Mentale Überlegenheit und militärische Kraft

Anmerkungen zum Nahostkonflikt

Streifzüge 37/2006

von Peter Klein

1.

Wenn man sich schon auf die von den politischen Akteuren vorgegebene Konfliktlinie einlässt – „Israel und der Westen“ einerseits, die immer mehr unter fundamentalistischen Druck geratenden Regime der islamischen Länder andererseits -, dann sollte man auch den zweiten Schritt tun und das reale militärische Kräfteverhältnis zwischen den staatlich organisierten „Subjekten“ zur Kenntnis nehmen. Man sollte realistischerweise nicht übersehen, dass die Überlegenheit des Westens, was die Zahl der verfügbaren und jederzeit einsatzbereiten Bomben (nuklear und konventionell), Raketen, Flugzeuge, Panzer, U-Boote, Flugzeugträger etc. angeht, ins Zigtausendfache geht. Die diplomatisch eher vorsichtige, sachliche, um Ausgleich bemühte Redeweise, mit der der „Westen“ den israelischen Rechtsstandpunkt vertritt, klingt sicher zivilisierter und annehmbarer als das Mordgeschrei der hunderttausend abgerissenen Gestalten, die etwa in Teheran demonstrieren, hat aber diese reale militärische Übermacht zu ihrer Grundlage.

2.

Da die westlichen Politiker öffentlich niemanden hassen oder verteufeln, sich vielmehr streng ans „Recht“ und an die entsprechenden Umgangsformen halten (sieht man einmal ab von Phänomenen wie Guantanamo-Bay oder Abu Ghreib, die eine Schwächung dieses Standpunktes bedeuten), muss man auch von einer mentalen Überlegenheit sprechen. Für den westlichen Menschen liegt das „Existenzrecht Israels“ auf einer Linie mit dem rechtsstaatlichen System, an das er angepasst ist und das dem Buchstaben nach auch seine eigene Existenz garantiert. In seinen Augen verlangt der Westen von den Palästinensern (und den islamischen Ländern) „nichts weiter“ als die Einhaltung jener auf das vereinzelte Individuum zugeschnittenen elementaren Grundregeln des Zusammenlebens, die eigentlich oder an sich für „alle Menschen“ gelten sollten. Er will mit dieser Haltung niemanden bedrohen, sie ist für ihn einfach normal und selbstverständlich. Es fehlt ihm mit anderen Worten das Bewusstsein, dass seine vom individualistischen „Menschenrecht“ geprägte Lebensweise eine historisch spezifische Art und Weise der Vergesellschaftung darstellt, die es zum Aussehen der „Normalität“ nur während eines relativ kurzen historischen Zeitabschnittes gebracht hat (nämlich in den fünfzig Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg). Imprägniert mit dieser Art „Normalität“ neigt er dazu, Menschen, die mit ihr nicht zurechtkommen oder sie gar ablehnen, von vornherein als irgendwie minderwertig, böse oder verrückt anzusehen. Und dass man „Verrückte“ oder „Wahnsinnige“ unschädlich machen muss, versteht sich von selbst – erst recht, wenn diese Verrückten, wie schon der flüchtige Blick in die Zeitung zeigt, bereits den „Finger am Abzug“, nämlich der Atombombe, haben.

Indem der Westen es versteht, seine Position als eine der Verteidigung, und zwar der elementaren Selbstverständlichkeiten des Zusammenlebens, darzustellen, entspricht er einem wichtigen Grundsatz der psychologischen Kriegführung. Die Soldaten brauchen das Gefühl, dass die eigene Sache gerecht ist, und das ist immer der Fall, wenn man angegriffen wird, wenn man sich zur Wehr setzen muss. Die meisten der Kriege, mit denen die Römer ihr Weltreich zusammenbrachten, dienten bekanntlich der Verteidigung ihrer Freunde und Verbündeten, die durch das unzivilisierte und bösartige Verhalten der angrenzenden Volksstämme in Bedrängnis geraten waren. Analoges galt während des vergangenen halben Jahrhunderts für den Westen unter der Führung der USA. Die USA sind fast in jeder Weltgegend militärisch präsent, aber niemals aus Eigennutz, sondern immer nur zur Verteidigung der „Demokratie“ und der allgemein menschlichen „Werte“. Im Falle Israels, das auf der Landkarte so winzig und unscheinbar aussieht, muss sich der „unvoreingenommene Beobachter“ sogar dazu gedrängt fühlen, von einer ausgesprochenen Notwehrsituation zu sprechen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Atombombe auf Teheran oder auf irgendeinen anderen Ort der islamischen Welt fällt, ist, allein was die technische Möglichkeit angeht, hundertmal größer als diejenige einer islamistischen Atombombe, die auf Haifa fällt. Wovor aber zittert die westliche Welt? Vor der virtuellen Atombombe des Iran. Und was schien ihr auch im Falle des Irak durchaus glaubhaft zu sein? Die berüchtigten, vom CIA lancierten „Massenvernichtungswaffen“ unter dem Kommando des Duodez-Halunken Saddam Hussein. Die psychologische Kriegführung wird von den USA, die Milliarden Dollar zur Finanzierung von so genannten gemäßigten Imamen ausgeben, also durchaus ernst genommen. Selbst Hitler, dessen Aggressivität (die sich freilich auch wieder aus einer strategischen Notwehrsituation herleitete – es galt ja den Überlebenskampf der germanischen Rasse gegen die demokratisch-bolschewistisch getarnte „jüdische Weltverschwörung“) für niemanden außer Zweifel stand, hielt es für opportun, den Angriff auf Polen als „Antwort“ auf einen von eben diesem Polen ausgehenden „aggressiven Akt“ (Überfall auf den Sender Gleiwitz) zu inszenieren. Vor diesem Hintergrund darf man die bekannte Äußerung Ahmadinejads, was ihren taktischen Wert anlangt, wohl wirklich als schwachsinnig oder wahnsinnig bezeichnen. Kein westlicher Politiker hätte sich zu einer so großen Dummheit hinreißen lassen. Hier scheint wirklich die Mentalität eines verzweifelten Selbstmordattentäters an die Regierung gekommen zu sein. Aber ist das ein Zeichen dafür, dass dem Iran ein effektiv organisierter „militärisch-industrieller Komplex“ zur Verfügung steht?

Gäbe es nicht den amerikanischen Präsidenten Bush und seine wenig souveräne Reaktion auf den 11. September – die mentale Stärke des „Westens“ wäre kaum noch zu steigern. Freilich könnte auch das Phänomen Bush ein Symptom der Schwäche sein – der beginnenden Schwäche, muss man im Falle des „Westens“ sagen. Die missionarische Sprache (noch dazu aus dem Munde eines Menschen, der geistferner nicht sein könnte) zeigt, dass die Zeiten des felsenfesten Glaubens vorbei sind. Die „westlichen Werte“ verstehen sich nicht mehr von selbst (weshalb seit einigen Jahren die Betonung eben auf „westlich“ liegt). Der Kurzsche „Weltordnungskrieg“ scheint wirklich begonnen zu haben. Allerdings wäre das gerade kein Argument dafür, dass man sich zur Abschätzung der weiteren Entwicklung ausgerechnet an den von den staatlichen Akteuren vorgegebenen Konfliktlinien zu orientieren hat. Die islamischen Länder haben es noch nie zu einer effektiv organisierten staatlichen Verwaltung gebracht (der Islam wäre sonst in stärkerem Maße zum privaten Bekenntnis herabgesunken) – und der Westen bröckelt.

3.

Auch die technische Beschaffenheit der Waffen, über die der Westen verfügt, gehört vordergründig noch zum Thema der mentalen Überlegenheit. Die Raketen und Flugzeuge, die zum Einsatz kommen, erzielen ihre vernichtende Wirkung auf sehr große Distanz. Die Entfernung zwischen dem Mann, der „auf den Knopf drückt“, und dem Feind, der getroffen wird, kann im Extrem mehrere tausend Kilometer betragen. Zwischen der unmittelbaren existenziellen Situation des Hightech-Soldaten und dem, was er existenziell anrichtet, befindet sich ein gigantischer Apparat von technisch-militärischer Logistik, der rein nach objektiven Kriterien funktioniert. Er verlangt vor allem Sachkenntnis zu seiner Bedienung. Der Pilot eines Phantomjägers muss höllisch aufpassen – aber nicht so sehr auf die vom militärischen Gegner her drohenden Aktionen (die sind in der Software dieses fliegenden Computers schon weitgehend berücksichtigt), sondern darauf, dass ihm beim Umgang mit seinem technisch überaus anspruchsvollen Mordinstrument kein Fehler unterläuft. Dieses Phänomen, dass der am „Apparat“ sitzende moderne Mensch von den existenziellen Wirkungen seines Tuns nicht mehr erreicht, nicht mehr berührt wird, hat Günter Anders schon vor langer Zeit in seiner „Antiquiertheit des Menschen“ beschrieben. Der Hightech-Soldat sieht die zerfetzten und verstümmelten Leiber, die das Werk seiner Sachkenntnis sind, nicht, er hört nicht die Schreie der Verletzten. Entsprechend gering ist der emotionale Einsatz, den er zu leisten hat. Er muss nicht grausam sein, um grausame Taten begehen zu können.

Hingegen scheint mir das kleine Rasiermesser, mit dem die Attentäter des 11. September den diversen Piloten – unbekannten Menschen, die ihnen persönlich nichts getan hatten – die Kehle durchschnitten, einen unerhörten, geradezu unmenschlichen Aufwand von Emotion zu erfordern. Wer so etwas fertigbringt, muss geradezu glühen vor Hass. Vielleicht muss er auch, da die Aktion ja über Jahre hinweg geplant und vorbereitet worden ist, schon wieder erstarrt und erkaltet sein – vor lauter Hass eine lebendige Leiche, ein Toter auf Urlaub. Nur ganz wenige Menschen sind dazu imstande, so beharrlich und zielstrebig zu hassen. „So etwas macht man nicht alle Tage“, hat Heiner Geißler seinerzeit ganz richtig bemerkt.

Eine Armee, die auf solche weltmeisterlichen Gefühlsqualitäten angewiesen wäre, die also, wie einst die alten Germanen, sich erst in einen „furor teutonicus“ hineinsteigern müsste, um ihre Waffen mit dem entsprechenden Nachdruck handhaben zu können, ist unter den heutigen technischen Bedingungen undenkbar. Eine reguläre Armee, die als das Rückgrat der Staatsgewalt fungieren soll, hat ein Apparat zu sein. Und ein solcher Apparat funktioniert umso besser, kann umso besser als ein Instrument eingesetzt werden, mit dem sich langfristig angelegte Operationen ausführen lassen, je weniger emotionale Eigendynamik er besitzt, je sachlicher, nüchterner, geschäftsmäßiger es darin zugeht. Die von lauter organisatorisch-technischen Notwendigkeiten bestimmte Armee des Westens dürfte in dieser Hinsicht kaum zu übertreffen sein. Wobei zu berücksichtigen ist, dass die technische Rationalität von der Job-Mentalität der Soldaten, die der Trend zur Berufsarmee mit sich gebracht hat (man kann das teure und komplizierte Gerät nicht irgendwelchen Wehrpflichtigen anvertrauen), auf das Vorteilhafteste ergänzt wird.

Die „Normalität“, auf deren Seite sich der westliche Soldat stehen sieht, ist gar nicht so sehr eine Angelegenheit der Weltanschauung oder der Überzeugung, sie charakterisiert seine Tätigkeit ganz unmittelbar. Er geht in die Army wie in die Fabrik. Und er erledigt seinen Job aus dem gleichen Grunde, aus dem es der Fabrikarbeiter tut, und – seiner Meinung nach – auch sonst alle Menschen einschließlich der „Terroristen“ tun oder tun sollten: um auf redliche Weise sein Geld zu verdienen. Die Bereitschaft zum reibungslosen Funktionieren wurde den preußischen Rekruten seit dem 17. Jahrhundert eingeprügelt als jener „blinde Gehorsam“, für den Preußen bis ins 20. Jahrhundert hinein berühmt gewesen ist. Etwas Ähnliches wie diese Blindheit aus Gehorsam, nur effektiver, erzielt die moderne Armee, indem sie das auf die Privatperson zugeschnittene „Eigeninteresse“ der Soldaten anspricht: das Interesse an einem „Arbeitsplatz in abwechslungsreicher und verantwortlicher Tätigkeit“ mit Kranken- und Rentenversicherung. Wenn man verstanden hat, dass die Lohnarbeit diese Art von Privatinteresse konstituiert, dann weiß man auch, dass die Blindheit bzw. Gleichgültigkeit gegenüber dem stofflichen Inhalt der Tätigkeit, gegenüber allen Arten von menschlichen Bezügen und Zusammenhängen, ihre Wesensbestimmung ist. Ohne Zweifel ist eine solche Armee, bei der das kaltblütige Funktionieren gleichsam zur Struktur geronnen ist, jenen Apparaten, die noch in stärkerem Maße mit ideologischem Dampf betrieben werden, mental überlegen. Der gepflegte „Finger am Abzug“ (oder am Knopf oder auf dem Screen) sollte uns jedenfalls mehr Sorgen bereiten als die „schwielige Faust“ des Teheraner Proletariers. Dass Saddam Hussein meinte, es mit dieser auf Effektivität (und sonst nichts) getrimmten Maschine aufnehmen zu können, spricht für seine Fantasie, die möglicherweise noch in den Modernisierungstraumgärten der Nasser-Generation lustwandelte, nicht für seinen Realismus. Das Schauspiel, das er der Welt geboten hat, war ganz gewiss nicht die „Mutter aller Schlachten“. Es handelte sich beim Golfkrieg von 2003 um einen späten und ausgesprochen schwächlichen Nachkömmling, um eine Art Hanno Buddenbrook der Militärgeschichte. Einerseits.

Andererseits könnte man aber auch zu dem Schluss kommen, dass die Schlacht noch im Gange ist – wenn auch irgendwie irregulär, nicht so, wie es sich nach den äußerst zivilisierten Maßstäben der westlichen Politiker gehört. In diesem Falle erhebt sich natürlich sofort die Frage, wie es mit der grandiosen, hocheffizienten, „im Felde“ nicht zu besiegenden Armee des Westens weitergeht. Wie sie mit einer Situation zurechtkommt, in der es gar keine regulären Armeen mehr zu besiegen gibt, die „Erniedrigten und Beleidigten dieser Welt“ aber dennoch keine Ruhe geben und mit Wut-, Hass- und Verzweiflungsaktionen aller Art auf sich als auf ein „Problem“, nämlich das des „Terrorismus“, aufmerksam machen. Wird ein Bär, der von zwei oder drei Wespen gepiesackt wird, „angemessen“ darauf reagieren können? Oder wird er nicht vielmehr auf Bärenart reagieren und mit seinen Bärenkräften um sich schlagen – ohne Rücksicht auf Kollateralschäden? Das eben ist die Frage, und der Irak, der abwechselnd wegen seiner (angeblichen) Massenvernichtungswaffen, wegen der (angeblichen) Verbindung zum 11. September, wegen des Erdöls, wegen des Giftgasangriffs auf kurdische Dörfer (der vom Westen seinerzeit heruntergespielt worden ist) und wegen eines auf Bush senior verübten Attentats als lohnenswertes Ziel ausgemacht worden war, stellt eigentlich bereits die Antwort dar. Der militärisch-technische Apparat funktioniert mit allen Begründungen und immer auf die für ihn spezifische Weise: Ein Anschlag wie der von 9/11, durchgeführt von zwölf oder achtzehn Männern, vielleicht mit 100 Mitwissern und Mithelfern im Hintergrund – und 150.000 Hightech-Soldaten werden in Bewegung gesetzt. „Irgendetwas“ musste schließlich geschehen.

Als es sich – etwa um 1968 herum – abzeichnete, dass das in Südvietnam installierte Regime den Guerilla-Aktionen des Vietcong nicht würde standhalten können, war die Reaktion ganz entsprechend. Nordvietnam und der vom „Feind“ besetzte Süden (später auch Kambodscha, über das ein Teil des vietnamesischen Nachschubs lief) wurden mit Bombenteppichen überzogen, die die Welt bis dahin noch nicht gesehen hatte. Was kann man von einer Armee, die über eine prächtige Bomberflotte verfügt, anderes erwarten? Das Potential, das man hat, wird natürlich eingesetzt. Auch die Atombombe wurde, kaum dass sie verfügbar war, eingesetzt – zwei Tage, nachdem Japan die Kapitulation angeboten hatte; glücklicherweise nicht ohne Bedingung: man wollte (was später ohnehin gewährt wurde) den Kaiser behalten, sodass der realitätsnahe Test der Bombe rechtlich einwandfrei, nämlich noch im Kriegszustand, durchgeführt werden konnte.

Das Problem sind nicht die taktischen oder strategischen Ideen der jeweiligen politischen Führung – die seinerzeitige „Dominotheorie“ wurde von dem seinerzeitigen Verteidigungsminister McNamara inzwischen als eine „bedauerliche Fehleinschätzung“ bezeichnet -, das Problem liegt in dem Vorhandensein des militärisch-logistischen Apparates als solchem. Er funktioniert, wie es in seiner Natur liegt, mögen der politischen Führung die strategischen Konzepte auch längst abhanden gekommen sein. Man denke etwa an die deutsche Armee im Zweiten Weltkrieg, die es, obwohl seit 1943, spätestens aber doch seit dem Juni 1944 in aussichtsloser Lage, aus eigener Initiative nicht fertigbrachte das Funktionieren einzustellen. Nehmen wir an, es gäbe in der Welt des globalisierten Kapitalismus so etwas wie eine strategische Ratlosigkeit. Die weltweit operierende Armee des Westens kann zuschlagen, wo immer sie will – dennoch gibt es (aus ganz und gar unerfindlichen Gründen, schließlich bedeutet die Okkupation durch den Westen für die Überlebenden allsogleich das Glück „freier Wahlen“), keinen Frieden. Die ohne Kriegserklärung (und also „völlig illegal“) operierenden „Terroristen“ vergiften das Investitionsklima, wo sie nur können. Dürfen wir erwarten, dass der militärisch-logistische Apparat in sich geht, dass er sich die verfahrene Situation zu Herzen nimmt, dass er sich bei der großflächigen Art seines Funktionierens für nicht zuständig erklärt? Solange er in seiner wundervoll effizienten Binnenrationalität intakt ist: leider nein.

Ein Szenario ist denkbar (und in meinen Augen sogar sehr wahrscheinlich), in dem man, um einige hundert „für die ganze Welt gefährliche Terroristen“ unschädlich zu machen, leider nicht umhin kann – die westlichen Politiker werden das routiniert bedauern -, eine oder mehrere Millionen Menschen atomar auszulöschen. Darin, dass man ganze Weltregionen als „Brutstätten des Terrorismus“ oder als „Achse des Bösen“ bezeichnet, kündigt sich, so scheint mir, dieses flächendeckende Handling des „Problems“ bereits an. Und wenn ich an die bekannte Äußerung des französischen Präsidenten erinnern darf, so ist ja auch sie nichts anderes als die gedankliche Vorbereitung dieses Szenarios. Es ist zu befürchten, dass eine antikapitalistische Bewegung von einiger Kraft und Nachhaltigkeit, die das „System Westen“ auch mental zu destabilisieren vermöchte, erst nach so einem Atomschlag in Gang kommen wird. Sie wäre jetzt schon vonnöten – nicht nur um diesen atomaren Wahnsinn zu verhindern, sondern um den Konflikt überhaupt zu entschärfen. Denn nur eine solche Bewegung könnte den islamischen Massen signalisieren, dass der „Westen“ kein einheitlicher, in sich widerspruchsfreier Block ist, in dem die demokratische Gehirnwäsche zur totalen Gleichschaltung der Meinungen (oder schlimmer noch: zur totalen Gleichgültigkeit gegenüber jeder Art von existenziellem Leid) geführt hat. Nur sie könnte Platz für den Gedanken schaffen, dass der generalisierende, flächendeckende Umgang mit Konflikten, bei dem Millionen Menschen in Haftung genommen werden für die Entscheidungen weniger, in niemandes Interesse liegt, auch nicht im Interesse des Teheraner Proletariers.