Nierenverkäufer

Über das Ersatzteillager Mensch

von Franz Schandl

„Prima Sonderangebot“, inserierte unlängst ein Wiener: „Wer braucht meine Niere? A1 positiv. Gesund. Nichtraucher. Anti-Alkoholiker. Fixpreis 150.000 Euro.“ Legal kann solch Transaktion freilich nicht ablaufen. „Spenden sind nur zwischen Verwandten und guten Freunden erlaubt“, hält etwa das Wiener Allgemeine Krankenhaus (AKH) fest. Und auch da darf offiziell kein Geld im Spiel sein. Selbst die Internetbörse eBay sah sich vor einigen Monaten gezwungen mitzuteilen, dass das Versteigern menschlicher Organe verboten sei. Bei „illegalem Organhandel“ tritt zur Zeit noch die Staatsanwaltschaft auf den Plan. Alles geht nicht oder auch bloß: noch nicht!

Vielleicht war der einfallsreiche Mensch, der sich ein besseres Leben ermöglichen wollte, nur seiner Zeit voraus. Keineswegs ist er ein Einzelfall. Auch auf der Homepage von 3sat können wir lesen: „Ein Mann bietet eine seiner Nieren im Internet an. Nicht in Bombay oder Osteuropa – er ist Deutscher und meint es ernst. Der arbeitslose Bauarbeiter ist verschuldet, will sich selbstständig machen und eine neue Existenz aufbauen.“

Schon mehren sich Stimmen, die für eine umfassende Legalisierung eintreten. Der Konstanzer Wirtschaftswissenschaftler Prof. Friedrich Breyer fordert in der ARD-Dokumentation „Organe gegen Geld“ offen einen staatlich organisierten Organmarkt. „Wir sehen, dass auf den meisten Märkten Knappheit beseitigt wird, indem Preise gezahlt werden, die so hoch sind, dass es sich für Anbieter lohnt, das Gut herzugeben. In diesem Falle denke ich an Menschen, die bereit sind, für sagen wir mal 100.000 Euro auf eine ihrer Nieren zu verzichten.“ Breyer hält es für „absolut legitim, dass jemand eine Niere verkauft, um sich eine Existenz aufzubauen oder um sich etwas leisten zu können, was er sich mit dem normalen Einkommen nicht leisten kann. “

In Internetforen, z. B. auf der „Futurezone“ des ORF, wird daher in erschreckender Offenheit darüber diskutiert, was für und gegen den Verkauf von Nieren spricht. Die Befürworter des freien Handels betonen das Recht des Privateigentümers. Es ist heilig und thront über allem. Das Verkaufsrecht dürfe nicht eingeschränkt werden. Der Handel scheint lukrativ und die Behauptung, dass doch der eigene Körper samt aller Verfügungen letztlich dem Privatbesitzer gehört, widerspricht der bürgerlichen Logik nicht nur nicht, sie entspricht dieser in ihrer reinsten Form. Vom Markt aus betrachtet ist der Verkauf von Nierentüchtigkeit nichts anderes als der Verkauf von Arbeitskraft. Beide Male verfügt ein Verkäufer frei über eine Ware, die nachgefragt wird. Und wenn schon keine Arbeitskraft mehr zu verkaufen ist, warum nicht eine Körperfunktion. Nur nicht heikel sein!

Wo man alles verkaufen kann, verkauft eins sich auch als Ersatzteillager. Warum nicht? Wenn’s ein Geschäft ist. Dass der Körper veräußerbar ist, ist ja nicht neu, neu hingegen ist, dass diese Veräußerlichkeit in Einzelteile zerlegbar gemacht werden soll. Im Extremfall könnte man dann freilich sich auch ganz selbstbestimmt (aus)schlachten lassen, um etwa seine Angehörigen schuldenfrei zu machen oder ihnen ein angenehmeres Leben zu ermöglichen. Vielleicht könnte man die vom Weltmarkt abgeschobenen und nutzlosen Subjekte ja umwandeln in eine große Organbank, in ein Reservoir für alle Reichen dieser Welt. Die Niere bietet sich da ganz besonders an. In Brasilien gibt es sie angeblich schon ab 20.000 Dollar zu kaufen. Aber es soll noch billiger gehen, zumindest im Verkauf. In Moldawien, wo das durchschnittliche Monatseinkommen bei umgerechnet 30 US-Dollar liegt und jeder zweite erwerbslos ist, wirbt man junge Männer an, verfrachtet sie in türkische Kliniken, entnimmt ihnen eine Niere und zahlt ihnen 3000 Dollar. Für manche dürfte dies sogar das Geschäft des Lebens gewesen sein oder noch werden…