Der Führer als Parteivorsitzender
FPÖ. Jörg Haider will es noch einmal allen zeigen
von Franz Schandl
Die Freiheitlichen, 1999 noch an zweiter Stelle, sind inzwischen in der Wählergunst hinter die Grünen auf Platz Vier abgerutscht. Nur in Kärnten konnte Haider auf regionaler Ebene seinen Spitzenplatz halten.
Vermochte die oppositionelle FPÖ die damaligen Koalitionspartner SPÖ und ÖVP vor sich herzutreiben, so ist sie als Regierungspartei gezwungen vieles mitzutragen, was sie eigentlich stets verhindern wollte. Ihre Ohnmacht gegenüber Wolfgang Schüssel ist offensichtlich. Dass der Kanzler den freiheitlichen Ministern zu allem Überfluss Rosen streut, kann über die Häme nicht hinwegtäuschen. Die großgoscherten Freiheitlichen werden von den gedemütigten Christlichsozialen regelrecht vorgeführt. Der Hund, der einst so laut bellte, der beißt nicht, er erscheint zahnlos. Vom Sozialpopulismus der FPÖ ist aber auch schon gar nichts übrig geblieben.
Es ist also Feuer am Dach und Haider am Plan. Die Planstelle, die er für sich vorgesehen hat, ist, wie originell, die des Parteivorsitzenden. Irgendwie ist alles gleich, und doch wiederum nicht. Haider muss jetzt nämlich einfordern, was er gestern ganz selbstverständlich hatte. Er appelliert an einen Souverän, die Partei, ihm doch wiederum alle Souveränitätsrechte zu übertragen. Das ist offensichtlich kein Zeichen von Stärke. Es ist auch nicht mehr so, dass alle Freiheitlichen gleich auf die Knie fallen, wenn Jörg Haider loslegt. Im Gegenteil. Gerade seine engsten Kumpane mucken auf. Ewald Stadler, vor einem Jahrzehnt Klubobmann und Nummer Zwei in der Partei, will sich gar nicht mehr zurückhalten und auch der ehemalige Parteiideologe und EU-Abgeordnete Andreas Mölzer, widerspricht ununterbrochen. Ja, und was das Ärgste ist, sie machen sich gelegentlich über den Führer lustig.
Ohne Haider hätte Stadler die Partei längst übernommen, freilich mit der Konsequenz, dass sie wohl kaum über 5 Prozent der Stimmen hinauskommen würde. Das weiß Haider und dementsprechend flexibel verhält er sich auch. Sein Ziel ist nie gewesen, eine kleine rechte Kaderpartei zu schaffen, sondern eine Bewegung, die für ihn mobilisierbar ist. Der ideologische Hintergrund war von sekundärer Bedeutung, primär ging es dem Süchtigen um Stimmenmaximierung. Das Stammpotenzial der Freiheitlichen dürfte auch in den Jahren der tollen Erfolge kaum gewachsen sein. Das ehemalige Gros der FPÖ-Wählerschaft ist hochgradig indifferent; was sie lockte, war eher die populistische Form der Konfrontation als die spezifischen Inhalte.
Es kann keine Spaltung der FPÖ geben, sondern nur eine Abspaltung von Haider. Diese wäre identisch mit einer Fahrkarte ins politische Out. Im Konfliktfall werden Stadler und Anhang aber den Hut nehmen müssen. Seit Knittelfeld ist der Kärntner Landeshauptmann vor allem auf seine übertreuen und übereifrigen Unterstützer nicht gut zu sprechen. Im September 2002 hat nämlich der Funktionärsmob die Attacke Jörg Haiders gegen die Parteispitze um die damalige Obfrau und Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer überinterpretiert und jene gleich gestürzt. Ruck-zuck ist das gegangen. Da hat selbst der Haider geschaut. Das war kein bloßer Regiefehler, sondern ein Moment, wo der Aufwiegler selbst der Lage nicht mehr Herr werden konnte und so mit zu Schaden kam. Jener Fanclub, der meinte für Haider das Geschäft zu erledigen, soll nun ausgeschaltet werden. Der Unterschied zu früheren Säuberungen ist aber der, dass es Leute trifft, die in der Parteibasis über einigen Einfluss verfügen.
Hüten sollten man sich jedoch den Abschuss der Parteirechten als Linksruck zu interpretieren. Es ist lediglich ein Ruck, der durch die Partei geht, keine wie immer geartete Richtungsentscheidung. Mit einem konventionellen Koordinatensystem ist hier sowieso wenig zu begreifen. Während etwa die Wiener FPÖ Plakate mit dem Slogan „Wien darf nicht Istanbul werden“ affichiert, spaziert Haider über den Ottakringer Brunnenmarkt (der größte Markt der Bundeshauptstadt) und lässt sich von den türkischen Standlern feiern, tritt er doch als einer der wenigen Spitzenpolitiker des Landes offensiv für den EU-Beitritt der Türkei ein.
Als Matador hingegen wirkt Haider angeschlagen. Das strahlende Siegerlächeln ist ihm vergangen. Mit Knittelfeld wurde klar: Der hat die Seinen nicht im Griff. Das Schlimmste, was einem solchen Führertypen passieren kann, ist, wenn ihm die Gefolgschaft Impotenz unterstellt. Genau das ist der Fall. Das Vertrauensverhältnis, ja die Intimität zwischen Fan und Führer ist erheblich gestört. Letzterer steht, anders als in den bewegten Zeiten des ungehemmten Aufstiegs zwischen 1986 und 2000, unter immensem Erfolgsdruck. Wahlsiege stellen sich nicht mehr automatisch ein. Der Nimbus des Unbesiegbaren ist weg. Erstmals sieht der, der immer jünger aussah, als er gewesen ist, um einiges älter aus, als er ist. Da kann keine jugendliche Frische mehr simuliert werden. Die Disco-Tour zieht nicht mehr. Haider wirkt wie ein verbitterter Mann, der es partout allen noch einmal zeigen möchte: „Dann organisiere ich mir quer durch Österreich wieder eine schlagkräftige Truppe“, dürfte heute allerdings für ihn nicht mehr so leicht fallen wie vor fünfzehn Jahren.
Jörg Haider vermag den weiteren Absturz zu verhindern, ob er jedoch Garant eines Wiederaufstiegs sein kann, darf bezweifelt werden. Innerparteiliche Alternativen sind aber keine in Sicht. Ein Wichtigtuer wie H. C. Strache, der Wiener Parteiobmann, ist nichts als ein billiger Haider-Verschnitt, zwar um einiges jünger, aber auch um vieles dümmer. Die FPÖ wirkt verschlissen, reihenweise laufen ihr die Wähler und Funktionäre davon. Die desaströsen Ergebnisse bei den Kommunalwahlen in Niederösterreich und der Steiermark in der ersten Märzhälfte sind auch darauf zurückzuführen, dass in vielen Gemeinden erst gar nicht mehr kandidiert werden konnte. Niemand soll sich indessen einbilden, dass dieser Prozess der Abkehr etwas mit einer Bewusstwerdung zu tun hat. Es ist lediglich Enttäuschung. Die populistische Erwartung so mancher, dass da doch was kommen muss, ist dadurch nicht erschüttert.