Abgeschminkt und aufgeblättert
von Andreas Exner
Ein gutes Körpergefühl, Entspannung, Lebenskraft. Die Werbung zeigt uns, wie Gewinnerinnen und Gewinner aussehen – und das Beauty-Biz macht’s möglich: Schönheit per Skalpell und Reagenzglas … und verdient sich selbst dabei noch eine goldene Nase.
Häute und Haare gilt es zu versiegeln, luftdicht einzusprühen, hermetisch abzudichten. Gecremt wird, was das Zeug hält und wie die Werbung es uns vorschreibt. Die plastische Chirurgie gibt der Rede vom „Menschenmaterial“ eine ganz buchstäbliche Bedeutung. Sie schneidet und liftet Leiber, stutzt die gefühlsbegabten und naturgeformten Körper im Namen einer sozialen Norm zurecht – und lässt beinahe nichts mehr unversehrt. Der letzte Schrei: die „Vaginalverschönerung“ – eine Verkleinerung der inneren Schamlippen. Während sich die „körperbewusste Frau“ ihre Brüste meist vergrößern oder straffen lässt, tendiert der etwas ältere moderne Mann dazu, sie zu verkleinern. Das von immer mehr Männern ersehnte Penis-Enlargement bleibt allerdings – bis dato – eine Blüte aus dem Reich des Email-Spam.
Die Umsätze dieses Branchenkomplexes sind jedenfalls beachtlich. Die Kosmetikindustrie etwa wiegt rund 16 Milliarden Dollar. Im Jahr 2002 wurden in Österreich fast 75 Millionen Euro für Gesichtspflege ausgegeben, knapp 18 Millionen davon für Produkte, die den Verlauf der Alterungsprozesse mildern sollen. Offiziell gab es in Deutschland 2002 rund 660.000 ästhetisch-plastische Operationen. Verschiedene Quellen sprechen gar von mehr als 1 Million Eingriffen für die Jahre 2003 und 2004.
Das Business boomt. Die Zuwachsrate der Kosmetikbranche wird von Börsenanalysten mit rund 20 Prozent veranschlagt. Starkes Wachstum zeigt auch die Produktpalette: 20 Prozent des heutigen Angebots gab es vor fünf Jahren noch nicht. In Österreich fuhr die Branche 2002 im Bereich der Gesichtspflege gegenüber 2001 ein Plus von 30 Prozent ein. Auch das Skalpell liegt voll im Trend. Jährlich steigt die Zahl der Schönheitsoperationen weltweit um 10 bis 15 Prozent. In Deutschland hat sie sich zwischen 1990 und 2002 versechsfacht. Die Zahl der Haareinpflanzungen ist in den letzten Jahren gar um fast 200 Prozent gestiegen.
Auf der Suche nach Profit überschreitet die Beauty-Branche zunehmend die traditionellen Alters- und Geschlechtergrenzen. Die parzielle Aufweichung geschlechtlicher Codes wird in Bares umgemünzt. So ist Kosmetik längst nicht mehr Frauen vorbehalten. Allein im ersten Halbjahr wuchs das US-Geschäft mit Herrenkosmetik um 18 Prozent. Dieser Trend setzt sich in einer steigenden Zahl von Schönheitsoperationen fort: Für eine Fettabsaugung legen sich mittlerweile allein in Deutschland jährlich rund 40.000 Männer auf den Operationstisch.
Erdöl macht schön. Wesentliche Kosmetik-Bestandteile sind Mineralöle, Lösungs- und Konservierungsmittel, Farb- und Duftstoffe sowie Produkte aus Schlachtabfällen, so genannte natürliche Proteine. Das Gesundheitsrisiko ist nicht ohne. Beispielsweise sind Mineralöle zwar billig und haltbar, doch verschließen sie die Poren der Haut und schaden ihr bei dauerndem Gebrauch.
Kosmetika, Parfums und Hygieneartikel enthalten – ebenso wie viele „Naturkosmetika“ – eine große Zahl an synthetischen Verbindungen. Was die toxischen Wirkungen von Inhaltsstoffen betrifft, die sich in Blut, Gewebe und Muttermilch anreichern und die Schadstoffdurchlässigkeit der Haut erhöhen, gibt es bedeutende Wissenslücken, wie etwa das österreichische Umweltbundesamt feststellt. Nicht nur Greenpeace und Öko-Test haben wiederholt auf die gängige Verwendung problematischer bzw. in ihrer Wirkung unzureichend erforschter Substanzen hingewiesen. Allergieauslösende, hormonähnliche und hautreizende Stoffe zählen dazu ebenso wie solche, die im Verdacht stehen, Krebs zu erregen. Die rechtlichen Regelungen seien unzureichend, warnen deshalb Verbrauchendenverbände. Entsprechendes gilt für das seelische und physische Gesundheitsrisiko von Schönheitsoperationen und den Selbstoptimierungs-Programmen des Fitness-Kults.
Immer schon haben Menschen ihren Leib bewusst verändert, sich geschminkt, mit Schmuck verschönert. Die Marktgesellschaft jedoch definiert Schönheit als soziales Kapital der Selbstverwertung im Namen einer permanenten „Arbeit an sich selbst“. Auf der Strecke bleibt damit freilich, woran die Schönheitsindustrie verdient: Gesundheit, Lebenslust und Wohlbefinden.