No fun! No play!

Finale Bemerkungen zum Funwert-Papier aus Leipzig und zum Antideutschtum überhaupt

Polemische Endstudien zur Zoologie eines unerträglichen Biotops deutscher Dummdreistigkeit. Inklusive fünfzehn Tiermetaphern

von Franz Schandl

Der erste Eindruck bei der Lektüre des Funwert-Papiers aus Leipzig (siehe S. 47) war der gewesen, dass hier doch tatsächlich welche daran gegangen sind, allen antideutschen Mustern, wie sie Norbert Trenkle in seinem offenen Brief an Holger Schatz (siehe S. 43) beschrieben hat, zu entsprechen.

Schwere Jargonitis

In dem Text „Das Spiel geht weiter“ wimmelt es von Stereotypen des Antideutschtums, da ist die Rede von „Verfolgungswahn“, „normalen Indymedia-Antisemiten“, „bizzarem Wahngebäude“, „antisemitisch durchgetränkter Friedensbewegung“, „regressiven Friedensmassen“ und natürlich „sozialromantischen Projektionen“. Wahrlich, da erkennt der Antideutsche sich wieder. Kein antideutscher Schlager wird ausgelassen, um sich von der Krisis zu distanzieren. Der Text spricht eine klare Sprache, die eine antideutsche ist. Die schwere Jargonitis ist unüberlesbar. Das Papier trieft geradezu vor Szene-Identität. Deren Lautstärke muss man sich wahrlich verdeutlichen. Ja, man behauptet allen Ernstes eine „Vorherrschaft der Antideutschen in unserer Stadt“. Leipzig, die deutschfreie Stadt der Antideutschen!?! Soll man lachen oder weinen, wenn da ein Minimundus sich mit der Welt, und sei’s auch nur eine Stadt, verwechselt?
Die Entscheidung „Krisis oder Szene?“ ist bei Funwert eindeutig zugunsten letzterer gefallen. Mit diesem Papier (und dem von Mausebär nachgereichten vom 30. April) hat man sich außerhalb der und gegen die Krisis postiert. Daran gibt es kein Deuteln, unabhängig davon, ob Auszüge davon im Konkret gegen Robert Kurz in Stellung gebracht worden sind. Statt die Notbremse zu ziehen, hätten die Autoren zweifellos das Gaspedal betätigen müssen, um endlich aus dem antideutschen Stall rauszukommen. Indes, man bevorzugt den heimeligen Stallgeruch. Dem war so, dem ist so und wir nehmen es zur Kenntnis.

Ideologie für Hooligans

Das ursprüngliche Verdienst der antideutschen Strömungen besteht darin, maßgeblich zur Sensibilisierung einer wichtigen Frage beigetragen zu haben. Der Antisemitismus in der Linken ist zurückgegangen, ebenso die antizionistischen „Selbstverständlichkeiten“. In der Zwischenzeit haben unsere eifrigen Protagonisten aber jedes Maß verloren, verabreichen sich und dem Publikum eine Überdosis nach der anderen. Diese stete Steigerung des Quantums hat zu einer neuen Qualität geführt. Der Antideutsche agiert ungefähr so: Nachdem er festgestellt hat, wie gut ein Liter Wein einem bekommt, meint er nun, dass fünf Liter fünf Mal so toll sein müssen. Dass man sich in dem dann herbeigeführten Stadium nur noch ankotzt und meist völlig unerträglich und tollwütig (Tiermetapher 1) wird, kommt einem in diesem Zustand gar nicht mehr. Jede Aversion, die sich die Antideutschen zuziehen, feiern sie ja als Beleg der Wahrheit ihres Standpunkts.
Die in ihrer Intention richtige und notwendige Kritik am linken Antisemitismus ist so weit herunterkommen, dass sie nur noch als Tarnkappenprojekt zur Stigmatisierung missliebiger Linker wahrgenommen werden kann. Sie fungiert in erster Linie als reine Duftmarke der Inszenierung am linken Gemüsemarkt. Der Dreisprung der Denunziation erfolgt so: Zuerst ist da das Gerücht, dann folgt die Bezichtigung und den Rest erledigt die Nachrede.
Der Antisemitismus-Verdacht ist zum Totschläger geworden, beliebig und allseitig anwendbar. Nicht Linderung oder gar Befreiung wird in Aussicht gestellt, nein, es geht um die Verunmöglichung konkreter Personen. Was umgekehrt übrigens nur heißen kann, im Zweifelsfall mit den Punzierten solidarisch zu sein. Gelingt es nicht, die Denunziation aus der Debatte zu bannen, ist die Restlinke sowieso eine autokannibalistische Veranstaltung.
Das geradezu ger-manische Treiben der Antideutschen dient vornehmlich als Erkennungsmerkmal einer bestimmten Szene, als Abgrenzungsritual der Jünger. Mit Antideutschen ist darüber nicht mehr ernsthaft zu reden. Sie erregen sich wie kleine Biodiffamatoren. Ihre Reaktionen funktionieren quasi instinktiv und instinktsicher. Daher ist dem Antideutschen argumentativ nicht beizukommen. Das ist jenseits ihrer Schiene, die in einer Parallelwelt verläuft. Dass neben dem linken Antisemitismus alle anderen Themen untergehen, insbesondere auch die Aufarbeitung des Antisemitismus in der gesellschaftlichen Mitte (oder in der Rechten), ist der Vollständigkeit halber zu vermerken.

Scharfe Schafe

Der identitätsbesessene Bezug zu Israel ist heute mindestens so religiös aufgeladen wie die Klassenfrage in den siebziger Jahren. Nur noch beten ist erlaubt. Der Bund Deutscher Likud Buben sagt inzwischen die Strophen auf als würde er einen Rosenkranz in Händen halten. Man lese nur ihre Einladungstexte, da multiplizieren Prediger und Ministranten ihre Gebete.
Konflikte im Nahen Osten denken Antideutsche völlig ahistorisch als Reinkarnation von „Das Dritte Reich und die Juden“. Von den realen Verhältnissen überhaupt nicht angekränkelt, sind die Israel-Flaggen hochzuhalten und die Palästinenser-Komitees zu verurteilen. Wie einfach die Welt doch ist. Indes, Antideutsche sind Palästina-Komitees der umgedrehten Sorte. Dass deutsche Antiimperialisten wie antideutsche Proimperialisten, auf jeden Fall also Deutsche, ger-manisch fixiert auf Israel starren und sich wie Hooligans aufführen, wollte in unseren Schädel, der weder deutsch noch antideutsch, also gar nicht deutsch sein will, nicht rein. Wenn Solidarität mit Israel heißt, mit Israel-Fahnen auf die Straße zu laufen, Waffen für die Sharon-Regierung zu fordern und die Annexion der Palästinenser-Gebiete gleich mit, dann sind wir da nicht mit von der Partie, ja wollen nicht einmal anstreifen. Wir kollabieren weder bei Israel-Flaggen noch bei Palästinensertüchern. Das überlassen wir Deutschen und Antideutschen, also Deutschen. In unserer Garage findet sich weder das eine noch das andere.
Antideutschen geht es darum zu punkten, indem andere denunziert werden. Natürlich nicht alle meinen gleich, dass sogar die Jungle World antisemitisch sei wie das gelegentlich aus der Bahamas-Ecke geäußert wird. Aber diese Pointe entbehrt nicht einer gewissen Logik. Die Selbstbezichtigung der Antideutschen als Antisemiten ist der Höhepunkt antideutscher Wesensschau. Faktum ist, dass der Antisemitismus bei allen Antideutschen dort beginnt, wo die eigene Position aufhört. Aus der richtigen Einsicht, dass es viel zu viele Antisemiten gibt, folgert die jeweilige Vereinigungsmenge der Antideutschen, dass es außer ihnen nur solche gibt und dass die Bezichtigung das politische Allzweckmittel sondergleichen darstellt.
Faktum bleibt auch, dass die Antideutschen eindeutig personell zuordnen. Explizit wie implizit werden Tickets vergeben. Diese strikte Personalisierung der Schuldigen, sonst verachtet, kommt in dieser Frage zu höchsten Ehren. Das bürgerliche Subjekt (also alle anderen) wird als antisemitische Einheit gesehen, nicht als zerrissene Figur. Ganz identitätslogisch setzt man auf „Wir“ und die „Anderen“. Da passt man vorzüglich zu God und Bush, Huntington und Fallaci.
Die unbedingte Polarisierung wird nicht nur eingemahnt, sie ist der deutsche Met der Antideutschen. Dieser Vorwurf des Antisemitismus ist in ein blökendes Stadium (Tiermetapher 2) übergegangen. Scharfe Schafe (Tiermetapher 3) sind da unterwegs. Leute, die gleich antideutschen Spür- und Kampfschafen (Tiermetapher 4) agitieren, ruinieren selbst sinnvolle Anliegen. Wahnsinn lässt sich jedoch nicht mit Wahnsinn bekämpfen. Wenn dieser Anti-Antisemitismus aber so irr ist, dass er dem Antisemitismus mehr nützt als ihm schadet, dann ist jener, gerade weil der Kampf gegen den Antisemitismus ein wichtiger und notwendiger ist, auszuschalten.
Die Sucht bürgerlichen Investigierens war nie unsere. Es ist uns also nicht vorrangig darum gegangen, die linken Antisemiten aufzudecken, sondern stets darum, den Antisemitismus in der Linken und der Gesellschaft zurückzudrängen. Das ist nicht dasselbe. Antisemitismus gilt es zu benennen, aber mit der Punzierung von Personen soll man vorsichtig sein. Antisemit ist einer, der notorisch antijüdischen Projektionen erliegt und sie verbreitet.
Das Antideutsche hingegen schlussfolgert von mehr oder weniger fragwürdigen Indizien gleich auf die entscheidende Prägung; Adjektiv und Substantiv werden nie auseinander gehalten, von ersterem ist auf zweiteres zu schließen. Es will partout nicht den Aspekt oder das Moment von der Substanz (dem Substantiv) unterscheiden, sondern ist umgekehrt interessiert, jene aufzublasen um ja das gewünschte Ergebnis zu erhalten. Und nicht selten wird auch bei den Indizien kräftig nachgeholfen und unterstellt. Die Methode könnte als induktive Manie beschrieben werden.
Das gegenwärtige Subjekt wird nicht als zerfallendes Exemplar der Subjektform wahrgenommen, sondern als festgefügter Blockwart der Volksgemeinschaft. Kennzeichen der postmodernen Subjekte ist jedoch, dass ihnen das Notorische außerhalb des geldmonadischen Triebes eigentlich fehlt. Was sie charakterisiert, ist vielmehr das Zerrissene, das Beliebige, das Unstete, das sich eigentlich An-nichts-mehr-halten-können. Der Antisemitismus ist damit nicht aus der Welt, aber er ist fragmentiert wie alles andere, das in der Aufstiegsphase des Kapitals noch als festgefügte Kraft in Erscheinung treten konnte. Die irre und rasende Selbstsicherheit der Nazis ist mit der definitiven Verunsicherung der heutigen bürgerlichen Subjekte (auch in Deutschland) unvergleichbar, selbst dort, wo sie sich an faschistischen Versatzstücken festkrallen. Der inflationäre Vergleich mit den Nazis, das antideutsche Mysterienspiel, verkennt völlig den Ablauf der aktuellen demokratischen Barbarisierung.

Hardcore und Softcore

Über den elendiglichen Taschenspielertrick, vom verkürzten Antikapitalismus auf den Antisemitismus zu schließen, weil dieser ja auch ein verkürzter Antikapitalismus ist, wurde schon viel geschrieben. Es hat nichts genützt. Die Meister der Umkehrschlüsse argumentieren meist so: Ist A aus B, dann ist B aus A. Ist A ein B, dann ist B ein A, usw. usf. Antideutsche sind unerschütterlich. Einmal eingelernt, für immer ausgelernt. Bedingungslos. Da läuft eine große Analphabetisierungskampagne. Das Antideutsche ist eine typische Induktionskrankheit, ein Tick sondergleichen. Jetzt gibt es zum Zwecke der Ansteckung sogar einen „Antideutschen Katechismus“.
So wie die Nazis überall die Juden aufstöberten und punzierten, so sind Antideutsche als späte und schlechte Parodie eines negativen Deutschseins auf der Suche nach Antisemiten. Nicht Überwindung des Antisemitismus ist das Ziel, sondern dessen Entpuppung. Antideutsche feiern (wirkliche und vermeintliche) Entpuppungserfolge wie Abschussprämien. Da kann es vorkommen, dass ein antideutsch transformiertes Ex-Mitglied der Krisis, nachdem es zehn Jahre bei Autorentreffen und Seminaren herumgesessen ist, plötzlich von „unerwarteten Fängen“ spricht oder dass ein antideutsches Kindergartenkaderblatt aus dem Teutoburger Wald Lohoff, Schandl und Gremliza (ja, auch den!) als Antisemiten vorführt. Warum auch nicht? Vielleicht sollten jene noch Listen veröffentlichen, wer denn nun kein Antisemit ist. Je nach antideutscher Pathoskala würden den einen wenige einfallen, den anderen doch ein paar mehr.
Der bahamotische Schraubstock funktioniert so: Wertmullah & Co geben eine Parole aus, auf dass die antideutschen Weichtiere (Tiermetapher 5) aufkreischen. Das macht Randale und Zoff, vor allem findet es Beachtung. Doch die Softcores schreien dann nicht „Nein!“, sondern stets „Nicht ganz so“. Sagen die Bahamas 100, sagen die Softcores 60, 70, 80; sagen die Bahamas dann 120, sagen die Softcores 80, 90, 100. So landen diese zeitverzögert dort, wo die anderen schon gestern gewesen sind. Dabei haben sie dann meist ein schlechtes Gewissen und Bauchschmerzen, weil sie nicht so konsequent anti-antisemitisch sind. Bekommen sie von den Hardcores drei Watschen, dann jammern die Softcores darüber, dass die dritte ungerechtfertigt gewesen ist. Werden sie gar noch selbst des Antisemitismus bezichtigt, dann rücken sie vom noch größeren Schwachsinn nicht ab, sondern fühlen sich geradezu panisch von ihm angezogen. Wie der Hase zum Scheinwerfer läuft (Tiermetapher 6), so segelt der Softcore-Antideutsche Richtung Bahamas. Der Wind weht in diese Richtung. Ihr gemeinsamer Jargon ist der Mundgeruch einer verkommenen und unrettbaren Szene.
Bahamotischer Distinktionsgewinn inszeniert sich folgendermaßen: Da man doch gar keinen solchen Unsinn verzapfen kann, muss doch was an ihm dran sein, sonst würden sie’s nicht sagen. So bleibt manchen, vor allem den antideutsch Angekränkelten, der Mund offen, als hätte sie ein energetischer Schlag getroffen. Gerade die Unverfrorenheit der Idiotie kippt sodann in die antideutsche Sinnstiftung. Was soll man von z.B. Christian Stock (IZ3W) halten, der zwar Wertmüller nicht mögen mag, aber sich nun so benimmt wie der Justus sagen wir im Frühjahr 2001? Dass jener jetzt dort ist, wo die Bahamas vor mehr als zwei Jahren gewesen sind, kann doch nicht für ihn sprechen, auch wenn es wiederum nicht für sie spricht, obgleich sie genau das meinen und als schlüssigen Beweis ansehen, wie notwendig es ist, die Softcores durch unentwegte Hetze vor sich herzutreiben.
Oder nehmen wir etwa Joachim Rohloffs Bericht über den Bahamas-Kongress „Gegen die antisemitische Internationale“ in Berlin (Juni 2003). In dem bezeichnenderweise „Unter dem Fallbeil“ (Jungle World 25/2003) titulierten Artikel liest man folgendes: „Kaum fünf Minuten dauerte das Eröffnungsgespräch der etwa 200 Besucher zählenden »antideutschen kommunistischen Konferenz«, die am vergangenen Wochenende im Schatten des Berliner Axel-Springer-Hauses stattfand, da war das erste Urteil schon verkündet und vollstreckt. In der Wochenzeitung Jungle World, einem der zahlreichen Organe des Antiamerikanismus, hatte jemand sich erdreistet, den Anspruch der maßgeblichen antideutschen Denker zu bezweifeln, sie seien jederzeit (Hvhb. F.S.) im Besitz der ganzen Wahrheit (Hvhb. F.S.), und hatte deshalb an der Wahrheit selbst, am menschlichen Streben nach ihr, an der Zivilisation und an der Aufklärung sich vergangen und als Obskurant und unheilbarer Deutscher irgendeiner Nationalität sich zu erkennen gegeben. Mit solchen Leuten, die entweder eingetragene Mitglieder der »antisemitischen Internationale« sind oder vor ihr kapitulieren, gab es nun selbstverständlich keine Verwandtschaft mehr.“
Ein Rohloff hält einiges aus, aber „jederzeit“ und „ganz“, das ist ihm und den seinen zu viel. Der Softcore-Antideutsche untersteht sich hier also tatsächlich, den Hardcore-Antideutschen nicht die päpstliche Unfehlbarkeit zuzugestehen und sie dementsprechend zu huldigen – und doch, sie könnten vielleicht zumindest jederzeit in Besitz der Dreiviertelwahrheit oder zu zwei Drittel im Besitz der ganzen Wahrheit sein. Wer weiß. Will der Hardcore-Antideutsche den Softcore nicht mehr als Verwandten anerkennen, so hält letzterer doch über jeden Zweifelsfall erhaben, zu ersterem, ja er hängt innig an ihm, mag dieser auch nerven, ätzen oder Wertmüller, „der kein Maß kennt“ (Rohloff), heißen.
Wir sind ja eh mit Euch, wir gehören doch zusammen, so der Subtext der Rohloffschen Schreibe, so weit sind wir ja nicht auseinander, so der Tenor dieses antideutschen Maßhalters. Und dann beginnt er zu weinen: „Es reichte nicht, dem Krieg zuzustimmen (sic!, F.S.), man musste ihm bedingungslos zustimmen, ohne Rücksicht auf Verluste.“ Vielleicht sollte er noch Gremliza zitieren: „Justus, warum führst du dich so auf?“ Doch Justus ist ein bayerischer Bischof, und warum soll der sich ausgerechnet die Pöbeleien dieser mieselsüchtigen Stänkerer und somit potenziellen Ketzer gefallen lassen? Der wird doch nicht so blöd sein, seine Autorität zu untergraben, die eben gerade in diesem Maximalismus wurzelt. Wo sind wir denn? – Na, in Deutschland!
Ist der Hardcore-Antideutsche rücksichtslos, so will der Softcore-Antideutsche immer berücksichtigt werden und berücksichtigt haben, dass er die Opfer da nicht so wollte, auch wenn er den Krieg wollte, aber doch nicht so ganz… Man weiß nicht so recht, wer einem da „lieber“ sein soll, der da flennt oder der da gleich Gustav Noske sagt: „Einer muss der Bluthund sein!“ (Tiermetapher 7)

Immer wieder Auschwitz!

Denn bedingungslos – so eines der Lieblingswörter der Antideutschen – ist immer gut, daher ist man wohl auch in antideutschen Kreisen nicht nur für die Bombardierung Dresdens gewesen, nein diese gilt es weiterhin einzufordern. Jetzt erst recht! „Bomber Harris, tu’s noch einmal!“, schreien sie. Dann ist es zum Kommunismus, dank Bomber-Bush, Bomber-Blair oder Bomber-Bahamas, wirklich nicht mehr weit. Apropos Bomber Harris. Es war einst eine traurige Notwendigkeit gewesen, deutsche Städte regelrecht niederzubomben, um die nationalsozialistische Schreckensherrschaft zu beenden. Antifaschisten konnten das nur befürworten. Wer sich heute allerdings daran noch wärmt oder besser eigentlich: entzündet, sechzig Jahre nach diesen Ereignissen solch Militärschläge als positive Bekenntnisse vor sich herträgt, bzw. als aktuelle Forderung ausspricht (und sei es auch bloß als Koketterie), ist krank. K-R-A-N-K! Wie überhaupt das Herbeihalluzinieren von Militärschlägen zu den irrsten Träumen antideutscher Ideologiebildung gehört. Ganz locker denkt man darüber nach, wem man nicht etwa die Atombombe auf den Kopf schmeißen könnte.
Die antisemitische Bedrohung wird dabei ihres realen Gehalts beraubt und zur Metagröße erhoben. Sie wird unspezifisch. Wenn sonst kein Argument mehr einfällt, Auschwitz muss auf jeden Fall verhindert werden, egal wo, egal wann, egal wie, egal, worum es geht. Der Nazi-Vergleich ist überall zugegen, er wird zu einer gleichgültigen, aber beliebigen Allzweckwaffe, jederzeit einsetzbar und auch überall eingesetzt. Die gestrige Untat dient nicht als Mahnung, sondern als Rechtfertigung der heutigen. Von Fischer bis Wertmüller. Auschwitz wird geradezu zum Alibi. Die Nazis dienen als antikes Schutzschild für jeden neuzeitlichen Irrsinn.
Das bisher größte Menschheitsverbrechen muss also herhalten, viele andere zu erlauben, ja einzufordern. Auschwitz wird zum Vorwand diverser Ungeheuerlichkeiten, ja zum Ansporn, gerade um das Schlimmste zu verhindern. Und das wird sogleich behauptet um es prophylaktisch bekämpfen zu können. In Jugoslawien. Im Irak. In Korea. Warum nicht morgen in Russland, China oder Venezuela. Nicht nur dass Auschwitz an anderem relativiert wird, ist ärgerlich, ebenso unerträglich ist, dass an Auschwitz alles andere relativiert wird. Kein Konflikt wird mehr als solcher (an dem dann seine besonderen Bezüglichkeiten zu analysieren sind) wahrgenommen, sondern wird sofort irgendwie auf die Shoah projiziert und somit verniedlicht. Alles steht im Schatten von Auschwitz.
Was sagt man den Leuten im Irak oder in Afghanistan? „Auschwitz war schlimmer!“? Das stimmt zwar, aber was haben sie davon, was soll sie daran aufbauen. Soll daraus gar eine Zustimmung zu oder Toleranz für sämtliche(n) Wahnsinnigkeiten gewonnen werden? Auch dafür, dass Kinder hungern müssen und medizinisch nicht versorgt werden können? Dezimiert man damit vielleicht bloß zukünftige Antisemiten?
Die Shoah fungiert in dieser Logik als Entschuldigung und Begründung für diverse Verbrechen, Bombardierungen, Einmärsche, Überfälle, Folterungen etc.- Nach 1945 war es vor allem die Methode der US- und anderer Kalter-Krieg-Ideologen, die maßlosen Nazivergleiche (auch und gerade untermauert durch die unselige Totalitarismustheorie) permanent zu strapazieren. Damit das Schlimmste verhindert werden kann, ist es förmlich geboten zum Schlimmen und immer Schlimmeren zu greifen. Der mögliche Superlativ entschuldigt jeden wirklichen Positiv und Komparativ. Alles gedeiht vorzüglich auf der Bezichtigung der anderen als Nazis.
Antideutsche gilt es folgendes zu fragen: Wenn die Palästinenser (und ihre Unterstützer) tatsächlich unbelehrbarer antisemitischer Mob sind, der Israel bedroht und auslöschen will, was soll denn dann mit ihnen geschehen? Soll man sie wegmachen? Und wie tut man das? Und wer stellt es an? Demokratisiert man sie mit Granaten und plattgewälzten Wohnhäusern?
Im Gegensatz zu den Antideutschen wollen wir selbst denen keine Vernichtungsphantasien unterstellen, die das umgekehrt unaufhörlich tun, aber die Frage bleibt offen: Worauf läuft die Konsequenz dieser Position hinaus? Lange Zeit haben wir das provokative Gezeter als typisch deutschen Verbalradikalismus der Antideutschen abgetan. Inzwischen sind wir aber nicht mehr so sicher, ob wir uns und ihnen solch eine wohlwollende Deutung durchgehen lassen sollen. Frei nach Adorno glaubt der Antideutsche nämlich den Schwachsinn, den er erzählt. Dann wird’s freilich kritisch, vor allem die rabiate Gangart riecht förmlich nach Übergriff, das Gerede vom antideutschen Saalschutz ist nicht bloß kokett, die Handgreiflichkeiten mehren sich. Die meinen sich ernst, das sind Deutsche.
Die deutschen Antideutschen sind ihrer Grundhaltung nach zutiefst antihumanistisch, sie delektieren sich am Leid anderer Leute. Nur so etwa sind auch die Kommentare angesichts der Hochwasserkatastrophe im August 2002 zu verstehen, wo man inbrünstig und lautstark in Entzückung ausgebrochen ist, als Teile Ostdeutschlands in einer braunen Brühe versunken waren. Der Unterschied von uns zu den Antideutschen ist ein ganz profaner: Uns hat das nicht gefreut, nicht nur deswegen, weil ich selbst an einem der obersten Oberläufe von Moldau und Elbe mitgeholfen habe, dass das Wasser nicht bei der Türe hereinkommt. Das halten wir für eine Selbstverständlichkeit, auch wenn wir die volksgemeinschaftliche Inszenierung der Betroffenheit unerträglich finden. Hier einen antideutschen Witz zu reißen, überlassen wir wirklich dem Wahnwitz.

Nicht pingelig? Nicht pingelig!

Zu mir. Nicht pingelig soll ich sein? Genau das! Das Pingelige der antideutschen Zwängler ist mir auch immer kräftig auf den Arsch gegangen. Es stimmt schon, ich mache nicht halt vor Traditionsblättern (Volksstimme, Junge Welt, Neues Deutschland, Freitag, WOZ, Vorwärts (Bern)), überfalle gelegentlich die liberale Süddeutsche und habe früher im Spectrum, der Wochenendbeilage der nationalkonservativen Presse (österreichische FAZ), geschrieben, bis der Chefredakteur die Feuilletonredakteure angewiesen hat, mich wegen kommunistischer Umtriebe nicht mehr zu drucken, was diesen und mir leid tut.
Von mir gab es in der Wiener Volksstimme, dem Organ der KPÖ, ab 1994 Artikel wie „Die Schaffenden und die Raffenden“, Beiträge gegen die obligate linke Privilegienkritik, gegen Umverteilung und kreiskysche Nostalgien, gegen Politikgläubigkeit und Staatsfixiertheit, gegen den Rechtsfetischismus, aber auch diverse Kommentare und Analysen zum Antisemitismus. „Jagt die Spekulanten! Schlagt sie tot“ (Streifzüge 3/1998) ist in diesem Blatt der „nationalen Linken“ als Vorabdruck erschienen. Ähnliches gilt für die Junge Welt, den Freitag oder Neues Deutschland. Jeder, der sich überzeugen will, braucht nur einen Blick auf die zugängigen Homepages zu werfen. So sind heuer in der Jungen Welt Aufsätze zur Kritik der sich abzeichnenden Sozialbewegung und ihrer Argumentationsmuster erschienen, und zwar am 6. Januar und am 12. Februar (letzterer eine Kurzfassung des Streifzüge-Artikels gegen die Gerechtigkeit, Nr. 1/2003).
Aber eigentlich muss ich mich weder rechtfertigen noch über meine Rechte aufklären lassen. Man sollte nicht einfach nacherzählen, was in antideutschen Gerüchteküchen so geplaudert wird. Was ich publiziere, müsste für sich sprechen. Und wer meint, was gegen mein Schriftgut haben zu müssen, dem oder der kondoliere ich gerne.
Stets galt es Publikationsmöglichkeiten zu suchen und zu nutzen. Wer unter gesellschaftlicher Wirksamkeit etwas anderes versteht als das Versteinerungsspiel im „eigenen“ Blätter- oder Szenewald, sollte das begreifen. Links von der Junge(n) Freiheit stellt da alles eine Möglichkeit dar, vom Bayernkurier bis zur Jungle World sollte dabei im Prinzip nichts ausgelassen werden. Erstere wurde nur mangels der dort nicht vorhandenen Nachfrage nicht frequentiert und über letztere gibt es nunmehr in der Krisis Differenzen, ob man sich ihrer nach den letzten Ereignissen noch bedienen kann. Kriterium der Veröffentlichung (aber auch des Auftritts) ist die friktionsfreie Darstellung der eigenen Position. Auf jeden Fall führt dieses Publizieren dazu, dass auch Leute etwas in die Hand bekommen, die nicht Krisis– oder Streifzüge-Leser sind. Das ist doch gut so. Wenngleich die Wirkung größer sein könnte, sind über diese Kanäle interessante Kontakte entstanden.
Wir wollen Möglichkeiten schaffen, dass Leute begreifen, überlegen und zustimmen können. Egal wo. Die Fixierung auf eine bestimmte Szene war nicht unsere, wenngleich wir uns nie ganz davon lösen konnten. Krisis und Streifzüge sind keine Szeneprojekte. Ihre Attraktivität hat darin bestanden, dass dies auch so wahrgenommen werden konnte. Seminarbesucher und Abonnenten verweisen auf ein eigentlich sehr interessantes gesellschaftliches Potpourri, obwohl wir zugegebenermaßen damit bisher noch immer nicht richtig umgehen können. Ist irgendwie doch Neuland. Die, die allerdings Jünger sein wollten, zogen meistens schnell wieder ab.
Treibt’s dieser Schandl also mit allen, wenn er es für vorteilhaft hält? – So ist es. Vieles ist Experiment, manches gelingt, manches misslingt. Ja die schlecht beleumundete Person ist sogar mit Antideutschen (Scheit, Grigat u.a.) mehr als fünf Jahre im Wiener Kritischen Kreis gesessen, was in den antideutschen Erzählungen meist verschwiegen wird. Aber eben das veranlasst ihn heute zu sagen: Es geht nicht! Es war vergebliche Mühe. Die Auseinandersetzungen haben nicht gefruchtet. Der größte Reinfall der letzten zehn Jahre waren die Antideutschen. Das gilt es zur Kenntnis zu nehmen. Diesbezüglich muss man selbstverständlich auch von einer herben Enttäuschung reden, wenn geschätzte Leute die Bahamas vorziehen, ja mittlerweile zum Kern der Hardcores gehören. Das macht durchaus betroffen.
Aber auch puncto Jungle World muss festgehalten werden, dass es dort überhaupt keine Entwicklung gegeben hat, die in unsere Richtung gelaufen wäre. Nicht nur diese allzu intime Beziehung ist ein Flop gewesen, auch die bevorzugte Kommunikation mit den Antideutschen hat sich als strategischer Unsinn erwiesen. Sowohl was die organisatorische Zusammenarbeit betrifft als auch die inhaltliche Debatte. Spätestens nach den skandalösen Auftritten der ISF und dem Recken-Rudel (Tiermetapher 8) der Bahamas auf unseren Seminaren (1996/97) hätte man das wissen müssen. Im Gegenteil, es ist sogar davon auszugehen, dass die Satisfaktionsfähigkeit der Antideutschen auch daher rührt, dass wir jahrelang bloß verhaltene Kritik übten, ja auf der Krisis-Homepage sogar – wir gestehen es und bitten nachträglich um Entschuldigung – Bahamas und ISF als befreundet verlinkten. Irgendwie hat man denen die Räuberleiter gemacht. Das ist nun endgültig Geschichte.
Und doch sind wir überhaupt keine Hygienefanatiker, wie nun die Hardcores schimpfen. Erst als das Antideutsche sich zunehmend als kollektive Dreckschleuder entpuppte und kein Jauchefass ausgelassen wurde, setzte sich hier ein hygienisches Bedürfnis gegenüber der einstigen vornehmen Zurückhaltung durch. Zurecht und zeitweilig. Aber auch diesbezüglich sind wir nur auf Säuberung und nicht auf Säuberlichkeit, auf Reinigung und nicht auf Reinlichkeit aus.

Hasser aller Hasser?

Die leicht durchschaubare Rolle, die man mir in diesem antideutschen Mysterienspiel zumutet, ist die des „österreichischen Antideutschen-Hassers“. So Thomas Schmidinger, der inzwischen sogar von Querfronten meinerseits weiß, von denen nicht einmal ich was weiß. Ja, und Funwert-Mausebär weiß auch was. Er weiß, dass ich der „Meister des nörgelig-penetranten Wortspiels und seit Jahren Hasser aller Deutschlandhasser“ bin. Hasser aller Deutschland-Hasser zu sein, dazu bin ich, der Liebhaber des Deutschen, nun auserkoren. – Ach Schicksal, lass ab von mir!
Man merkt, da soll ein Klischee entworfen werden, das durch kontinuierliches Weiterverbreiten eine entsprechende Wahrnehmung erzeugt. Bei näherer Betrachtung sagt diese über die bezichtigte Person nichts, über die bezichtigenden Personen aber viel aus. An der Begrifflichkeit erkennt man nicht mich, sondern lediglich die Projektionen der Torpedos, um mal nicht einen Tiervergleich, sondern einen Materialvergleich anzustellen. Begriffen wird damit nichts, aber die Antideutschen haben ein Feindbild mehr, dass sie dringend brauchen. Nun denn, wenn sie ohne mich nicht auskommen können, sollen sie mich gern haben.
Der Hass allerdings war und ist nicht das meine. Wie kommen die Antideutschen nur darauf, mir so ein tiefes (inniges wie niedriges) Gefühl für sie zu unterstellen, noch dazu, wo ich doch über den Hass schon Einschlägiges gesagt habe, damals in der Jungen Welt vom 19. Dezember 1996, als diese noch ein vereintes Blatt gewesen ist: „Der dumpfe Aufruf ,Lasst uns hassen‘ ist also nicht nur beschränkt“, schrieb ich, „sondern geradezu gemeingefährlich. Hass ist eine Kategorie der Blindheit, er ist nicht Voraussetzung von bewusstem Handeln, sondern geradezu die Aussetzung von bewusstem Denken. Er ist stets das unbegriffene Etwas.“
Nicht Hass ist es, was mich in anti-antideutsche Regung versetzt, sondern primär Verachtung und Mitleid. Mitleid mit den Mitläufern und Verachtung für die Protagonisten. Und auch das war nicht immer so gewesen, sondern hat sich erst nach der völligen proimperialen und bellizistischen Entpuppung der Antideutschen nach dem 11. September aufgedrängt. Wer’s nicht glauben will, lese bitte die doch sehr gesitteten Debatten in den Streifzügen nach, sowohl jene zwischen Gerhard Scheit und mir über die „Freiheitlichen Sirenen“ (Ausgaben 2/1999, 3/1999, 4/1999, 1/2000) als auch die zwischen Stephan Grigat und mir über „Theorie und Praxis“ (Ausgaben 2/2000, 3/2000, 4/2000, 1/2001). Aber das passt nicht ins antideutsche Jägerlatein, daher wird es in den nunmehr tradierten antiger-manischen Heldensagen unterschlagen. In den kolportierten Märchen verwechselt man sogar den Wolf und das Rotkäppchen.
Enttäuschung, Ärger, Abscheu, das alles ist mir nachzusagen, aber kein Hass. Im Gegenteil, der Hass ist das deutsch-antideutsche Grundgefühl, dem ich nicht anhänge, das man mir aber partout anhängen will. Die, die das Hassen affirmieren und kultivieren, schließen dann gleich von sich auf mich.

Ungepflegte Nationalbolschewisten

Die Junge Welt habe ich stets für interessanter, wichtiger und notwendiger gehalten als die Jungle World, auch wenn jene auf den ersten Blick antiquierter gewirkt hat: Die meisten Beiträge sind dort sorgfältiger ausgewählt und ausgearbeitet, die Berichterstattung ist seriöser und gründlicher. Das Blatt ist auch von der Themenpalette her breiter, hat den größeren Toleranzspielraum und somit auch Horizont. Von der Sozialkritik bis Pop und Klassik hat die Junge Welt mehr hergegeben als der Jungle, den ich meistens als pubertierendes Halbstarken- und Gesinnungsblatt empfunden habe. Ohne die Artikel der Krisis-Leute oder Bernhard Schmids hätte ich ihn auch kaum gelesen.
Wer die Zeitungen abseits biographischer Vorurteile rezipiert, muss ganz einfach eingestehen, dass die Junge Welt besser gemacht und geschrieben ist. Damit ist noch nicht einmal gesagt, dass man ihr besonders nahe stehen muss. Der Linkstraditionalismus mag schon ärgern ob seiner Zähigkeit, gegen das Schülerzeitungsgetöse der Jungle World hebt er sich allemal positiv ab. Wer die Ganglien nicht völlig verstopft hat mit antideutschem Kaugummi, braucht das nur zu überprüfen. Dazu allerdings ist Unvoreingenommenheit vonnöten, Unvoreingenommenheit, wie man sie von Antideutschen nicht erwarten kann. Die antideutsche Szenerie hat sich vielmehr ein Feindblatt konstruiert, auf dass man beliebig hinschlagen kann. Die Junge Welt hat stigmatisiert zu sein, wie ein biologischer Reflex läuft das bei den Antideutschen ab. An eine kleine, aber nicht unwichtige Anekdote sei hier aber doch noch erinnert, damit solcherlei ja nicht in Vergessenheit gerät. 1999 als puncto Serben-Liebe Justus Wertmüller und Werner Pirker auf einer Linie gelegen sind, hat die Bahamas-Sekte tatsächlich bei der Jungen Welt angeklopft. Die Versuchung „nostalgisch auf die Junge Welt zu rekurrieren“ (Bahamas 29/1999) ist allerdings an dieser gescheitert.
Der Antideutsche existiert aufgrund seiner selektierten Feinde. Hat er sie nicht, erschafft er sie. Man stelle sich nur vor, Werner Pirker würde den Antideutschen recht geben. Dann müssten sie wahrlich heulen ob dieses großen Verlustes. Aber im Ernst: Vergleicht man Autoren wie Justus Wertmüller und Werner Pirker, dann geht der Vergleich eindeutig zugunsten des Letzteren aus. Das Konkret war um vieles lesbarer und gehaltvoller als Pirker in der ersten Hälfte der Neunziger dort über Ost- und Südosteuropa geschrieben hat als später, wo das Wertmüller-Racket über moslemische Männer, Nürnberger Wertkritiker und andere Antisemiten zu Felde ziehen durfte. Und wer gar meint, der offene Rassismus der Bahamas-Bande sei eher zu tolerieren als der Antizionismus Pirkers, hat sowieso einen Dachschaden. Grundlage solchen Unsinns ist, dass, wer gegen den Antisemitismus auftritt, sich im Prinzip in der Szene alles erlauben kann. Nur, wir gehören nicht zur Szene und wir erlauben gar nix. Solche Freibriefe gibt es nicht.
Die Junge Welt hat es jedenfalls auch unseren Funwert-Leuten aus Leipzig ganz besonders angetan, sie soll gar „ein antizionistisches Hetzblatt für den ungepflegten Nationalbolschewisten“ sein. Wau! Irgendein antideutscher Rülpel hat da was in die Welt gesetzt, auf dass die anderen Lümmel es nachplappern. Schon die Wortwahl zeigt, dass hier die Welten auseinanderdriften. Funwert verkörpert antideutsche Aversion der billigen Sorte, eben nicht Kritik und Auseinandersetzung. Solch Pöbelei des antideutschen Mobs verlangt kritische Solidarität mit der Jungen Welt.Ich werde gleich mal 50 Euro auf das nationalbolschewistische Umzugskonto überweisen.
Die Junge Welt ist eine relativ offene linke Tageszeitung, eine, die auch einiges (mehr als das ND) verträgt, ja gegebenenfalls sogar extra anfrägt, um Beiträge nachzudrucken, etwa Martin Dornis Attacke auf die Politik aus den Streifzügen 3/2002. Man wird in Zukunft dort noch mehr von Krisis-Autoren lesen. Insgesamt kennen wir keinen Grund, nicht in ihr zu schreiben. Vor allem gibt es dort keine Kriegshetzer. Dass sie mich in der Redaktion übrigens „für einen geschätzten Autor“ halten, will ich doch hoffen. Was soll ich auch sonst sein?

Deutschland pfui! Amerika hui!

Der Leipziger Funwert-Logik geht so: Antideutsche Bellizisten tun etwas Falsches, die Friedensbewegung hingegen ist etwas Falsches. Wir allerdings sagen: Bahamas & Co sind nicht (mehr) entwicklungsfähig, sie sind homogenisierter Unsinn. Friedens- und Sozialbewegung sind, trotz aller Schwächen, ein heterogenes Durcheinander. Ihr Schicksal ist noch nicht entschieden (und schon gar nicht das all ihrer Segmente), wenngleich die obligate Integration die wahrscheinlichste Variante ist. Bei den abendländischen Glückskriegern hat dieses Crossover hingegen bereits stattgefunden oder es vollzieht sich soeben.
Gegenwärtig gilt: Kriegsgegner, die antiamerikanisch sind, sind uns lieber als Kriegsbefürworter, die proamerikanisch sind. Warum die Antiimps im konkreten Fall manchmal besser wegkommen als die Antideutschen ist einfach zu erklären: Die Antideutschen sind aus falschen Gründen für was Falsches: Krieg, Amerika, Glücksversprechen. Die Antiimps sind aus falschen Gründen gegen etwas Falsches: Krieg.
Wer aktuell wie die Funwerts unter der Parole „Gegen Krieg, Antiamerikanismus und deutsche Wege“ protestiert, bezieht Aspekte aufeinander, ja,bringt Dinge durcheinander, die so nicht zusammengehören. Aber der Antideutsche ist süchtig auf Deutschland, kein Motto darf es geben, wo es nicht vorkommt.
Der Antiamerikanismus stört, aber nicht weniger stört das proamerikanische und proimperiale Antideutschtum. Was die Sache noch ekelerregender macht, ist, dass nunmehr der Antiamerikanismus als Chiffre für den Antisemitismus zeichnet. Der Antiamerikanismus sei säkularisierter Antisemitismus, sagen die Hardcore-Antideutschen. Und abermals wird in induktivem Wahn von einer Möglichkeit auf die ganze Wirklichkeit geschlossen und der naive Kindergarten kreischt vor Freude. Morgen schon werden die etwas langsameren Softcores das neue Sprücherl aufsagen: Antiamerikanismus ist Antisemitismus. Wieder einmal wird einer dieser billigen Analogieschlüsse gezogen. Da es Antiamerikaner gibt, die Antisemiten sind, ist der Antiamerikanismus antisemitisch. Gegen die USA zu sein, heißt Teil der antisemitischen Internationale zu sein. – Grandios, nicht? Aber das geht rein, zweifellos.
Auch Funwert scheint dieser Logik verpflichtet zu sein, wenn auch bloß im Konjunktiv: „Wenn wir die Wahl zwischen Deutschland und Amerika hätten, wählten wir Amerika. Das ist nämlich nicht die Wahl zwischen Pest und Cholera, sondern die zwischen Pocken und Grippe.“ – Warum eigentlich? Deutschland und Frankreich verkörpern aktuell doch eher die „imperialistische Restvernunft“ (Ernst Lohoff) als die Amokläufer in Übersee. Dass sie nicht mitbombten, hat in diesem einen Fall nicht gegen sie gesprochen, da braucht man gar nicht „good old Europe“ oder sonst was beschwören.
Es ist wieder einmal typisch, dass gar nicht mehr nach der spezifischen Qualität von Pocken und Grippe gefragt wird. Die Antideutschen schätzen deutsche Windpocken gefährlicher ein als tödliche Grippeerreger aus den USA. Denn wichtig ist nicht, was etwas ist, sondern woher es kommt. Das Hooligan-Niveau, auf dem sich der antideutsche Ländervergleich bewegt, geht so: Deutschland pfui, Amerika hui, Deutschland pfui, Amerika hui… Und dann wacheln sie mit stars und stripes und bezichtigen die anderen des Patriotismus. Mag sein, was ist, nichts ist so gefährlich wie Deutschland. Immer. Überall. Ewig. Deutschland, Deutschland, über alles!
Wie alle anderen notorischen Deutschnationalisten geht den Antideutschen Deutschland über alles. Für Antideutsche ist das Deutsche die Hauptsache. „Deutschland, Deutschland, wir verbeten Dich!“, heißt es in der 21. Sure des „Kleinen Adorare“. Niemand (von Nazis einmal abgesehen) hält Deutschland für so bedeutsam wie die Antideutschen. Negatives Deutschtümeln ist ihre Praxis, Andacht, die das Denken außer Funktion setzt, ihre Voraussetzung. Selbst am internationalen Parkett brüllt dann ausgerechnet die teutonische, also deutsche wie antideutsche Rotzpippe unentwegt im preußischen Staccato: „Vergesst Deutschland nicht!“, „Schaut auf die Deutschen!“, „Deutschland ist wichtig!“, „Deutschland!“, „Deutschland!“ „Deutschland!“ Dieses hysterische Immer-wieder-Deutschland-Geschrei ist geradezu charakteristisch für den Antideutschen. Als gäbe es nichts auf der Welt, was nicht ohne dieses Scheiß-Deutschland zu denken wäre.
Warum sollte ausgerechnet die USA gegenwärtig besser sein als Deutschland? Das Bier ist schlechter, die Unis sind verschulter, das Sozialsystem poröser (wenn überhaupt vorhanden), nirgendwo kommen so viele Wirtschaftsflüchtlinge um wie an der mexikanischen Grenze, nirgendwo sitzen so viele im Gefängnis wie im Democracyland. Und der Antikommunismus ist so hoch im Kurs wie eh und je. Spielt man jetzt noch auf die Todesstrafen an oder sagt gar, dass seit 1945 die USA die dickste Blutspur auf diesem Planeten hinterlassen haben, was wir ausdrücklich tun, dann ist man als Antiamerikaner, also Antisemit, also potenzieller Judenmörder, also Deutscher, also ein mit Atombomben zu Bekämpfender entlarvt. Was soll man da noch sagen? – Kein Fußbreit dem antideutschen Furor!

Sozialdarwinisten gegen Sozialromantiker

Die Diffamierung der Antikriegsbewegung als völkisch und der Sozialbewegungen als volksgemeinschaftlich ist einfach inakzeptabel. Wer Friedens- oder Sozialdemos anhand einiger Transparente beurteilt, gibt sowieso nur zu verstehen, dass eins nichts verstehen will, dass eins bloß wahrzunehmen gedenkt, was eins schon vorher unterstellte. Eins ist auf süchtiger Suche nach Indizien und immer wird eins fündig: Egal, was du mir zeigst, ich induziere es. Diese Aufdeckungslust verdeutlicht aber lediglich inhaltliche Regression.
Die Situation ist vielmehr die, dass sich bei den Antideutschen hinter dem Anti-Antisemitismus ein rassistisch aufgeladener Sozialdarwinismus verbirgt. Interessant ist in diesem Zusammenhang der Vorwurf der „Sozialromantik“ an unsere Adresse. Übrigens ein „astrein liberaler Begriff“ (Robert Kurz), der sich gegen alle wendet, die sich dem Marktliberalismus nicht unterordnen wollen. Von antideutscher Seite geäußert, ist das direkt eine Ehrenbezeugung, die wir uns gerne an die Brust heften. Wir wollen nicht, dass die Leute vor die Hunde gehen, auch nicht die falschen Leute im falschen Leben. Dass sie sich an alte Zustände und verkommene Ideen klammern, ist verständlich, wenn auch falsch. Aber genau hier einzugreifen, das Falsche zu benennen ohne seine (Über-)Träger zu denunzieren, ist unsere vornehme Aufgabe. Sozialkritik im umfassenden Sinne wird in Zukunft sicher eines unserer Hauptbetätigungsfelder sein.
Natürlich haben Sozialstaat und Volksgemeinschaft gemeinsame Wurzeln und folgen ähnlichen Bewegungsmustern, das gilt es durchaus anzusprechen. Aber deshalb sind sie noch lange nicht substanziell identisch, sondern stellen unterschiedliche Auflösungsstufen derselben dar. Diese Differenz darf nicht eingeebnet werden. Aber Plattmachen ist eben die bevorzugte antideutsche Tätigkeit. Die Antideutschen sind zu. Antideutsch, das ist der Antifaschismus des durchgeknallten Kerls.
Dunkel kapieren das auch die Funwerts, aber sie begreifen nicht, was sie verstanden haben. Das rührt daher, weil ihr primäres Koordinatensystem selbst ein antideutsches ist. So sind die Bahamas nur blöde, die Friedensdemonstranten aber böse und antisemitisch. Reagieren Funwerts auf die Hardcores bloß verärgert, so auf ND, Junge Welt, Friedensmarschierer und Sozialbewegungen offen aggressiv. Das macht freilich einen Unterschied aus. Antideutsche machen halt mal was Falsches, aber die anderen sind etwas Falsches. In ihrer Logik ist das ein Unterschied ums Ganze. Bloß ist er ums Ganze falsch.

Vokabelkompott

Antideutsche sind nicht nur begnadete Denunzianten, sie verstehen sich auch auf eine geradezu perfide Immunisierung ihrer selbst. Wenn ihnen was nicht passt, sprechen sie sofort von „pathischer Reaktion“. Von „Verschwörungstheorie“, „Projektionen“, „Relativierungen“, ja „Verharmlosungen“ ist dann die Rede, egal worum es geht. So werden kritische Einwände stets ins Nirwana überführt, man verschiebt die Diskussion und hat sie somit flugs entsorgt.
Indes, Verschwörungen gibt es noch und nöcher. Das auszusprechen hat noch nichts mit dem Entwerfen von Verschwörungstheorie zu tun. Aber dies auseinander zu halten ist Antideutschen wohl zu schwierig, kann man doch mit billigen Gleichsetzungen und Vergleichen so schön punkten, wenn auch nur im eigenen Bereich. Ganze Kindergärten werden inzwischen in diesem Geist der permanenten Verdächtigung abgerichtet. (Tiermetapher 9)
Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Die organisatorische Übernahme der Wiener Alternativzeitschrift ContextXXI konnte nur vorbereitet und durchgezogen werden durch spezifische Absprachen und Vorhaben einiger Kader. Da werden die beiden ehemaligen koordinierenden Redakteure Stephan Grigat und Thomas Schmidinger doch ihre Finger im Spiel gehabt haben, oder? Das wird sich doch der Franz Schandl nicht nur einbilden. Dies zu sagen ist notwendig und nicht falsch, und absolut gar keine pathische Projektion. Dass ContextXXI neuerdings wie ein Bahamas-Abklatsch ausschaut, dürfte ja aufgefallen sein. So haben jene, die nach dem Split der Streifzüge zurecht jede Ambition auf eine eigene Publikation mangels Publikum aufgegeben haben, ein anderes Blatt kalt übernommen. Wir gratulieren.
„Verschwörungstheorie“ schreit der Antideutsche sodann. Weil man weiß, wie solche Vokabel wirken, verwendet man sie. Es wird schon was hängen bleiben. So wie die Worte benutzt werden, sind sie allerdings nicht Ergebnis einer Analyse, sie fungieren vielmehr als entschiedene Vorurteile, als hingeworfene Brocken, an denen man sich wiederkäuend (Tiermetapher 10) wiedererkennt. Jene treffen nicht, aber sie kommen bei der Softcore-Herde (Tiermetapher 11) oder Hardcore-Horde (Tiermetapher 12) gut an. Es handelt sich jedenfalls dabei um ein übel riechendes Vokabelkompott, um identitätslogische Setzungen von differenzierten Inhalten. Um einen Baukasten für Kafkasche Odradeks, d.h. beliebig zusammengesetzte Dinge, die zwar völlig unbrauchbar sind, weil sie aber mit richtigen Teilfunktionen ausgestattet sind (oder zu sein scheinen), suggerieren, dass sie für die Wirklichkeit stehen.
Der banale Analogieschmarren ist zwar bar seines originären Bezugs, dafür versetzt er eine Sequenz in ein anderes Bezugsfeld. Sagt Hitler Ratten, sagt Schandl Schafe, dann haben Hitler und Schandl in der Tiermetapher zueinander gefunden. Gehört doch zusammen, oder? Siehe auch dieser Aufsatz, wo es vor Herden und Horden nur so wimmelt. Gut wäre auch folgender: Hat Arafat einen Großonkel, der Nazi gewesen war und Schandl ebenso, dann sind doch beide – na, darf man raten? Wahrscheinlich hat diese Ausuferung der in Mode gekommenen „Großonkel-Theorie“ nur deswegen noch nicht die teutonischen Zirkel ergriffen, da die Großonkel der Antideutschen wohl mit einem ähnlichen genealogischen Defekt ausgestattet sind. In der vollends durchgeknallten Szene funktioniert solcherlei ornamentaler Unsinn wie ein antideutscher Hexenhammer.
Knalltüten brauchen Knallfrösche. Deutsche Jungs erkennen sich an antideutschen Reizworten, an kanonisierten Kanonen. Antideutsche sind nicht reflektiert, sie agieren vielmehr wie reflexartige Bioautomaten, die auf bestimmte Hölzchen anspringen, werden sie nur geworfen. (Tiermetapher 13) Reflexion ist auf den Reflex gekommen. Der Köter heißt dementsprechend Reflexi (Tiermetaper 14), bekannt dafür, dass er sich wahllos in allen Waden verbeißt. Und das Hundehalterherrchen gibt hernach immer zu Protokoll, dass es dafür einen Grund geben muss, sonst würde das treue Tier es ja nicht tun. Logo?

Andacht und Verdacht

Fun beiseite: Das unvermittelte Etwas gibt es nur als Erleuchtung, es muss wie Gott daherkommen. Es ist das eine Religion, die ganz klassisch in Gläubige und Nichtgläubige unterscheidet und letztere als Ungläubige verfolgt. Denken wurde da tatsächlich durch Andacht und Verdacht weitgehend ersetzt. Andacht meint, dass das Denken von der Kritik ins Gebet übergegangen ist. Kriterium der Andacht ist die Erbauung, nicht die Erkenntnis. Das Gebet als Gebot erscheint als zu ahndendes Verbot, daher auch die Verwandtschaft zur Political Correctness. Wird zuwidergehandelt, dann ist Exkommunikation angesagt. Da es sich bei solchem Typus um Bekehrte handelt, glauben sie ihren Priestern aufs Wort.
Der Dachverband der Hardcore-Antideutschen, die fortan so zu bezeichnende „Assoziation Antideutscher Antikommunisten“ (AAA) hat jetzt tatsächlich einen „Antideutschen Katechismus“ herausgegeben. Die Kirche fordert zum Beitritt. Aber da ist was Wahres dran, nur noch religiös lässt sich der antideutsche Furor bestimmen und aufrechterhalten. Bevor die junge Gemeinde zu lachen beginnt oder ihrer Altvorderen überdrüssig wird, muss sie vergattert werden.
Andacht und Verdacht werden nicht mehr nur verinnerlicht, sie werden offensiv in die Auslage gestellt: Schaut, wie fromm wir sind. Wir sind nicht nur eine Sekte, wir bekennen uns dazu. Und es ist tatsächlich die Katechetik, die Lehre von der kirchlichen Unterweisung der kirchlich Unmündigen, auf die die Mentoren der Antideutschen sich verstehen, auch wenn sie sonst nichts mehr verstehen. Auf dass aus den zu schulenden Katechumen brave Katecheten werden. Und die Jünger blättern eifrig im Katechismus, entnehmen ihm ihre Gebete und Gebote und singen einen Psalm nach dem anderen. Bald werden sie wohl gleich den Zeugen Jehovas an diversen Straßenecken ihre Heilsfibeln anbieten. Und wer nicht folgt, wird eben exkommuniziert, stigmatisiert oder zumindest ein bissl punziert oder drangsaliert, auf dass er oder sie wieder pariert. Deliriert wird auf jeden Fall.

Antideutscher Sonderweg nach rechts

Die entscheidende Frage der Wertkritik ist Kritik und Abschaffung des Werts, die entscheidende Frage für die deutschen Antideutschen ist Deutschland. Dazwischen liegen Welten. Das geht nicht zusammen, und wir wollen es auch gar nicht mehr zusammenbringen. Wer mit den Antideutschen kann, kann nicht mit uns können.
Der offene und formale Bruch mit den Antideutschen muss vollzogen werden. Und zwar nicht nur mit der Hardcore-Variante, sondern mit allen Antideutschen, d.h. mit Leuten die ihre „politische“ Existenz mit dem streng dualistischen Code Antisemitismus und Anti-Antisemitismus rechtfertigen und über die quasi-ontische Konstellation Zweiter Weltkrieg (Deutsche-Alliierte) nicht hinauskommen. Eine Unterscheidung in akzeptable und inakzeptable Antideutsche ist nicht akzeptabel.
Die Bahamas haben schon recht, wenn sie meinen, dass sie anti-antikapitalistisch, also prokapitalistisch sind. Dass die Antideutschen in der Zwischenzeit nicht einmal mehr einen schwer verkürzten Antikapitalismus vertreten, sondern gar keinen, ist ihrem Schrifttum leicht zu entnehmen. Nix zu Sozialkritik oder Ökologie, nix zu Marktwirtschaft oder gar Kulturindustrie. Dass dies dort nicht auffällt, ist nur darauf zurückzuführen, dass den antideutschen Schädeln Scheuklappen aufgesetzt sind.
Falls es noch jemand nicht weiß: Das Antideutsche ist mit dem 11. September abgelaufen. Seither stinkt es kräftig. Was wir danach erlebten, ist ein irres Täuschungsmanöver, wo gerade Lautstärke, Aggressivität und Schärfe des Agierens einen okzidentalen Schleier über die durchgeknallte Biederkeit dieser zivilisatorischen Eiferer legen. Vor allem mit dem Krieg im Mittleren Osten haben die Antideutschen endgültig das emanzipatorische Lager verlassen und sind zu den Zelten der Demokratie- und Menschenrechtsbomber übergelaufen. Die Eiswüste der reinen Negation haben gegen die blanke Affirmation US-amerikanischer Realpolitik eingetauscht: Pro Amerika, pro Zivilisation, pro Kapital, pro „emphatische Bürgerlichkeit“, pro Zirkulationssubjekt, pro Sozialabbau. Antideutsch ist der deutsche Sonderweg ehemaliger Linksradikaler nach rechts.
Dieser Vorgang muss kenntlich gemacht werden. Auch das schwer pathologische Schauermärchen Joachim Bruhns, in dem Robert Kurz allen an die Gurgel möchte, die links von der Krisis stehen, ist als Freiburger Werwolfstraum (Tiermetapher 15) zu dechiffrieren. Die dem Bruhnschen Hirn entsprungenen Moskauer Schauprozesse werden in den Kopf des Kontrahenten hineinphantasiert. Apropos links, nicht dass wir da jetzt in den kindischen Wettbewerb treten wollen, wer denn der linkeste im Land ist; aber links von der Krisis gibt es keine Antideutschen. Die Antideutschen sind ungefähr so links wie Bush und Wolfowitz, Merkel oder Sharon. Also rechts. Die Antideutschen sind mit der israelischen Rechten gegen die israelische Linke, mit der Bush-Administration gegen die US-Opposition, mit der Welt gegen die Junge Welt, mit der Bild gegen die Krisis.
Aus Zynikern der Ohnmacht sind Zyniker der US-Streitmacht geworden. Ihre Rolle besteht darin, die Restlinke mit kleinen ideologische Streubomben des Schwachsinns zu bewerfen und Zerfetzungserfolge abzufeiern. Dass es außer im deutschsprachigen Raum nirgendwo „linke“ Entsprechungen der Antideutschen gibt, sollte doch zu denken geben. Traurige Zeiten, in denen man so etwas extra erwähnen muss. Je schneller wir diesen Spuk beenden, desto besser für alle Beteiligten.
„Neue Philosophen“ wie Levy oder Glucksmann, übrigens stramme Kämpfer gegen den Antiamerikanismus, wissen zumindest, dass sie Renegaten sind, die Antideutschen hingegen glauben allen Ernstes noch immer, sie seien Kommunisten. Wie kann man nur so verrückt sein? Antideutschtümelei und Kommunismus sind ebenso unvereinbar wie Antideutschtum und Proimperialismus zusammengehören. Und es ist Zeit, dass dies alle schnallen.

Seuchenteppich und Quarantäne

„Manchmal frage ich mich, bin ich oder ihr verrückt“, fragt Funwert-Mausebär. Seien wir sicher: Wenn jemand irre geworden ist, dann die Antideutschen. Sie sind in einer gemeinsamen Wahnkammer gefangen, aus der auch moderate Teile nicht aussteigen können. Quarantäne ist das Beste, was man den Leuten wünschen kann. Das ist doch die Chance, dass sie sich erholen. Wehleidig sind sie ob solcher Vorschläge nun geworden, man dürfe sie auch nicht mit Tieren oder Müll vergleichen, nicht einmal eine Seuche wollen sie sein, das alles sei schwer daneben und gar nicht korrekt, außerdem haben doch auch Nazis ihre Widersacher als Tiere vorgeführt usw. usf. So sudern sie. Unsere Diffamatoren, diese Brennstäbe des antideutschen Irrsinns wollen akkurat nicht radioaktiver Abfall der Restlinken sein. Das nennen sie dann Fascho-Sprache.
Mit Verlaub, welche Seuche hätte uns beim Antideutschtum einfallen sollen, wenn es keine biologische sein darf – doch nur eine atomare! Keine einzige Rückmeldung konnte bisher entkräften, dass dem nicht so sei. Außer dass ich etwas nicht sagen darf, ist diesen Einwendern nichts zu entlocken. „Radioaktiver Abfall“, und sie wiederholen es zu meiner Überraschung inständig, das verbeten sie sich. Darf der denn das? Ist das nicht widerlich? – Nun, um nichts widerlicher als der Gegenstand der Bezeichnung. Derweil wollte ich in dieser Aussendung keine Kategorie einführen, sondern bloß eine treffende abschätzige Bemerkung anbringen. Wird aus ihr mehr, hat sie aber in den noch ausständigen Aufführungen der antideutschen Kirchenoperette meinen ausdrücklichen Sanctus. Soll sein. Genehmigt. Einigen wir uns halt darauf und teilen den Erfolg. Mir die Setzung, den Antideutschen das Entsetzen. Jeder darf mit meiner Erlaubnis die Antideutschen radioaktiven Abfall der Restlinken nennen. Das ist nicht verkehrt, zumindest solange man nicht strenge ökologische Kriterien anlegt, denn eigentlich handelt es sich um Müll, nicht um Abfall. (Zur Differenzierung von Müll und Abfall siehe meinen Artikel „Dimensionen des Mülls“ in Krisis 18).
Bezüglich meiner Terminologie gilt es kategorisch festzuhalten: Was man nicht sagen darf, darf man mir gar nicht sagen, sonst sage ich gleich nochmals, was man sagen muss. Wer meint, mich da irgendwo erwischt zu haben, den hat es sowieso schwer erwischt. Wenn es mir notwendig erscheint, lasse ich den ganzen Zoo für oder gegen die Antideutschen antreten. Alle Schmidingers aufgepasst: Sage ich „Schafe“, blöken die Antideutschen sofort: „Tiermetapher!“, „Tiermetapher!“, Tiermetapher!“ – Wenn das kein Beweis ist.
Der Bannstrahl, den die antideutschen Ideologen in Thorscher Manier aussenden, ist einer Schubumkehr zu unterziehen, damit er tatsächlich jene trifft, die ihn verschicken. Jene, die keine Zurückhaltung kennen, inflationär mit Faschismus-, Antisemitismus- und Volksgemeinschaftsanwürfen hantieren, jene, deren zentrale Kommunikationsmittel Denunziation und Diskreditierung sind, die etwa Robert Kurz „Eiseskälte und Todesgier“ (www.brueche.com/home.htm vom 27.6.2003) unterstellen, haben sich nach langer Geduld das zugezogen, was ihnen gebührt. Auch die Schärfe der Wortwahl. Das hier ist ein Ausnahmefall: Denunziert die Denunzianten! Exkommuniziert die Exkommunikatoren! Her mit dem Seuchenteppich! Ab in die Quarantäne!
Die antideutschen Kohorten sind wie bei meiner Container-Aussendung aufgefordert, diese finalen Bemerkungen in alle Winde zu verteilen und in alle Netze zu stellen. Auch auszugsweise. Damit das Allgemeingut wird und vielleicht auch einige Früchtchen was lernen können. Halbwegs deutsch lesen werden sie ja können, obwohl sie antideutsch schreiben. Hoffnung besteht immer. Denn nicht alles, was als antideutsches Gemüse beginnt, muss sich zum Justus-Pilz oder zur Bruhn-Staude auswachsen. Heissa, das war nun sogar eine Pflanzenmetapher. Und die Botanik wäre jetzt auch an der Reihe, aber leider ist der Artikel zu Ende. Kraut und Unkraut, gibt es ein schöneres deutsches Thema?

aus: Krisis (Hg.), Scharfe Schafe. Geschorenes zum antideutschen Bellizismus, Erlangen, September 2003, S. 29-36.