„Das Mittelmeer ist voller Toter“
Streifzüge 41/2007
von Lorenz Glatz
Das verkündete der italienische Innenminister Amato Ende August. Es war Hochsaison für Arbeitsuchende aus Afrika, die Überfahrt nach Italien zu versuchen. Mindestens 800 Euro soll schon vor ein paar Jahren ein Platz in einem der Seelenverkäufer in Libyen gekostet haben. Aber dort muss eins erst einmal hinkommen. Ein Lotteriespiel, ob man auch durchkommt nach Europa. 400 Tote jährlich allein im Kanal von Sizilien, schätzt die italienische Polizei. Wie viele sind es auf dem Weg zu den Kanaren, vor dem spanischen Festland, vor Griechenland, wie viele auf dem Marsch durch die Sahara, wie viele an den anderen, langen Grenzen der Festung Europa?
Wer ankommt und nicht gleich wieder abgeschoben wird, darf, solange er/sie nicht erwischt wird, als Illegale(r) und Fahndungsobjekt der Polizei Arbeit suchen und hackeln. Das hält so nebenbei die Löhne niedrig.
Insassen der Festung schaudert es vor so viel Entschlossenheit und dem Gedanken, wie viele da wohl noch kämen, wenn es leichter ginge. – Der Leser „österreicher“ setzt, online bei „diepresse. com“, auf Abschreckung per Ersaufen-Lassen: „das beste mittel gegen dieses unwesen ist ein mittelmeer voller toter, und eine entsprechende berichterstattung darüber in den herkunftsländern…“. Ersaufen lassen soll die maltesische Küstenwache schon in natura praktizieren, auch Fischer, berichten Überlebende, tun es, helfen zuweilen noch mit Prügeln nach. Straflos. Doch wer Menschen rettet, riskiert Gefängnis wegen „Unterstützung von illegalen Immigranten“ wie die tunesischen Fischer, die am 7. August Leute von einem sinkenden Schlauchboot aufs nahe Lampedusa retteten, wo sie jetzt vor Gericht stehen.
Schwachsinn das Gerede von den betrügerischen Schleppern, den uninformierten Opfern – diese Anbieter brauchen im Trikont keine Marketingabteilung, die Nachfrage ist drängend, nicht einmal die mörderische Qualität der Dienstleistung schreckt ab. Wenn Menschen von Geld leben müssen, hört sich auf Dauer jede Rücksichtnahme auf: die auf das Leben der anderen, ja die auf das eigene.