Dieser Bode!
Ausgerechnet ein Amerikaner stoppt die Erfolgsserie der österreichischen Schifahrer
von Franz Schandl
Am Donnerstag Abend schien die Welt wieder kurzfristig in Ordnung. Stephan Görgl hatte den Super-G in Beaver Creek gewonnen. „Endlich! Unser erster Schi-Sieg“, schlagzeilte die Krone in dicken Lettern auf der Titelseite. Auch der Standard stimmte in den Chor ein: „Bode Miller ist also doch zu packen“. Und der Kurier befand: „Ein Nobody holte Bode auf den Boden zurück.“
Doch das Aufatmen kam nicht einmal zum Durchatmen, denn Tags darauf deklassierte Bode Miller (USA) abermals die österreichischen Matadoren, noch dazu in ihrer Stammdisziplin, der Abfahrt. Von 6 FIS-Weltcuprennen hat Miller heuer 4 gewonnen, einmal wurde er Zweiter, einmal ist er ausgeschieden. Auch in der Gesamtwertung liegt er unangefochten an der Spitze, in deutlichem Punkteabstand rangieren die Österreicher auf den Plätzen. Die lauern im Rudel auf ihre Chance. Fünf unter den ersten acht gehören dem Kader des ÖSV an. Wenn Miller sich aber nicht noch einen Haxen bricht, dann wird’s diese Saison nix mit dem Weltcup für Österreich.
Dass ausgerechnet ein Amerikaner die unheimliche Siegesserie der Österreicher stoppt, tut doppelt weh. Dass Schweizer und Norweger, Franzosen und Italiener, Kroaten und Deutsche ab und zu nach vorne dürfen, geht ja noch an, aber die Amerikaner, die haben ja nicht einmal ein richtiges Team. Und die Kommentatoren sagen an, was die Zuschauer denken: „Schau da den an! „, „Völlig irregulär! „, „Na derf des wahr sein? “ Zweifellos, Bode Miller macht Fehler, über die alpenländische Anfänger lachen könnten, wäre er nicht trotzdem so schnell. Natürlich fährt er einen Stil, den man jedem angehenden heimischen Schistar frühzeitig abgewöhnt hätte, falls solch einer nicht ruckzuck aus dem Jugendkader geflogen wäre.
Derweil könnte es dem alpinen Schisport nur recht sein, dass die Rennen nicht österreichischen Meisterschaften mit ausländischer Beteiligung gleichen. Die rot-weiß-rote Überlegenheit ist aber kein Wunder, sondern als nationales Anliegen Folge eines konsequenten industriellen Zuchtprogramms. Es ist eine spezifische Form der Aufrüstung, und wie Uniformierte sehen die Sportler auch aus (obwohl die Nation deren Körper weitgehend dem Kommerz überlasen muss). Die österreichischen Schifahrer sind kleine ideologische Staatsapparate. Identitätsboten eingebildeter Größe.
Der psychische Druck, der auf dem alpinen Rennfahrertypus made in Austria lastet, ist freilich immens. Selbst Hermann Maier will nicht mehr der Herminator, sondern einfach bloß der Hermann sein. Derlei Selbstzweifel sind Maier übrigens durchaus positiv anzurechnen, drückt er damit doch eine gewisse Distanz zur Kampfmaschine aus. Indes, genau diese Rolle ist seine nationale Pflicht, und die hat er zu erfüllen, ob er will oder nicht. Die Erwartungshaltung ist enorm. An nichts baut sich die österreichische Seele so auf wie an ihren Recken auf der Piste. So unbekümmert wie Miller können Maier&Co. nie fahren. Ein ganzes Volk sitzt ihnen fernsehend im Nacken. Bleiben die Erfolge aus, hört der Spaß auf.
Dem entgeht der Bode nicht, weil die Amerikaner anders sind, sondern weil das Schifahren in Übersee kein patriotisches Massenphänomen darstellt. Dort laden sie ihren Nationalismus an anderem, auch anderen Athleten, auf. Doch im konkreten Fall spricht das alles für Bode Miller und dessen Unbekümmertheit. Er ist der wahre Individualist, aber wiederum nicht, weil er Amerikaner ist, sondern weil er eben Bode Miller ist.
In Österreich hingegen gilt, dass die besten Amerikaner sowieso Österreicher sind. Siehe den Governator in Sacramento. John Kerrys Niederlage war zwar ein Rückschlag bei dieser geplanten Übernahme von Übersee, wenn auch nicht gleich der Untergang. Anders als Schwarzenegger hatte sich Kerry (trotz eines eindeutigen genealogischen Befunds) ja beharrlich geweigert als Österreicher aufzutreten. Dafür kandidiert das nächste Mal Arnold himself für die Präsidentschaft. Der Terminator im Weißen Haus mit dem Herminator als Sportminister, das wär doch was. Und niemand sage, das sei Unsinn, der nie wahr werden könne. So ein Unsinn.