Ist die Esoterik auf den Hund gekommen?
von Maria Wölflingseder
In den letzten 25 Jahren hat es die Esoterik-Bewegung glänzend geschafft, mittels völlig verquerer Denkkapriolen die unmenschlichen Verhältnisse schön zu phantasieren. Diese intellektuellen Mucken haben aber auch die Blut-Hirn-Schranke der Allgemeinheit ohne Hindernisse passiert. Die Zauberwörter lauten: Positives Denken, Yin und Yang, ganzheitlich, spirituell u. v. a. Aber nicht, dass Sie glauben – wie immerzu suggeriert wird -, mit Positivem Denken soll etwas Positives, also etwas Schönes, Angenehmes, Menschenwürdiges, geschaffen werden. Nein, es dient dazu, den Wahnsinn, also das Negative, positiv zu sehen! Das Wort „positiv“ heißt ja affirmativ, bejahend. Auch von der Krieger-Kaste in asiatischen Religionen bis zu den „Business-Kriegern“ im weißen Westen ist der Weg nicht weit.
Wer ein Bewusst Sein aufschlägt, das auflagenstarke monatliche Magazin mit Werbung für Seminare, Ausbildungen und Veranstaltungen der Esoterik-Szene im deutschsprachigen Raum, wird sich wundern, warum es hier zunehmend von allem möglichen Getier wimmelt: Delphine und Pferde, Vögel mit riesigen Schwingen, Hunde und Katzen, Otter und Schmetterlinge, Löwen und Meerschweinchen.
Zweifelsohne sind Tiere wie die Pflanzenwelt ein wichtiger Teil des planetaren Daseins – auch für die Menschheit. Der Mensch hat sich ja nicht von der Natur abgesondert, sondern besondert (Franz Schandl). Jeder menschliche Embryo macht noch die stammesgeschichtliche Entwicklung durch. Dem Artensterben bei Pflanzen und in der Folge bei Tieren (weil ihnen die Nahrung abhanden kommt) ist sofort Einhalt zu gebieten. Generell hat der Kontakt zwischen Mensch und Tier durchaus bereichernde Momente. Aber wie sich der Kontakt zwischen Mensch und Tier im Besonderen gestaltet, muss wohl als „abartig“ bezeichnet werden. Die Massenhundehaltung in der Stadt mit den tonnenschweren Folgen der Geschäftsfreiheit der Vierbeiner steht in ihrer fahrlässigen Gesundheitsgefährdung durch Viren, Bakterien, Würmer und Wurmeier den übrigen Umweltgefahren in nichts nach. Abhilfe könnte da nur die gute, alte Idee eines Freundes schaffen: Hunde für Stadtbewohner nur gegen ärztliche Verschreibung.
Während man den Haustierfilm Tierische Liebe (Österreich 1995) von Ulrich Seidl (er ist auch der Regisseur von Hundstage, 2001 – kein Tierfilm) noch mit „Petting with pets“ zusammenfassen könnte, scheint nach der Ära der Domestizierung von Tieren nun die ihrer Vergeistigung, ihrer Spiritualisierung angebrochen zu sein.
Die Beispiele dafür im Bewusst Sein sind zahlreich: „Im Kreis der Kraft-Tiere Ganzheit erfahren: Geführte Imaginationsreisen zu unseren , inneren Begleitern‘ – den Chakren-Tieren – ermöglichen ein Eintauchen in eine höhere Weisheit und eine intensive persönliche Entwicklung in Richtung Unabhängigkeit, Lebenskraft und Selbstliebe. So werden Zugänge zum eigenen inneren Wissen jenseits von äußeren Beurteilungen eröffnet.“ So wie Religion ein Füllhorn für beliebige Inhalte ist, so erhalten Tiere nun die Funktion einer Medizin gegen unsere Zivilisations(geistes)krankheiten. Sie dienen als Projektionsflächen für unsere Phantasien, als lebendige, mystische Katalysatoren für die Erfüllung unserer Wünsche.
„Die Tierflüsterinnen sind da. Basis-Workshop in telepathischer Tierkommunikation: Verstehen Sie, was Ihr Tier Ihnen sagen will und tauchen Sie ein in einen lebendigen Dialog.“ „Finden Sie zurück zu dem Wissen, das Sie von Geburt an in sich tragen.“ (www. tierkommunikation. biz, www.tierkommunikatorin.at, www. christinetetau. de) Je versklavter der Mensch wird, desto verquerer seine Pseudobefreiungen: Neben einem Adler mit ausgebreiteten Schwingen steht geschrieben: „Die Bäume leben ihr Leben, die Blumen leben ihr Leben, die Vögel leben ihr Leben. Alle Lebewesen leben ihr Leben. Sie leben natürlich, ehrlich und authentisch. WAS IST MIT DIR? Wenn die Freiheit Dich ruft, folge ihr … zu Dir selbst. Es ist Deine Entscheidung. Du bist frei. Lebe Dein Leben! “ Eine Spur bescheidener macht’s der Otter: Im „Otter NLP Einführungsseminar“ zeigt er dir, „wie du als Erwachsener mit deinem inneren Kind Kontakt aufnehmen kannst. Taucht der Otter auf, bist du gleich gut drauf. Der Otter lehrt uns Gefühle auszudrücken und ruft uns auf neue unkonventionelle Wege zu gehen und erfinderisch zu sein“. Reisen und Ausbildungen lassen sich besonders gut verwerten: „Schwimmen mit Delphinen und andere Reisen auf Bali, Hawaii, Gomera. Schwitzhütte, Seelenrückholung, Aufstellungen in und um Wien.“ Die Lehrerin der Sunrise Schule für „Tiermedium/Tierlichtheiler“ schmust mit einem fetten Hamster, oder ist es ein Meerschweinchen?
Was das animalische Terrain betrifft, braucht Esoterik nicht mehr Vorreiter spielen, es entwickelt sich überall im Schweinsgalopp. Volkshochschulen – immer vorneweg – bieten einen „Sommer-Hundeflüsterer-Event“ an: „Hundeerziehung mit Herz“ mit dem „staatlich anerkannten Tierverhaltensenergetiker“, der „vor allem den seelischen und energetischen Zustand (Yin-Yang-Balance) des Tieres“ berücksichtigt.
Und die Buchbranche lässt sowieso nie eine Gelegenheit aus. Die Pferde-, Katzen-, Vögel-Horde führt zweifelsohne der Hund an. Bei den Lesungen der aktuellen Buchwoche im Wiener Rathaus werden gleich drei einschlägige Bücher präsentiert: „Wellness für Hunde. Wohlfühltipps für den Alltag“, „Calming Signals. Die Beschwichtigungssignale der Hunde“ und „Das ultimative Hundebuch. Wie man alles richtig macht und dabei Nerven spart“.
Die Befreiungsmedizin scheint nicht immer zu wirken. Sogleich bricht wieder das Hündische durch. Der Hund als Metapher für unsere unterwürfige Existenz? Hunde in Buchformat füllen ganze Auslagen: „Mein Hund macht nicht, was er soll“; „Eine Couch für alle Felle – Probleme im Hundealltag? „; „So denkt Ihr Hund mit“.
Kaum hat man sich’s versehen, ist auch der Hund von den Zivilisationskrankheiten befallen. Das mit Chemie und verdorbenem Fleisch angereicherte Fressen aus der Hundefutterfabrik bekommt ihm keineswegs: „Arthrose beim Hund“, „Homöopathie für den Hund“; „Bachblüten für die Hundeseele“. Schließlich hilft nur noch: „Hundekekse selbst gemacht“.