Der Entängstigungsstratege
Matthias Horx im Krieg für die Marktwirtschaft
von Franz Schandl
Die schlimmsten Einpeitscher des gegenwärtigen kapitalistischen Wahnsinns sind, wie könnte es anders sein, ehemalige Linke. Nirgendwo sonst kommt der kapitalistische Zwang so als aggressive Herzensangelegenheit zu sich wie bei solchen Leuten. Da drehen sie auf, da schlagen sie zu. Einer davon, Matthias Horx, war früher mal Redakteur bei der Frankfurter Spontipostille Pflasterstrand. Nun ist er geläutert und ein gern gesehener und gut bezahlter Gast bei diversen Events der Marktmissionare. Als affirmativer Torpedo ist der Trendforscher eine oft bestellte Kurzstreckenrakete der Medienindustrie. Da wird scharf geschossen.
Matthias Horx ist ein grober Festredner, wie ihn sich jede Propagandaabteilung wünscht. Bei ihm wird Klartext gesprochen. Da sprudelt es nur so heraus. Da sagt uns einer jede Gemeinheit offen ins Gesicht, beschönigt nichts. Da spornt uns einer an und fordert uns auf, nicht zum Widerstand natürlich, sondern zur totalen Kapitulation. Sein Programm ist das berüchtigte „survival of the fittest“, Sozialdarwinismus pur. Seine militärische Funktion ist die eines Meldeoffiziers des Kapitals. Denn zweifellos befindet sich die Wirtschaft im Krieg. Horx spricht daher auch vom „War of talents“. In der Ökonomie gehe es schließlich um „Beteiligung an der Beute“. Und da einer den Scout der Marodeure spielen muss, hat unser Trendsetter diesen Part übernommen. Er sagt reißenden Tieren, wie gerissen werden muss und wie gerissen sie zu sein haben. Das findet heutzutage reißenden Absatz.
Menschen dienen in diesem Krieg als illustres Zahlenmaterial gelungener oder misslungener Verwertung. Nicht als individuelle Schicksale interessieren jene. Was interessieren soll, ist, ob sie anpassungsfähig sind oder nicht. „Man darf den Leuten nicht mehr vormachen, dass sie ganz sichere Jobs haben.“ Man habe sich „unberechenbaren Karriereläufen“ zu fügen. Dass diese immer mehr unberechenbare Leute schaffen, wen schert’s?
Das alles wird freilich als Selbstbestimmung verkauft. Es beginnt nun, so der Ideologe, die „Selfnesswelle – die Menschen wollen lernen, sich selbst zu verändern.“ Was nichts anderes bedeutet, als dass sie sich den ökonomischen Anforderungen auszuliefern haben. Dass sie wollen, was sie sollen. Die Menschen sollen sich zwar fürchten, und sie sollen der Furcht entsprechend handeln, aber sie sollen sich jedes leidvolle Spüren oder gar Erfassen der Angst verbieten. Nicht die Furcht ist zu bekämpfen, sondern das Bewusstsein von ihr. Die Angst ist als Naturgegebenheit wollüstig hinzunehmen. Immer feste ran beim Hauen, Stechen, Rempeln, so das unmenschliche Credo der Konkurrenz. Jede Zumutung wird zur Chance, kein Schrecken, der nicht umgedeutet werden kann. Mitleid oder gar Solidarität sind etwas, dessen wir nicht bedürfen. Da gibt es kein Abwägen und keine Milde. Nur nix lamentieren, wer attackiert wird, soll attackieren. Ja man muss, so Mister Horx, „die Karriereabsturzängste überwinden“, und „Entängstigungsstrategien“ entwickeln.
So ganz geheuer scheint das alles aber nicht einmal dem Überbringer solcher Botschaften zu sein- oder geht bloß die Sprache mit ihrem Autor durch, verrät sie mehr als er zu sagen hat? Jedenfalls schreibt er: „Unternehmen müssen sich auch daran gewöhnen, eine Kultur des Scheiterns zu leben.“ Zweifellos, die erleben wir täglich. Da hat er recht, wenn auch anders als er meint. Frei nach Schumpeter ist es die produktive Kraft der Zerstörung, die zusehends ihr ganzes destruktives Potenzial entfaltet.