„Wir reden nicht, wir machen es einfach!“
Streifzüge 34/2005
2000 Zeichen abwärts
von Achim Bellgart
Unter diesem Motto preist ein Hamburger Internet-Provider seinen neuesten DSL-Tarif an. „Bei mehr als 5 Millionen Arbeitslosen in Deutschland hat die Angst einen Namen: Hartz IV. Gerade diejenigen, die einen Arbeitsplatz verloren haben, müssen mit jedem Euro rechnen. Da wird auch der Internetzugang schnell zur finanziellen Last. Diesen Menschen hilft Faventia.“ Nämlich so: Unter der sozialinfernalischen Tarifbezeichnung „Hartz IV“ können ALG2-EmpängerInnen im Internet surfen, wenn sie ihren Bescheid an den Provider gefaxt habenSeit Februar war das Angebot kostenlos, ab Mai kostet es immer noch nur armenfreundliche 1,99 Euro pro Monat. Dabei können immerhin bis zu 4 Gigabyte Datenvolumen runtergeladen werden. „Genau richtig für ausgiebige Job-Recherchen im Internet! „, meint der Anbieter. Wir haben nachgerechnet: Wer das Volumen mit Job-Recherche ausschöpfen will, müsste pro Werktag im Umfang von 20.000 Streifzüge-Seiten Stellenanzeigen studieren…
Da lassen sich über die vielen Bytes doch nettere Inhalte transportieren. Das weiß natürlich auch Faventia. Die landen einen Marketing-Gag auf Kosten der Arbeitslosen, die wiederum auf Kosten von Faventia Musik aus dem Netz runterladen können.
Dem gleichen Motto wie Faventia scheint der Bremer Wirtschaftssenator Gloystein zu frönen. Bei der Eröffnung eines Weinfests schüttete er im Mai einem Obdachlosen, dessen Anwesenheit ihn störte, Sekt über den Kopf. Da war er wohl ganz bei sich; das einem konservativen Politiker berechtigterweise zu unterstellende Gefühl, „dieses Gesocks gehört weg! „, wandelte sich unmittelbar in die Tat um. Natürlich musste er dafür seinen Hut nehmen, denn in Zeiten der political correctness will auch das Verhöhnen gelernt sein. Kundenfreundlicher Zynismus à la Faventia ist angesagt, noch. Gloysteins Art von Almosen weist die Richtung, die die Verhöhnung der in diesem System Überflüssigen nehmen wird: rabiater, isolierender und inhumaner.
A. B.