Wiederentdeckung der Faulheit
Kritische Würdigung einer arbeitskritischen Polemik
Streifzüge 35/2005
von Michael Katzmayr
Was braucht ein Bestseller? Eine launig-ausgefeilte Sprache und ein paar gezielte Tabubrüche, die an den wackeligen Fundamenten unserer Gesellschaft rütteln. Im Fall von Corinne Maier klingt das so: „Das Unternehmen ist am Ende. Man muss den Tatsachen ins Auge sehen: Es ist nicht mehr der Ort des Erfolgs. Der soziale Aufstieg ist blockiert. Die Sicherheitsgarantie der Diplome schwindet dahin, die Renten sind in Gefahr, und die Karriere ist nicht mehr selbstverständlich. Die Sechzigerjahre mit ihrem Fortschrittsfieber, in denen die Karriere wie selbstverständlich gesichert war, liegen weit hinter uns“ (S. 15).
Ganz schön heftig für eine arbeitskranke Gesell- und Leserschaft, spricht doch der staatstragende, neoliberale Diskurs eine gänzlich andere Sprache: Er besingt das Unternehmertum in höchsten Tönen und spart nicht mit moralisierenden Aufrufen zur persönlichen Leistungssteigerung. In der Tat lässt Corinne Maier in ihrer Streitschrift, die sich vorwiegend an mittlere Angestellte in staatsnahen Betrieben richtet, kaum eine Gelegenheit aus, um – dem Selbstbild der offiziellen Arbeitsgesellschaft ganz entgegengesetzt – die Zumutungen des real existierenden Arbeitslebens zu beschreiben.
Fremdsprachen sind wichtig im Beruf
Ihre Ausführungen zeichnet ein überzeugender Ekel vor dem Kapitalismus aus: Die Herabwürdigung von Menschen zum Humankapital ist ein wesentlicher Ansatzpunkt ihrer Kritik. Wie das zu einem allgemeinen Kulturverlust führt, veranschaulicht Maier unter anderem an der Figur des Managers, den sie als kulturell substandardisierten, vom Unternehmen hervorgebrachten „homo economicus cretinus“ (S. 99) charakterisiert. Der Besagte zeigt seine an renommierten Business Schools erworbenen Fähigkeiten in einer Art Orwellschen Neusprechsvor: in einer nebulösen, von falsch übernommenen Anglizismen strotzenden Phrasenansammlung. Immerhin können damit Nullaussagen in allgemein unverständliche – deshalb auch tendenziell konsensuale – Wortgebilde übergeführt werden. Das Humankapital unterhält sich solcherart über task forces, die irgendetwas initialisieren oder finalisieren, Kontrolleinheiten einrichten oder ein Reengineering durchführen sowie wahlweise Pertinenz, Kompetenz, Effizienz, Kohärenz und Kongruenz optimieren, koordinieren, positionieren oder gar positivieren. Auch wenn der smarte Manager unverfänglich von Entlassung reden will, greift er auf seinen gut sortierten Neusprech-Baukasten zurück und sagt: „Ich mache das follow-up des merging-project mit einem coach, ich checke das downsizing“ (S. 39).
Von der inneren Kündigung zur Kapitalismuskritik?
Als Fazit gibt Maier am Ende ihres Buches Empfehlungen dazu ab, wie durch Dienst nach Vorschrift und bewusstes Unterminieren der Unternehmensziele die Menschenwürde wiederzuerlangen sei. Maier empfiehlt die innere Kündigung und möglichst wenig im Unternehmen zu arbeiten, ja sich darin regelrecht zu verschanzen – und zwar am besten in Stabsstellen oder anderen geruhsamen Orten, wo der Arbeitseinsatz schwer zu messen sei. Eine Führungsposition sollte deshalb unter allen Umständen vermieden werden. Anstatt produktiv zu arbeiten, sei ausschließlich das Ziel zu verfolgen, sich ein persönliches Netzwerk aufzubauen, um im Falle einer Umstrukturierung möglichst unantastbar zu sein. Zusammengefasst: Innerhalb des Unternehmens etwas ändern zu wollen sei sinnlos, die einzige realistische Chance bestehe darin, es sich einigermaßen gut einzurichten.
Grundlage dieser Empfehlungen ist eine allgemeine, am Unternehmen festgemachte Kapitalismuskritik. Maier beklagt, dass Unternehmen und ihre Produktionslogik zunehmend zum primären Bezugssystem der Gesellschaft geworden seien: „Das Unternehmen vereinnahmt und entstellt alles, was in seine Reichweite kommt, und zugleich färben seine , Werte‘ darauf ab, breiten sich aus und besudeln alles wie eine Ölpest. So ist mittlerweile das öffentliche Krankenhaus vom Managervirus befallen und ergeht sich hemmungslos in einem bezeichnenden Vokabular, das mit , Marktlücken‘, , Produktivitätsreserven‘ und , Klienten‘ durchsetzt ist. Auch die Schule hat es erwischt: Immer öfter tauchen , Kompetenzbilanzen‘ in , Schulprojekten‘ auf, die ihren Niederschlag in , Lernzielvereinbarungen‘ mit den Schülern finden“ (S. 78f. ).
Allerdings bleibt diese Kritik mitunter an der Oberfläche und ist nicht frei von Widersprüchen: So betont Maier zwar durchaus, dass die steigende Arbeitslosigkeit systemisch im Kapitalismus angelegt sei und argumentiert, dass die Managementgesellschaft sich unproduktiv – wie in einem Hamsterrad – bloß um sich selbst drehe im verzweifelten Versuch, sich angesichts überflüssiger Arbeitskraftreserven munter weiter zu beschäftigen. Allerdings wird die soziale Grundproblematik der warenproduzierenden Gesellschaft – der Zwang zur fortschreitenden Rationalisierung von Arbeitskraft – nicht konsequent zu Ende gedacht. So spricht Maier z. B. von der Globalisierung, als wäre sie die wesentliche Wurzel der kapitalistischen Übel: „In diesem Apfel steckt der Wurm“ (S. 127). Dass die so genannte Globalisierung in Wahrheit keineswegs ein neues Phänomen, sondern, wie etwa die Weltsystemtheorie Immanuel Wallersteins nahe legt, eine letztlich unabdingbare Folge und seit langem beobachtbare Begleiterscheinung des Kapitalismus ist, wird von Corinne Maier nicht angedacht.
Fazit: Erste Hilfe-Koffer bei Unternehmenskoller
Es wäre überzogen, die „Entdeckung der Faulheit“ an jenen Kriterien zu messen, die für eine fundierte Kritik der Arbeitsgesellschaft gelten. Das Ziel des Buches ist nicht die grundlegende Analyse ihrer inneren Widersprüchlichkeiten, sondern der Tabubruch. Es begnügt sich deshalb zu Recht damit, das von neoliberalen Mythen umrankte Konzept des Unternehmens und des in ihm werkenden Humankapitals gehörig zu entzaubern. Die Handlungsempfehlungen zur befreienden inneren Kündigung seien leidgeprüften Lesern als Erste-Hilfe-Maßnahme bei untragbaren Zuständen durchaus ans Herz gelegt. Und wer weiß: vielleicht dient die Schrift der einen oder anderen ja auch als Einstiegslektüre für eine fundierte Auseinandersetzung mit der Arbeits- und Warengesellschaft. Dergleichen soll schon vorgekommen sein.
Corinne Maier: Die Entdeckung der Faulheit. Von der Kunst, bei der Arbeit möglichst wenig zu tun, 155 Seiten, Goldmann Verlag, München 2005.