André Gorz brieflich
zum Grundeinkommen und zu damit zusammenhängenden Fragen
André Gorz hat in „Grundeinkommen. Soziale Sicherheit ohne Arbeit“ (Hg. : A. Exner, W. Rätz, B. Zenker; Deuticke-Verlag 2007) seinen letzten theoretischen Artikel (Vorabdruck in Streifzüge 40, 2007, S. 5-7) veröffentlicht: „Seid realistisch – verlangt das Unmögliche“.
Seine Auffassungen hatte er bis zuletzt weiterentwickelt. Seinen Buchbeitrag schließt André Gorz, in Hinblick auf die emanzipative Bedeutung, die ein Grundeinkommen haben könnte, mit den Worten: „Seine Funktion könnte allein darin bestehen, während des Zusammenbruchs der Warengesellschaft oder vor ihm den Übergang zu neuen Produktionsverhältnissen einzuleiten“.
Im Folgenden seine Bemerkungen in Briefen an Andreas Exner zu seinem Text und einigen Fragen, die sich ihm im Zusammenhang damit ergaben.
10.8.06
… Wenn es Ihnen Recht ist, werde ich den Abschnitt „Die Vielgestaltigkeit von Existenzgeld“ im Kapitel III/4 von Wissen, Wert u. Kapital wiederaufarbeiten1. Ihre Kritik an den meisten Vorstellungen vom Grundeinkommen teile ich durchaus…
13.1.07
… Der Artikel hier2 ist eher eine Diskussion mit einigen Gegnern u. mit mir selbst. Er entspricht nicht mehr dem, was Sie von mir erwarteten. Gegenüber der (auch hier zitierten) Stellungnahme im 2000 bei Suhrkamp erschienenen Band habe ich meine Meinung geändert3. Das kam schon am Ende von Wissen, Wert u. Kapital zum Ausdruck. Die wenigsten bemerkten es.
In Ihrem Streifzüge-Artikel (von 2004, Nr. 32) zitieren Sie den Artikel von Robert Kurz in Krisis 19. Ich habe mich immer gewundert, wie er sich einen graduellen, glatten Übergang zum Post-Kapitalismus, mit einer dual-ökonomischen Übergangsphase vorstellen kann. Vor 10 Jahren (und 20 Jahren) wagte ich das auch, kam jedoch zum Schluss, dass das Unsinn ist. Man kann den Kapitalismus nicht heimlich abschaffen, ohne dass er das gleich erkennt. Das Krisis 19 Heft muss ich mir jetzt unbedingt beschaffen…
30.1.07
… Haben Sie vielen Dank für die Krisis 19…
5.7.07
Für Krisis 19 muss ich mich noch einmal bedanken. Dass die Überwindung des Kapital-/Warenverhältnisses damit beginnen kann, Gebiete dem Kapitalismus zu entziehen u. in ihnen selbstorganisierte Selbstversorgung jenseits Markt u. Geld zu betreiben u. von den entzogenen Gebieten stromaufwärts andere, komplementäre zu besetzen, erinnert mich an den schwedischen Meidner Plan. Die Frage ist: Wie lange werden sich das die herrschenden Mächte ansehen? Bergmann hat die Frage aufgeworfen. Norb. Trenkle auch (in Krisis 15). Machbar dürfte dieser „lange Marsch“ nur in Situationen des Zusammenbruchs sein, wenn bereits Kristallisationskerne einer Antiökonomie bestehen. Immerhin – der Kurz-Essay in Krisis 19 bekräftigt mich in der Meinung, dass die Trennung zwischen Produktion u. Konsumtion – Produzenten u. Konsumenten – das größte Hindernis auf dem Weg aus dem Kapitalismus hinaus ist.
Was ich diesbezüglich geschrieben habe, gibt es nur auf französisch u. z. T. englisch…
Fußnoten, A. E. :
1: erschienen im Rotpunktverlag, 2004
2: Gemeint ist sein Buchbeitrag „Seid realistisch – verlangt das Unmögliche“, den er zugleich mit einem Begleitschreiben, aus dem Obiges zitiert ist, übermittelte
3: Arbeit zwischen Misere und Utopie