewegt sich inzwischen schlicht auf menschheitsgefährdendem Terrain.