Ökokapitalismus – gibt’s denn sowas?
ÖH-Bundeszeitung „Progress“
von Andreas Exner
Alle sprechen von Nachhaltigkeit. Nachhaltig sollen das Wirtschaftswachstum, der Konsum, die Verkehrspolitik und nicht zuletzt die Sicherung der Pensionen sein. Nachhaltigkeit betrifft scheinbar alles und niemand ist dagegen. Das sollte unsere Neugier wecken.
Alles begann so hoffnungsvoll. Der Begriff der nachhaltigen Entwicklung betrat Ende der 1980er Jahre die weltpolitische Bühne. Die nachholende Modernisierung war gescheitert und die Grenzen traditionellen Umweltschutzes wurden offenkundig. Eine engere Verknüpfung der Themen Umwelt und Entwicklung galt daher vielen als das Gebot der Stunde. Der viel zitierte Brundtland-Report definierte nachhaltige Entwicklung erstmals als eine Entwicklung, die „den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen“.
Die Euphorie hat sich gelegt. Der Zusammenbruch des östlichen Staatskapitalismus beendete damals nicht nur die Blockkonfrontation, sondern beseitigte auch das letzte Hindernis für einen globalen Konkurrenzkapitalismus. Im Zuge seiner Durchsetzung wuchsen allerdings nicht Wohlstand und Frieden, sondern Verarmung und sozialer Zerfall. Von einer Entwicklung der kapitalistischen Peripherie zeigt sich keine Spur, im Gegenteil: Auch in den Zentren verschlechtern sich die sozialen Standards, erodiert der Wohlstand.
Die Umweltkrise schließlich ist zu einem Dauerbrenner geworden, dem scheinbar nur mehr mit dauerhafter Verdrängung begegnet werden kann. So klafft ein immer größerer Widerspruch zwischen Anspruch und Realisierbarkeit einer nachhaltigen, also „dauerhaft aufrecht erhaltbaren Entwicklung“ im Rahmen von Kapital und Staat. Das Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie etwa kommt zu dem Schluss, dass in Deutschland bis zum Jahre 2050 der Verbrauch nicht-erneuerbarer Energien und Rohstoffe sowie die Emission von Schadstoffen um 80 bis 90 Prozent reduziert werden müssen. Was bedeutet das in einer Wirtschaftsform, die auf kontinuierliches Wachstum angewiesen ist? Selten bringt es jemand so klar auf den Punkt wie der Politologe Elmar Altvater: „Die kapitalistische Produktions- und Lebensweise ist nicht zukunftsfähig.“
Nachhaltigkeit ist ein Faserschmeichler erster Güte. Der Begriff ist so schwammig wie seine Interpretation vielfältig. Er will alles vereinbaren können und bedeutet deshalb letztlich nichts. Die vorherrschenden Ideologien und Interessengruppen ziehen jedenfalls ihren Nutzen daraus.
Wachstumsstörung. Wie sehr der Diskurs der Nachhaltigkeit die eigentliche Problematik verwischt, zeigt sich etwa an der Frage der Wachstumsgrenzen. Fortlaufendes Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ist nicht nur unvernünftig, weil es den Wohlstand in den OECD-Staaten erwiesenermaßen nicht mehr erhöht, teilweise sogar vermindert. Es ist vor allem auch an einen steigenden Ressourcenverbrauch und eine Überlastung der Abfallsenken, etwa der Atmosphäre, gebunden. Wirtschaftswachstum ist jedoch ein Grunderfordernis des Kapitalismus. Wachstumseinbrüche führen zu Versorgungsengpässen, Arbeitslosigkeit, Lohnrückgang und Steuerausfall. Eine schrumpfende Wirtschaft ist in diesem System schlicht keine Option.
Denn das Ziel kapitalistischen Wirtschaftens ist nicht die Befriedigung konkreter Bedürfnisse, sondern der abstrakte Profit. Die Konkurrenz erzwingt seine Maximierung und damit ein Wachstum und eine Beschleunigung der Warenproduktion. Stoff- und Energieflüsse nehmen zu, die Warenform erobert immer weitere Lebensbereiche. Eine Antwort auf diese Problematik in einer Veränderung des Konsums zu suchen, greift von vornherein zu kurz. Zum einen kollidiert das mit den „Sachzwängen“ von Einkommen und Alltagsstress. Zum anderen haben Konsumierende nur einen sehr indirekten Einfluss auf das Warenangebot, vor allem der bedeutende Investitionsgütersektor bleibt ihnen verschlossen. Der kapitalistische Wachstumszwang schließlich ist so in keinem Fall beeinflussbar. Konsumverzicht gefährdet Arbeitsplätze und damit auch die angebliche Macht der Konsumierenden.
Mythos Ökosteuer. Der Nachhaltigkeits-Mainstream will den Ressourcenverbrauch vor allem durch Effizienzsteigerung in der Ressourcenverwendung reduzieren, während Profit und BIP weiter wachsen sollen. Als Schlüsselinstrument zur Verwirklichung dieses Ziels gilt eine ökologische Steuerreform. Die Steuerlast soll dabei von Arbeit zum Verbrauch nicht-erneuerbarer Ressourcen verschoben werden, um deren Einsparung zu belohnen, den Einsatz von Arbeitskraft zu fördern und den Staatshaushalt zu finanzieren. Was die erhoffte Steigerung der Ressourceneffizienz betrifft, so tun sich allerdings zumindest zwei Probleme auf: Zum einen wäre der erforderliche Anstieg um den Faktor 10 bei fortlaufendem BIP-Wachstum unrealistisch hoch. Bereits bei einer Wachstumsrate von nur zwei Prozent müsste die Ressourceneffizienz in 50 Jahren um das rund 27-fache zunehmen. Dabei verbrauchen wir schon jetzt zu viele Ressourcen. Zum anderen würde das durch Rohstoffersparnis freigesetzte Geld in eine Erweiterung der Warenproduktion investiert werden, was den positiven Umwelteffekt aufhebt.
Lose your Illusions. Die Öko-Steuer krankt schließlich an einem grundsätzlichen Dilemma. Entweder sie erreicht ihr Ziel und der Ressourcenverbrauch sinkt. Dann sinken auch ihre Einnahmen, womit der Staat in Finanzierungsnöte gerät, verzichtet er doch im Gegenzug auf Einnahmen aus der Besteuerung von Arbeit. Oder aber die Öko-Steuer verfehlt ihr Ziel und der ständig wachsende Ressourcenverbrauch macht aus ihr eine wahre Goldgrube.
Zudem schafft billige Arbeit keine neuen Arbeitsplätze. Unternehmen kaufen Arbeitskraft, weil ihr Verbrauch in der Warenproduktion Profit abwirft. Wenn die Profiterwartungen in der Realwirtschaft aber so schlecht wie gegenwärtig sind, hilft auch ein Sonderangebot am Arbeitsmarkt nicht weiter.
Schlussendlich ist Ressourcenverbrauch nur begrenzt durch Arbeit substituierbar. Auch 1.000 Arbeiter können keinen Hochofen ersetzen. Energieintensive Branchen werden daher abwandern, was zu Arbeitsplatzverlusten und einer Wirtschaftskrise führt.
Ob der Diskurs der Nachhaltigkeit angesichts all dieser Widersprüche und Defizite dauerhaft aufrecht erhaltbar ist, wird sich noch herausstellen. Dass es keinen zukunftsfähigen Kapitalismus geben kann, zeigt sich allerdings schon jetzt. Seine Geschichte der Zerstörung kulminiert in Klimawandel und Artensterben. Ein ökologisch tragbares, sozial verträgliches und ökonomisch stabiles Wirtschaften gibt es nicht im Rahmen von Kapital und Staat.