Geld für Alle = Alle für Geld?
Zur Debatte um das Grundeinkommen
Streifzüge 33/2005
von Andreas Exner
Der globale Krisenkapitalismus stellt uns vor Fragen, die wir nicht zu stellen gewohnt sind. Die Antworten der Systemmanager und der sozialen Opposition könnten unterschiedlicher nicht sein. Propagiert der Neoliberalismus in letzter Konsequenz die Arbeit ohne Einkommen, so setzen viele Linke ihre Hoffnungen in das genaue Gegenteil, Einkommen ohne Arbeit. Eine Annahme teilen die Gegner allerdings, nämlich dass an Geld und Arbeit nicht zu rütteln sei.
Als Warenmenschen gehen wir auf zwei Krücken, Einkommen und Arbeit. Wir arbeiten, um zu jenem Geld zu kommen, das wir zum Kauf von Waren brauchen. Die Geldwirtschaft hingegen setzt uns in Arbeit, um jene Waren zu produzieren, die sich in Mehrgeld niederschlagen, das schließlich Arbeitskräfte kauft. Im Zuge der langfristigen Stagnation kapitalistischen Wachstums leidet der geldwirtschaftliche Arbeitsmagen allerdings unter zunehmender Appetitlosigkeit. Die Arbeit bringt den Arbeitskraftverkäuferinnen und -verkäufern immer weniger Geld, sofern sie überhaupt noch einen Käufer finden. Sie wird vom sozialen Integrations- zum asozialen Ausschlussmechanismus. Im totalisierten System der Arbeitskraftverwertung ist der Besitz eines Arbeitsplatzes Ausweis des kapitalistischen „Menschseins“ wie der Reisepass; und wie es die Geldbörse schon lange ist. Mit der Ausstellung dieses Ausweises wird aber immer knausriger verfahren. Darunter leidet nicht nur jenes Sinnerleben, das die Erfüllung sozialer Normen belohnt, sondern auch das Geldeinkommen und somit die Möglichkeit, Zugang zur Warenwelt zu erhalten.
Mit Ausnahme einiger rückwärtsgewandter Hoffnungen auf eine Wiederkehr des fordistischen Normalarbeitsverhältnisses, wie sie etwa die Meinungsmacher in der Globalisierungskritik und den Rängen der Gewerkschaften propagieren, sind Illusionen einer rosigen Zukunft der Arbeitsgesellschaft insgesamt gesehen selten. Dennoch wollen die meisten Linken der Massenarbeitslosigkeit und der Prekarisierung nicht mit einer grundsätzlichen Infragestellung der Arbeit begegnen, sondern mit der Forderung nach mehr Arbeitsplätzen. Damit wird die Reduktion von Menschsein auf die vom Kapital kontrollierte Fähigkeit zur Arbeitskraftverausgabung, wenn auch mit den besten Absichten, so doch bekräftigt. Eine fatale Rückendeckung für die neoliberale Arbeitsfront.
Von der Utopie zur Notwehr
So unzureichend die Krise der Arbeitsgesellschaft gegenwärtig auch reflektiert wird, so wichtig sind die wenigen Versuche, eine emanzipatorische Alternative gegen die Arbeit als den alles beherrschenden sozialen Integrations- und Ausschlussmechanismus zu setzen. Seit den frühen 1980er Jahren, als sich einerseits der Verfall des fordistischen Sozialpakts zwischen Kapital und Arbeit, andererseits aber auch die kasinokapitalistische Bewältigungsform der diesem Verfall zugrunde liegenden, langfristigen Wachstumsschwäche immer deutlicher abzeichneten, erlebte die Debatte um das Grundeinkommen regelmäßige Konjunkturen. Beim Eintritt in die postfordistische Ära konnten sich diese Diskussionen noch von den neoliberalen Blütenträumen einer unendlichen, arbeitslosen Vermehrung des Geldkapitals beflügelt fühlen, ebenso wie von der Erwartung einer „Friedensdividende“, die der Zusammenbruch des Ostblocks hatte bringen sollen. Angesichts der immer deutlicher hervortretenden Wirkungen der Finanzmarkt-Aufblähung, die die Krise der „Realwirtschaft“ zwar abfedert, aber auch ihre potenzielle Durchschlagskraft erhöht und selbst ein hohes „systemisches Risiko“ zeigt, erscheint die Hoffnung auf einen neuen Wirtschaftsaufschwung mittlerweile wie ein Warten auf Godot. Unter diesen Voraussetzungen muss die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen von einer bürgerlich-liberalen Utopie zu einem Mittel sozialer Notwehr geschärft werden, will sie etwas Positives bewirken können.
Der Widerstand gegen die Verwaltung der Arbeitslosigkeit, die uns nicht aus der Mühle der Arbeit entlässt, sondern unter einem enormen Aufwand zur Simulation arbeitsgesellschaftlicher Normalität an ihren nicht minder düsteren Gegenpol kettet, kann sich in dieser Perspektive zum Kampf um die bedingungslose Verteidigung jener monetären Sicherheiten ausweiten, die der nationalen Verwertungsmaschine noch in ihrem Niedergang ohne Zweifel abzuringen sind. Damit ist auch eine klare Grenze gegen neoliberale Ideen eines an Arbeitszwang gekoppelten und nicht existenzsichernden „Bürgergeldes“ gesetzt, wie es sich mit den jüngsten Reformen des deutschen Arbeitsmarktes anbahnen dürfte.
Schritte am Ende der Sackgasse
Jeder Ansatz einer alternativen Lebens- und Produktionsweise, der sich getraut, auch nur einen Fuß in die Terra incognita jenseits der Verkaufsbeziehung zu setzen, ist damit konfrontiert, dass praktisch alle menschlichen und natürlichen Ressourcen von Staat und Kapital für den Verwertungsprozess beschlagnahmt sind. Zumindest in jenen Weltregionen, die den Weg zur Totalisierung der Warenform bis zur Privatisierung von Wissen, Resten öffentlicher „Daseinsvorsorge“ und der „genetischen Ressourcen“ der ganzen Länge nach durchschritten haben, bliebe selbst nach einem Zusammenbruch der Ordnungen des Werts und seiner Bewegung kein Fleckchen unverbrannter Erde übrig. Ein Umstand, der die Durchschlagskraft und das Destruktionspotenzial einer Krise des Kapitals gegenwärtig übrigens um vieles verheerender macht als zur Zeit des Ersten oder noch des Zweiten Weltkriegs, als mannigfaltige Formen vormoderner Subsistenz oder randkapitalistischer, einfacher Warenproduktion existierten, die die gesellschaftliche Reproduktion über die gröbsten Verwerfungen des Akkumulationsprozesses hinweg stabilisieren konnten. Herrschaft der Ware bedeutet, dass Ressourcen auch bei Strafe der Selbstvernichtung der Gesellschaft der kollektiven Nutzung entzogen bleiben müssen. Diese eiskalte Logik zeigt sich schon in der massenhaften Vernichtung brauchbarer Güter im kapitalistischen Normalbetrieb, etwa wenn noch genießbare Nahrungsmittel nach Erreichen des Ablaufdatums nicht an Bedürftige verschenkt werden, sondern im Müll landen. Und sie springt in den Krisenzentren noch mehr ins Auge, wo Fabriken stillgelegt werden und Äcker unbestellt bleiben, allein weil das Kriterium der Rentabilität sein Veto einlegt und der Betrieb der sozialen Reproduktion vor den Hungernden beinhart seine Tore schließt. Jede Landnahme im Niemandsland der Ware hat mit seinem staatlichen Bewacher zu rechnen. Solange die Ware, deren Wert sich im Geld ausdrückt, die vorherrschende Form des Reichtums darstellt, solange kann der Zugriff auf den Reichtum in Regel und Masse auch nur in der Geldform erfolgen, will er sich nicht mit der Gewalt des Staates konfrontieren.
Hatten frühere soziale Bewegungen die Darstellung und Aneignung des Reichtums in dieser gegen Mensch und Natur gleichgültigen, destruktiven Form weder hinterfragt noch aufheben wollen, so aus zumindest einem plausiblen Grund: Die fortwährend wachsende, in die Gesellschaft vordringende Wirtschaft gab den Kämpfen im Rahmen der Geldform eine einigermaßen solide Basis. Soziale Auseinandersetzungen konnten tatsächlich um die Verteilung geführt werden und brauchten sich um die Form des Reichtums nicht zu kümmern. Die Expansionsbewegung der Geldwirtschaft zog zudem einen wachsenden Bedarf an Arbeitskraft nach sich. Deren Verkäuferinnen und Verkäufer konnten in eine vergleichsweise fest gefügte Arbeitsordnung eingepasst werden, in der sie ihre soziale Bestimmung fanden und diese vielfach auch als sinngebend erlebten.
Diese materielle und ideelle Basis ist heute in allen Bereichen brüchig geworden. Die Rebellion von 1968 und den Folgejahren hat einerseits wesentlich zur Auflösung der starren Arbeitsordnung und zu einer Flexibilisierung ihrer Disziplinierungsformen andererseits beigetragen. Zugleich stiegen mit dem rückläufigen Wirtschaftswachstum die Arbeitslosigkeit und die Staatsverschuldung. Ein wachsender Überschuss an Arbeitskraft schwächte die Position der Gewerkschaften, die sich auch weiterhin am früheren Normalarbeitsverhältnis orientieren; ein schwerer strategischer Fehler, da die zunehmende Zahl an atypisch Beschäftigten und Arbeitslosen ebenso wie die Internationalisierung des Kapitals die Bemühungen um einen Erhalt der nationalen Arbeitskraftkartelle zwangsläufig unterlaufen. Allerorten führte die Verknöcherung der Gewerkschaftsapparate deshalb zum Rückgang von Streiks und offensiven Lohnforderungen. Gleichzeitig nahm der Verteilungsspielraum im Zuge der Profitkrise Anfang der 1970er Jahre objektiv und nachhaltig ab. Die Möglichkeit der gegenwärtigen Finanzblasenakkumulation beruht gerade auf niedrigen Löhnen, nachlassender Besteuerung von Profiten und Vermögen und einer Privatisierung staatlicher Sicherheiten. Die dabei vielfach angenommenen Verteilungsspielräume sind fiktiv. Jeder Gewinn im Verteilungskampf würde die Profite, die Konkurrenzfähigkeit und damit auch die künftigen Investitionen und Arbeitsplätze beschneiden und schlussendlich seine eigene Grundlage untergraben. Selbst im optimistischen Szenario einer Renaissance breiter Verteilungskämpfe ist daran also keine weiterreichende Perspektive mehr zu knüpfen. Wo die Basis einer „selbsttragenden Akkumulation“ nicht gegeben ist, beeinträchtigt jede Verschiebung der Verteilung zugunsten der Lohnabhängigen weitere Akkumulation, also weiteres Wirtschaftswachstum. Darüber hinaus sind heute die ökologisch katastrophalen Folgen der Warenproduktion evident, die auf dieser Grundlage nicht mehr zu bewältigen sind. In erbarmungsloser Schärfe markiert auch das ökonomische Scheitern der Entwicklungsländer eine objektive Grenze für die Verallgemeinerung des kapitalistischen Wachstumspfades.
Gerade die illusionslose Sicht auf das Ende der Sackgasse, an dem die Warengesellschaft angelangt ist, vermag den Blick auf eine Strategie der monetären Absicherung zu konzentrieren, die sich nicht mehr am Höhenflug von steigenden Realeinkommen und zunehmendem Warenreichtum berauscht, sondern die Herausforderung, einen möglichst bruchlosen Übergang in eine Welt jenseits der Ware zu finden, ernst nimmt; ernster jedenfalls, als es die Vorstellungen eines unvermittelten Ausstiegs in die Subsistenz oder der spontanen Enthüllung des unter einer „Haut“ von Kapital und Ich-AG vermuteten Kommunismus der Netzwerke und ihrer angeblich „immateriellen Produktion“ tun.
Kämpfe innerhalb der Geldform lassen einen Aufschwung der Linken im Sinne einer innerkapitalistischen Fortschritts- und Modernisierungsbewegung also weder erwarten noch erhoffen. Diese Auseinandersetzungen wären jedoch dann von großer Bedeutung, wenn sie mit der Zielrichtung einer Aufhebung der Warengesellschaft verbunden werden könnten. Denn dafür gilt es, materielle Ressourcen zu erkämpfen, die jene partielle Entbindung aus einem puren Überlebenskampf ermöglichen, die auch das bedingungslose Grundeinkommen anpeilt.
Ist Geld genug?
Freilich trägt die Debatte um das Grundeinkommen im Vergleich zu Lohnforderungen einen defensiven Charakter. Doch muss sie deshalb nicht wie ein Rückzugsgefecht in einer verlorenen Schlacht geführt werden, sondern kann, offensiv und warenkritisch gedacht, den sozialen Widerstand zur Frage einer direkten Aneignung der gesellschaftlichen Reichtumspotenziale und ihrer von der Geldform entbundenen Entwicklung führen. So würde sich zwar noch nicht das soziale Kräfteverhältnis, aber immerhin die Frontstellung verändern.
Die Geldform bildet, solange der Akkumulationsprozess des Kapitals nicht zum Erliegen kommt, nicht nur einen möglichen, sondern vielmehr notwendigen Ansatzpunkt für eine Bewegung zur Aufhebung des Kapitalismus, die zuallererst Ressourcen und freie Zeit benötigt. Eine solche Aufhebungsbewegung bedarf einer sozialen Kraft, für die der Kampf um Einkommen sicherlich die leichtere Aufgabe darstellt. Nur wer dem Kriterium der Finanzierbarkeit, die ohnehin in weiten Grenzen dehnbar ist, die Akzeptanz verweigert, kann überhaupt noch gewisse Verteilungsspielräume aufmachen. Aber gerade deshalb ist eine weiterführende Entwicklungsperspektive innerhalb der Geldform nicht zu sehen, im Gegenteil: Die Forderung nach einem Einkommen, das die Bedingungen der Kapitalakkumulation ignoriert und als bedingungsloses auch ignorieren muss, formuliert einen Anspruch auf Wohlstand, Zwanglosigkeit und Sicherheit, der nur in einer von der Waren- und Geldform befreiten Gesellschaft einzulösen ist.
Vor diesem Widerspruch, der – für sich genommen – die Legitimität der Grundeinkommensforderung ja nicht dementiert, verschließen die meisten ihrer Vertreterinnen und Vertreter allerdings die Augen. Der realen Lage zum Hohne wird das Grundeinkommen damit zu einer Projektionsfläche für die Wünsche jener, die zwar die Unhaltbarkeit der gegenwärtigen Situation erkennen, doch von ihren tieferen Ursachen und Zusammenhängen nichts wissen wollen. So wird dem Schwinden der Einkommen und der Rücknahme sozialer Sicherheiten der schlichte Ruf nach mehr Einkommen und besserer Absicherung entgegengesetzt. Eine ebenso bezeichnende wie wesentliche Voraussetzung für diese projektive Funktion ist der blinde Fleck im ökologischen Auge der Debatte. Der ökologischen Problematik einer prosperierenden Wirtschaft, wie sie ein Grundeinkommen ja erfordert, soll bestenfalls mit dem hilflosen Konzept einer ökologischen Steuerreform begegnet werden. Oder es wird, mehr oder weniger deutlich, für eine „Befreiung der Marktwirtschaft vom Kapitalismus“ plädiert, im Sinne entweder der Freiwirtschaft oder des Sozialismus. In dieser Sicht soll die warenproduzierende Gesellschaft, in der das Geld die allgemeine Form des Reichtums darstellen muss, ohne ihre darin bereits angelegte Zielsetzung auskommen, Reichtum in eben dieser Form zu akkumulieren. Diese Vorstellung ist zwar Utopie, jedoch logische Folge einer bloß oberflächlichen Kritik des Kapitalismus, die zwar im Zins und allenfalls in der Rationalität der einzelbetrieblichen Gewinnmaximierung ein Problem erkennen will, nicht aber in der Verkaufs- und Geldbeziehung, deren notwendiges Resultat der Zins und der Zwang zur Maximierung des Gewinns doch sind. Eine solche fiktive Marktwirtschaft ohne Kapitalwachstum wäre nur ein kurzzeitiges Krisenphänomen vor dem Zusammenbruch formeller kapitalistischer Ökonomie. Ein Grundeinkommen ist in dieser Situation keinesfalls finanzierbar, was zumindest denjenigen Befürworterinnen und Befürwortern klar ist, die das Grundeinkommen an das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts binden wollen. Ginge das Wachstum zurück, würde in diesem Modell auch weniger Grundeinkommen ausbezahlt. Tatsächlich kann das Grundeinkommen die Koppelung von Einkommen und Arbeit zwar auf individueller Ebene lockern, die Reproduktion der kapitalistischen Gesellschaft insgesamt ist aber in jedem Fall vom Ausmaß der Profitproduktion, also der Ausbeutung von Arbeitskraft abhängig. Deshalb ändert ein Grundeinkommen auch keinen Deut an der Warenförmigkeit unserer Lebenszeit. Arbeitskraft muss sich zum überwiegenden Teil am Arbeitsmarkt verkaufen, wenn die Finanzierbarkeit des Grundeinkommens zumindest mittelfristig sichergestellt werden soll.
Jeder ist zu unterstützen, der das Recht aller Menschen auf Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum einklagt. Doch bleibt dies ohne Aussicht auf Erfolg, wenn von der spezifisch kapitalistischen Form des gesellschaftlichen Reichtums abgesehen wird, der eben als „ungeheure Warensammlung“ (Karl Marx) erscheint und diese allgemeine Teilhabe prinzipiell verhindert. Wer diese Form unangetastet lässt und ihre Auswirkungen bloß äußerlich politisch „gerechter“ machen will, erklärt die Ursache der Misere kurzerhand zu ihrem eigenen Heilmittel, macht den kapitalen Bock zum Gärtner. Eine in dieser Weise argumentierende Grundeinkommensforderung ist der Ausdruck eines Bewusstseins, das einen anderen als „Geld- und Warenreichtum“ nicht zu denken wagt. Damit bleibt sie aber auf Gedeih und Verderb an die Gesetze der kapitalistischen Produktionsweise, also der Ökonomie von Arbeit, Wert und Geldgewinn gefesselt und teilt so das klägliche Schicksal der Forderung nach Arbeitsplätzen, dem sie doch gerade zu entkommen sucht.
Die Feststellung, dass – stofflich betrachtet – genug für alle da sein könnte, wie sie von vielen Vertreterinnen und Vertretern des Grundeinkommens zu hören ist, ist zwar völlig richtig. Das ist auch die einzig mögliche Antwort auf das hysterische Notstandsgetue der Krisenverwaltung. Wird diese Aussage aber auf die Formel gebracht: „Geld ist genug da! „, verliert sie ihren kritischen Gehalt. Die vorherrschende Auffassung, dass Reichtum nur in der abstrakten und eigengesetzlichen Form von Ware und Geld existieren kann, wird so nämlich nicht etwa infrage gestellt, sondern noch bestätigt. Andererseits bleibt es in einer solchen Perspektive ganz unerklärlich, woraus der dauernde Mangelzustand in der kapitalistischen Gesellschaft resultiert: nämlich doch gerade aus den „Sachzwängen“, die eben das Wesen der Waren- und Geldform ausmachen.
Ähnlich widersprüchlich ist die mit dem Grundeinkommen verbundene Kritik der Arbeit. So richtet sich die angestrebte Entkopplung von Arbeit und Einkommen zwar zum einen gegen die herrschende Arbeitsmoral, wonach nur essen dürfe, wer auch arbeite. Das ist zweifellos eine wichtige Botschaft im Kampf gegen die neoliberale Arbeitshetze, die eine zunehmende Zahl an Menschen trifft, welche im Hamsterrad von Arbeit, Geldverdienen und Konsum keinen Platz zum Treten mehr finden. Doch auch hier wird die Kritik um ein entscheidendes Stück zurückgenommen, wenn die Geldform selbstverständliche Voraussetzung bleibt. Denn das Geld setzt nun einmal so oder so die profitable Vernutzung von abstrakter Arbeitskraft voraus. Anders gesagt: Geld ist lediglich „tote Arbeit“, ein anderer „Aggregatzustand“ der Arbeit. Arbeitskritik ohne Geldkritik ist daher ein Widerspruch in sich.
Globales Grundeinkommen: ein unmögliches Projekt
Wird das Grundeinkommen schließlich in weltweiter Dimension gedacht – und das muss es, wenn es nicht schon dem Anspruch nach ein exklusives Projekt für die Staatsbürger der kapitalistischen Zentren sein will -, wirft dies zusätzliche Probleme auf. Der notwendig nationale Charakter von Sozialsystemen, und damit auch eines möglichen Grundeinkommens, ist nicht durch gut gemeinte Beteuerungen aus der Welt schaffen; denn sie stellen nie etwas anderes dar als Formen organisierter Umverteilung nationalstaatlich abgeschöpften Werts. Deshalb müsste im Übrigen, um das Grundeinkommen finanzieren zu können, in jedem Fall die nationale Wettbewerbsfähigkeit garantiert sein, was eben jene Spaltung in Verlierer und Gewinner bestätigt und vertieft, die das Grundeinkommen doch eigentlich aufheben will.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie ein universelles Grundeinkommen mit dem offensichtlichen Scheitern der Projekte nachholender Modernisierung zusammengehen soll. Die Ansätze einer Industrieproduktion in den Ländern der kapitalistischen Peripherie sind ja gerade deshalb größtenteils zusammengebrochen, weil sie am Weltmarkt nicht konkurrenzfähig waren. Gerade die „Sachzwänge“ der Waren- und Geldform haben sie für unrentabel erklärt und ihre Stilllegung erzwungen. Die Potenziale der Reichtumsproduktion sind gerade in den peripheren Weltregionen, stärker noch als in den Metropolen, überhaupt nur gegen die Geldform und ihre Zwänge zu verwirklichen. Und dies betrifft nicht nur die Industrieproduktion, sondern alle gesellschaftlichen Aktivitäten. Daher erscheint es auch als höchst zweifelhaft, dass ein derart an den realen Bedingungen kapitalistischer Produktion vorbeizielendes Konzept wie das Grundeinkommen eine ähnliche Anziehungskraft wie einst die Idee des Sozialismus entwickeln könnte, wie einige Vertreterinnen und Vertreter dieser Forderung hoffen. Die Ideologie des Sozialismus war immerhin in der Lage, eine nachholende kapitalistische Entwicklung in einer bestimmten historischen Periode handfest ein- und theoretisch anzuleiten. Die Idee des Grundeinkommens ist hierzu nicht mehr in der Lage, weil ihr die entsprechenden ökonomischen und sozialen Voraussetzungen der kapitalistischen Rahmenentwicklung fehlen.
Das Leben vom Einkommen entkoppeln
In einer warenkritischen Sicht, die sich dieser Grenzen des Konzepts bewusst bleibt und diese auch thematisiert, kann die Forderung nach einem Grundeinkommen jedoch eine wichtige Rolle spielen. In einem Diskurs, in dem sich eine mumifizierte Arbeitstümelei mit den Überresten der Sozialstaatsideologie des vergangenen Jahrhunderts paart, könnte es die Idee des Grundeinkommens durchaus erlauben, neue Horizonte zu eröffnen, ohne völlig vor den Kopf zu stoßen.
Obwohl es den umfassenden Warencharakter der kapitalistischen Welt nicht infrage zu stellen vermag, sondern für sich genommen sogar verfestigt und deshalb auch keine Antwort auf die Krise der Warengesellschaft darstellen kann, ist das Grundeinkommen ein Mittel, neue Ziele und Wege der Gesellschaftsveränderung anzudenken. Ein solcher Diskussionsprozess könnte perspektivisch über das System von Geld und Arbeit hinausweisen; schließlich war auch die ansonsten fragwürdige Forderung nach einer Tobinsteuer, wie sie Attac erhebt, ein erfolgreiches Instrument, um den Widerstand gegen den Neoliberalismus auf eine breitere Basis zu stellen. In einem Kampf gegen den verschärften Arbeitszwang könnte die Grundeinkommensforderung zu einer Waffe jener werden, die keine Hoffnungen mehr in neue Arbeitsplätze und einen wirtschaftlichen Aufschwung setzen. Voraussetzung dafür ist aber eine offene Diskussion der skizzierten Widersprüche. Ansonsten ist sie nicht mehr als ein weiteres linkes Luftschloss und blockiert nur die Einsicht in die notwendige Entkoppelung von den verrückten Formen von Ware, Geld und Arbeit.