Roter Oktober in der Steiermark?
ÖVP verliert, SPÖ gewinnt, KPÖ dritte Kraft
von Franz Schandl
Es gibt nicht nur schlechte Wahlergebnisse, nein, dieses ist zweifellos eines der besten, das Österreich in den letzten Jahrzehnten zu bieten hat.
Nach 60 Jahren geht die Vorherrschaft der christlichsozialen ÖVP in einem ihrer Kernländer zu Ende. Die Steiermark galt Jahrzehnte als sicherer Erbhof der Volkspartei, von 1945 bis heute regierte sie die grüne Mark, 39 Jahre davon Vater und Sohn Josef Krainer. Die steirische ÖVP ist neben der niederösterreichischen auch stets die mächtigste Landesorganisation der Bundespartei gewesen. Sie war maßgeblich beteiligt bei der Bestellung und Entsorgung von Bundesparteiobmännern und Bundeskanzlern. Ihr Programm nach 1945 bestand in der Integration der Nazis, was Jahrzehnte die Mehrheit sicherte, ebenso gelang ihr Anfang der Siebziger die Heimholung nicht weniger Achtundsechziger. Von weit rechts bis linksliberal, von katholisch bis ökologisch versuchte sie einiges abzudecken. Auf kultureller Ebene war man sehr auf Offenheit bedacht und durchaus toleranter als die Schwarzen im übrigen Österreich.
Diesmal jedoch verspielte die amtierende Landeshauptfrau Waltraud Klasnic einen satten Vorsprung von 15 Prozent. Vor allem die Gegenkandidatur von Gerhard Hirschmann, dem Ex-Landesrat und ehemaligen Kronprinzen des jüngeren Krainer, machte der Partei schwer zu schaffen. Dazu kamen noch termingerecht diverse Skandale und Peinlichkeiten zum Vorschein. Da übte sich die christliche Landesparteizentrale etwa in der Anleitung und Anstiftung untergriffiger Postings und Leserbriefe. Freilich wurden diese den politischen Gegnern zugespielt und so ebenfalls zum Bumerang.
Aber nicht nur die ÖVP erlebte ein Debakel, sondern als Draufgabe auch noch alle anderen, die rechts von ihr anzusiedeln sind. Auch Haiders Spaltprodukte sind nicht mehr im Landtag vertreten, die FPÖ verfehlte knapp den Einzug und Haiders BZÖ schnitt mit mageren 1,7 Prozent katastrophal ab. Bei den zwei noch ausstehenden Landtagswahlen in Wien und im Burgenland dürfte es ihnen nicht viel besser ergehen. Ebenso abgestürzt ist die Liste Hirschmann, der es zwar gelungen ist, Waltraud Klasnic in einer wahren Schlammschlacht nachhaltig zu schwächen, doch blieb Hirschmann dabei selbst auf der Strecke.
Beachtlich, ja außergewöhnlich ist das Ergebnis, das die bundesweit kaum existente Kommunistische Partei Österreichs mit ihrem Zugpferd, dem Grazer Wohnbaustadtrat Ernest Kaltenegger, eingefahren hat. 6,3 Prozentpunkte bedeuten eine Versechsfachung der Stimmen, die KPÖ ist somit mit vier Mandaten im Landtag vertreten und zur drittstärksten Kraft des Landes aufgestiegen. Zwar sagten die Meinungsumfragen ein noch besseres Abschneiden voraus, doch so ganz wollte man diesen Prognosen in der Partei nie trauen. Zu Recht, man gehört ja nicht zu den Erfolgsverwöhnten.
Die KPÖ macht zwar traditionalistisch auf „Arbeiterpartei“, die Zusammensetzung ihrer Wähler schaut aber anders, nämlich viel bunter aus. Mehr als die Hälfte der neuen Stimmen kommen entweder aus dem Nichtwählerbereich oder von ÖVP und FPÖ. Die Überlegung der Christkonservativen, dass die KPÖ hauptsächlich der SPÖ schaden würde, erwies sich als Trugschluss. Die flexibilisierten Wähler sind immer weniger nach politischen Lagern sortiert, als die Parteien glauben und wünschen. Kaltenegger und Co. wurden jedenfalls nicht gewählt, weil sie Kommunisten sind, sondern obwohl sie welche sind. Ausschlaggebend waren weniger bestimmte Inhalte als Eigenschaften wie Glaubwürdigkeit, Seriosität und effektive Hilfestellung. Man sollte daher vorsichtig sein von einem Linksruck zu sprechen. Der in der Alpenrepublik stark verankerte Antikommunismus hat zwar eine empfindliche Niederlage erlitten, aber deswegen hat nicht schon der Kommunismus einen Sieg errungen.
Laut Wählerstromanalysen ist die KPÖ nicht vorrangig die Partei der Arbeiter und Pensionisten, bei letzteren hat sie sogar schlecht abgeschnitten, während sie bei den Jungwählern mit 11 Prozent ausgesprochen gut liegt. Am besten freilich war das Ergebnis in der Landeshauptstadt Graz, wo man knapp über 14 Prozentpunkte einfuhr. Interessant auch, dass die KPÖ ausgerechnet in der bürgerlich geprägten Innenstadt 17,9 Prozent holte. Die SPÖ liegt hier nur knapp vor ihr. Selbst im erzkatholischen Wallfahrtsort Mariazell steigerten die Kommunisten ihren Stimmenanteil von 0,4 auf 5,3 Prozent.
Verschweigen darf man allerdings auch nicht, dass die etablierten Medien den Wahlkampf der Kaltenegger-KPÖ äußerst wohlwollend begleiteten und sich kaum Attacken und Ausfälligkeiten erlaubten. Im Gegenteil, Kaltenegger, vom Typus her der absolute Antistar, wurde regelrecht hofiert und als „Engel der Armen“ aufgebaut. Manchmal beschleicht einen der Verdacht, dass man sich in einigen Redaktionen dem prickelnden Gefühl hingeben wollte, Kommunisten zu protegieren. So als Giftspritze und Regelverstoß gegen die grassierende Langeweile.
Mit solch eigenartigen Konstellationen hat man in den Parteizentralen nicht gerechnet, für solche Fälle war nicht vorgesorgt, obgleich man es nach den Grazer Gemeinderatswahlen (KPÖ 21 Prozent) hätte ahnen können. In höchster Not packte daher die ÖVP die rote Katze aus und schaltete ganzseitige Anzeigen, wo sie vor dem Kommunismus warnte. Dem aus der Steiermark kommenden Wirtschaftsminister wurde kotzübel und der Bundeskanzler verglich die Kommunisten gar mit den Nazis. Die KPÖ ließ sich jedoch nicht provozieren, ja sie gab sogar die Existenz der roten Katze postwendend zu, indem sie zur allgemeinen Erheiterung ein Foto des schlafenden roten Parteikaters Maiki veröffentlichte. Die Partei hat sich jeder Aggressivität enthalten. Im großen Getöse von Skandal und Bezichtigung war es ihrerseits ein Wahlkampf der leisen Töne. Kaltenegger betonte unentwegt, man werde nicht besser, indem man die anderen schlecht mache.
Die ÖVP schien mit ihrem Latein jedenfalls am Ende. Die Politprofis sahen absolut hilflos aus. Reinhard Lopatka, der aus der Steiermark stammende Generalsekretär, der maßgeblich für den Sieg der Bundes-ÖVP bei der letzten Nationalratswahl 2002 verantwortlich gewesen ist, wusste nur noch zu hetzen. Die antikommunistische Kampagne dürfte der KPÖ auch teilweise geschadet haben, der ÖVP genutzt hat sie nicht, sie hat möglicherweise sogar die drei Prozentpunkte, die sie jetzt hinter der SPÖ liegt, dieser aus dem potenziellen kommunistischen Wählerreservoir zugetrieben. Den Sozialdemokraten und ihrem Spitzenkandidaten und zukünftigen Landeshauptmann Franz Voves ist der Sieg wahrlich mehr zugefallen, als dass sie ihn erkämpft hätten. Das war ein Erfolg im Windschatten, so deutlich das Plus auch zu Buche schlägt. Manchmal hatte man den Eindruck, dass das eigentliche Match nicht ÖVP gegen SPÖ, sondern ÖVP gegen KPÖ lautete.
Der Koalition in Wien ist mit diesem Resultat ein schwerer Schlag versetzt. Die ÖVP befindet sich auf der Verliererstraße und Haiders Orangenpartei BZÖ wird immer mehr zu einer Nullnummer. Schüssel kommt also der mögliche Koalitionspartner abhanden. Wenn SPÖ-Chef Gusenbauer nicht eine allzu große Pannenserie bis zur nächsten Wahl hinlegt, dürfte die schwarz-orange Koalition im Herbst 2006 zu Ende gehen. Des Vorsitzenden Geschick hält sich aber in Grenzen, und Schüssels Trickkiste dürfte noch nicht leer sein. Aber wenn Angela Merkel Kanzlerin wird, warum soll es dann Alfred Gusenbauer nicht auch schaffen?