Der atypisch Beschäftigte wird typisch
Flexibilität total
von Franz Schandl
Unsere tägliche Botschaft gib uns heute. Was im Wiener Standard steht, könnte genausogut woanders stehen: »Flexibilität total ist angesagt«: »Vom Arbeitnehmer wird totale Flexibilität erwartet, von der Arbeitszeit über den Arbeitsort bis hin zur Beschäftigungsform«. »Der traditionelle Arbeitsvertrag der Industriegesellschaft war dadurch gekennzeichnet, daß der Arbeitnehmer dem Unternehmen den Einsatz seiner Arbeitskraft zur Verfügung stellt und das Unternehmen ihm ein sicheres Arbeitseinkommen zahlt und ihm dadurch das Risiko der Vermarktung des Produktionsergebnisses abnimmt. « Damit ist nun Schluß. Der gesellschaftliche Bruch mit dem Kollektivvertrag liest sich so: »Arbeitsverträge werden zunehmend in Form von Werkverträgen oder freien Dienstverträgen individualisiert, stellen verstärkt auf das vom Einzelnen erzielte Ergebnis ab. Zudem ist Arbeit nicht mehr eine räumlich oder zeitlich vordefinierte Erwerbstätigkeit. «
Weder Ort, Zeit noch Verwendung ihrer Lebensmöglichkeiten sollen den Menschen überlassen bleiben. Selbstbestimmung meint Marktbestimmung. Das, was man einst Fremdbestimmung nannte oder noch besser Verdinglichung, soll als das Ureigene erscheinen. Dem Markt zu entsprechen soll unser elementares Bedürfnis sein. Wenn die Leute genug verdienen, können sie sich partiell freikaufen, außerdem dürfen sie am Markt verschiedene Produkte aussuchen und in der Politik Parteien mit unterschiedlichen Namen wählen. Was, wann, wo, wie produziert wird, hat die Leute aber nichts anzugehen. Demokratie pointiert sich als absolute Unterwerfung unter die Gesetze der Verwertung.
Flexibilität hat nichts mit individueller Souveränität zu tun, sie meint vielmehr, sich den äußeren Anforderungen völlig auszuliefern. Die Flexibilität der Menschen ist nichts anderes als das Diktat der Märkte. Was sich anbietet, hat angenommen zu werden. Wer nicht will, fliegt raus. Wohlgemerkt, nicht nur aus der Arbeit, sondern auch aus den traditionellen Netzen des Sozialstaats. Renitenz ist zu sanktionieren. Es sich bequem machen, gilt nicht, man hat mobilisierbar zu sein.
Erzielte der typisch Beschäftigte durch den Verkauf seiner Arbeitskraft Garantien, so ist das dem atypisch Beschäftigten im Zeitalter der Entsicherung nicht vergönnt. Die Abschaffung der starren Form erhöht nicht die Souveränität der Einzelnen, sondern definiert deren Abhängigkeit neu. Sie ist keine Gebundenheit mehr, sondern eine Losigkeit, die keine Sicherheit mehr versprechen kann, sondern lediglich das, was der Markt unmittelbar hergibt. Die Flexibilität, der Unternehmen ausgesetzt sind, schreit geradezu nach der Flexibilität der für sie Tätigen. Was auch bedeutet, daß der atypisch Beschäftigte zum typischen wird und der typische zum atypischen.
Uns wird nichts geschenkt, wir haben uns zu übereignen. Anpassung total wird eingefordert. Selbstautomatisation ist das Ziel. Das Ideal des arbeitenden Menschen ist die Maschine. Unablässiges Laufen, ein eherner Rhythmus zeichnet diese aus. Die Maschine manifestiert sich als ein Wesen, an dessen Perfektion der Arbeiter sich ein Beispiel nehmen kann. Vor der Funktionalität ihrer Maschinen haben die Menschen zu erbleichen, da können sie sich was abschauen. »Work to the rhythm/ Live to the rhythm/Love to the rhythm/ Slave to the rhythm«, hat Grace Jones 1985 gesungen.