Die Soldaten der USA und ihrer Koalition schützen!
von Peter Klein
Der amerikanische Diplomat James D. Bindenagel hat in der Süddeutschen Zeitung (17.6.08) einen Artikel geschrieben. „Wer hat die rettende Idee? “ fragt die Überschrift, „Irgendjemand muss Iran klarmachen, dass seine Einmischung im Irak aufhören muss – oder es wird einen US-Militärschlag geben“, droht der Untertitel. Die amerikanischen Geheimdienste hätten zwar Entwarnung wegen der iranischen Atombombe gegeben, gleichwohl sei der Iran gefährlich. Die Anschläge, denen die amerikanischen Soldaten im Irak ausgesetzt seien, deuteten, was das verwendete Material betrifft, immer häufiger auf den Iran als Ursprungsland. „Beweise zur Rechtfertigung von Militärschlägen“ werden gesammelt. „Die Iraner müssen nicht unbedingt Israel angreifen, um eine amerikanische Reaktion auszulösen.“ Für Herrn Bindenagel stellt sich nämlich angesichts des Irak-Desasters seiner Regierung die Frage, „wie man die Soldaten der USA und ihrer Koalition schützen kann“ vor den Feindseligkeiten, denen sie – überraschenderweise? – im Nahen und Mittleren Osten ausgesetzt sind. Eine köstliche Formulierung und ein schönes Beisspiel für die gemütlich und sanft klingende Sprache des modernen Imperialismus, an die wir schon viel zu lange gewöhnt sind.
Die US-Soldaten befinden sich zehntausend Meilen entfernt von den heimatlichen Gestaden in einem Krieg, der völkerrechtlich etwa so viel Überzeugungskraft besitzt wie Hitlers Überfall auf die Sowjetunion oder, wenn man`s eine Nummer kleiner haben will: wie der Einmarsch des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei 1968, und Herrn Bindenagel fällt das fabelhafte Wort vom „Schutz“ ein! Sechshundert- oder siebenhunderttausend getötete Iraker, ein zerstörtes Land, Auflösung aller staatlichen Strukturen, und immer noch mangelt es den amerikanischen Soldaten an Sicherheit. Woher das nur kommen mag?
Auch bei diesem Thema zeigt sich Herr Bindenagel ganz auf der Höhe seines diplomatischen Berufs. Die amerikanische Regierung hat sich den Hass einer ganzen Weltregion zugezogen, einer Weltregion, die nur noch sehr bedingt als staatlich organisiert anzusehen ist. Um die angekündigten „Militärschläge“ politisch irgendwie plausibel erscheinen zu lassen, um der militärischen Protzerei das Aussehen einer wohlbegründeten Strategie und Richtung geben zu können, braucht man aber ein ausgewachsenes staatliches Subjekt, das die traditionelle Rolle des Feindes zu übernehmen vermag. Andernfalls fehlte der Diplomatie (und der Politik überhaupt) ihre raison d`être. Und da der Iran das einzige noch recht und schlecht funktionierende Staatswesen der Region ist, das zumindest rhetorisch eine von den USA und ihren Verbündeten unabhängige Politik betreibt, kann die Wahl eigentlich nur auf ihn fallen. Wer immer den braven amerikanischen Soldaten Schmerzen zufügt, es muss der Iran dahinterstecken, der politisch einzig greifbare Feind. Ob sich nach gehabten „Militärschlägen“ die Sicherheitslage der amerikanischen Soldaten allerdings verbessert haben wird, darf man füglich bezweifeln. Mal sehen, vor welchem Staat die amerikanischen Soldaten als nächstes geschützt werden müssen. Allzu viel Auswahl gibt es in dieser Region nicht mehr.
Nach Hause zu gehen, dürfte in puncto „Schutz“ zweifellos die beste Lösung für die amerikanischen Soldaten sein. Sie müssten dazu freilich jenes Ethos verraten, das sie fester an ihren Job bindet als es je der Schwur getan hat, den die Soldaten früherer Zeiten auf Kaiser und Vaterland zu leisten hatten: das Ethos des Geldverdienens. „That`s, what we are paid for“, so hört es sich aus dem Munde des einfachen GI an. Immerhin haben bereits einige Tausend amerikanischer Deserteure diesen in meinen Augen sehr löblichen Verrat begangen. Dass ein Diplomat wie Herr Bindenagel auf diese doch so naheliegende „rettende Idee“ nicht zu kommen vermag, muss man ihm verzeihen. Wenn es um ihren „Schutz“ geht, kann man wohl erwarten, dass die GIs selbst zu denken anfangen.