Nachhaltiger Kapitalismus?

1. TEIL: ÜBER DEN ZUSAMMENHANG VON WIRTSCHAFTSWACHSTUM UND ÖKOLOGISCHER NACHHALTIGKEIT

Streifzüge 3/2003

von Ernst Schriefl & Andreas Exner

Nachhaltigkeit – ein schillernder und modischer Begriff; viele flechten ihn in ihre Rhetorik ein. Aber gibt es jenseits des leicht dahin Gesagten eine ernsthafte Debatte über Nachhaltigkeit? Gibt es sie in der so genannten „Linken“? Kann den Herausforderungen der Nachhaltigkeit mit den gängigen Konzepten begegnet werden, oder braucht es radikalere Ansätze? Wir begeben uns in diesem dreiteilig konzipierten Text auf Spurensuche.

Nachhaltige Verwirrung

Das Wörtchen „nachhaltig“ ist nicht erst seit dem Rio+10-Gipfel 2002 in Johannesburg, dessen Ergebnisse ja bekanntlich eher mager ausgefallen sind und der beinahe schon wieder in Vergessenheit geraten ist, in vielerlei Munde. Doch dieses Wörtchen hat es aufgrund seiner Mehrdeutigkeit in sich und sorgt für Verwirrung: Wenn beispielsweise das Budget oder irgendeine Firma nachhaltig saniert werden soll, die Forstwirtschaft ja gemäß Eigendarstellung schon (fast) immer nachhaltig war, Österreich oder die EU sich eine Nachhaltigkeitsstrategie verpassen, dann sieht man schon, dass die Bedeutung von „nachhaltig“ oder „Nachhaltigkeit“ durchaus kontextabhängig ist.

Was also verbirgt sich hinter diesem Zauberwort?

Wenn man der für uns hier relevanten Bedeutung des Wortes „nachhaltig“ nachspürt, kommt man zunächst am Bericht der Brundtlandt-Kommission (1987) nicht vorbei. In diesem Bericht wurde der Begriff des „sustainable development“ eingeführt und einer breiteren Öffentlichkeit vermittelt. Eine Entwicklung, „die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“, sei gemäß der Brundtlandt-Kommission „sustainable“ und in der deutschen Übersetzung eben „nachhaltig“. (1) Diese Übersetzungsvariante war und ist durchaus nicht unumstritten. Andere Übersetzungsmöglichkeiten wären „dauerhaft“, „dauerhaft aufrecht erhaltbar“ oder „zukunftsfähig“.

Aber jenseits sprachlicher Feinheiten nochmal zurück zur Brundtlandt-Definition. Dieser oft zitierte Satz, der sich auf die Bedürfnisse jetziger und zukünftiger Generationen bezieht, klingt ja ganz nett, ist aber derart allgemein und daher auch nichts sagend, dass er sich problemlos in jede politische Sonntagsrede einbauen lässt. Daher eine Stufe genauer: Der Kern von „nachhaltiger Entwicklung“ liegt in der Dauerhaftigkeit, das heißt, es geht um eine Entwicklung in ökologischer, sozialer, ökonomischer, politischer etc. Hinsicht, die dauerhaft aufrechterhalten werden kann. Dauerhaft zumindest nach menschlichem Ermessen, das heißt über sehr, sehr viele Legislaturperioden, über sehr viele Generationen, über viele Jahrhunderte hinweg. Es muss sich daher um eine Entwicklung handeln, die mit den Grenzen der ökologischen Tragfähigkeit und der Rohstoffverfügbarkeit vereinbar ist, die dafür sorgt, dass das Erwirtschaftete einigermaßen bedürfnisgerecht verteilt wird, und die in eine Gesellschaftsstruktur eingebettet ist, die sich mit diesen ökologischen und sozialen Leitlinien vereinbaren lässt.

Und hier gibt es bereits einen ersten, unserer Ansicht nach sehr wesentlichen Knackpunkt: Wie müsste denn – zumindest in den Grundzügen – eine gesellschaftliche Lebensweise beschaffen sein, die nachhaltig, also dauerhaft aufrecht erhaltbar ist, bzw. wie stark müsste das gegenwärtige Gesellschaftssystem reformiert, adaptiert, umgebaut oder abgebaut werden, um mit der Leitidee nachhaltiger Entwicklung vereinbar zu sein? Im Mainstream des Nachhaltigkeitsdiskurses geht man davon aus, dass Marktwirtschaft bzw. Kapitalismus schon irgendwie mit ökologischer Nachhaltigkeit vereinbar seien, man müsse in das System nur passende Maßnahmen einführen, um eine entsprechende Richtungsänderung zu bewirken. Welche Maßnahmen das nun sein könnten, seien es eher ordnungsrechtliche Maßnahmen, sprich Ge- und Verbote oder Standards oder so genannte marktkonforme Maßnahmen, also Abgaben, Steuern oder Handel mit Zertifikaten, darüber lässt sich vortrefflich streiten. Hardcore-Liberale plädieren überhaupt für freiwillige Vereinbarungen mit der Industrie, weil diese ja sowieso selbst am besten wisse, wie auf den Pfad der ökologischen Nachhaltigkeit einzuschwenken sei und sich zudem bevormundet fühlen könnte, wenn man ihr mit neuen Vorschriften kommt. Die der Marktwirtschaft zugestandene prinzipielle Flexibilität, der Herausforderung von nachhaltiger Entwicklung gerecht zu werden, mündet schließlich in die Idee einer „öko-sozialen Marktwirtschaft“.

Die grundsätzliche bzw. radikale (radix = Wurzel) Frage, ob sich das bestehende Wirtschaftssystem überhaupt in Richtung Nachhaltigkeit adaptieren lässt oder ob es nicht angesichts der Herausforderung nachhaltiger Entwicklung obsolet geworden ist, wird zumeist gar nicht gestellt, geschweige denn umfassend behandelt.

Wirtschaftswachstum als Problem

Ein wesentliches Merkmal des herrschenden Wirtschaftssystems, egal ob man es nun als Marktwirtschaft, soziale Marktwirtschaft, kapitalistische Marktwirtschaft, Kapitalismus oder wie auch immer bezeichnet, ist der Zwang zum Wachstum. Und zwar nicht etwa Wachstum der Qualität oder des Wohlstands, wie das ab und zu in euphemistischer Weise behauptet werden mag, sondern ganz banal Wachstum der in Geldeinheiten gemessenen Wirtschaftsleistung, egal ob sich diese an der Produktion von Abfangjägern, noch mehr Straßen, noch bulligeren Autos, Junk-Food, Flugreisen nach Djibouti oder zur Abwechslung an der Herstellung nützlicher Sachen wie gesunder Lebensmittel oder behaglicher Behausungen bemisst. Im Fachjargon wird diese Maßgröße für wirtschaftliche Aktivität Bruttoinlandsprodukt (BIP) oder Bruttosozialprodukt (BSP) genannt.

Dass dieses zwanghafte Wirtschaftswachstum mit den Anforderungen einer nachhaltigen Entwicklung in Einklang zu bringen ist, wird von uns massiv bezweifelt.

Mit Fug und Recht kann das globale Wirtschaftswachstum als das ökologische Problem ersten Ranges bezeichnet werden. Nachdem jeder wirtschaftliche Prozess Material und Energie verbraucht, ist wachsende Wirtschaft in der Regel mit wachsendem Energie- und Rohstoffverbrauch verbunden. Zumindest gilt dieser Zusammenhang für die Vergangenheit, auch wenn so genannte Teilentkoppelungen stattgefunden haben, also beispielsweise der Energieverbrauch phasenweise geringer anstieg als das Bruttoinlandsprodukt. Gänzliche Entkoppelungen (schrumpfender oder stagnierender Energie- und Rohstoffverbrauch trotz wachsender Wirtschaft) sind grundsätzlich denkbar und für begrenzte Zeiträume auch nicht auszuschließen, unserer Ansicht nach aber über längere Zeiträume unrealistisch, wie wir im Folgenden noch argumentieren werden.

Wirtschaftswachstum ist unter den jetzt gegebenen Bedingungen direkt verantwortlich für den wachsenden Ausstoß von Abfall und diversen Schadstoffen und damit die Ursache für Treibhauseffekt, verschmutzte Meere und überquellende Deponien. Unbestritten unter NachhaltigkeitsforscherInnen ist deshalb die Forderung eines drastisch verringerten Verbrauchs – zumindest an nicht erneuerbaren Ressourcen, insbesondere in den „reichen“ Ländern, also jenen Ländern mit einem hohen BIP pro Kopf. So beziffert etwa das Wuppertal-Institut in der Studie „Zukunftsfähiges Deutschland“ die erforderliche Reduktion bis zum Jahr 2050 auf 80 bis 90 Prozent für nicht erneuerbare Energieträger und nicht erneuerbare Rohstoffe. (2) Wie aber sollen derart drastische Reduktionen mit einer stetig wachsenden Wirtschaftsleistung vereinbar sein?

ProponentInnen der These, dass stetiges Wirtschaftswachstum mit einem dramatisch verringerten Ressourcenverbrauch vereinbar ist, stützen sich in ihrer Argumentation im Wesentlichen auf zwei Prinzipien: Steigerung der Energie- und Rohstoffeffizienz einerseits und Substitution (Ersetzung) von nicht erneuerbaren durch erneuerbare Ressourcen andererseits. Steigerung der Energie- und Rohstoffeffizienz bedeutet, dass der gleiche Output an Gütern und Dienstleistungen mit (immer) weniger Input an Energie und Rohstoffen erfolgt. Beide Prinzipien haben zweifellos eine zentrale Bedeutung für den Übergang zu einer nachhaltigen Lebensweise. Sind sie aber ausreichend, um ein sehr niedriges Verbrauchsniveau an nicht erneuerbaren Ressourcen bei gleichzeitig fortschreitendem Wirtschaftswachstum zu garantieren? Dazu ein kleines Gedankenexperiment: Nehmen wir eine jährliche Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts von 2 Prozent an; das ist eine durchaus moderate Wachstumsrate, bei der WirtschaftsforscherInnen gerade noch nicht von Rezessionsgefahr sprechen. Nach 50 Jahren wäre unter dieser Annahme das BIP auf das etwa 2,7- fache, nach 100 Jahren auf das 7-fache, nach 200 Jahren auf das 52-fache, nach 300 Jahren auf das 380-fache des Ausgangsniveaus gestiegen. Das ist die Dynamik exponentiellen Wachstums.

Soll der Verbrauch an nicht erneuerbaren Ressourcen durch Effizienzsteigerungen auf z. B. 10 Prozent des Ausgangsniveaus sinken und konstant gehalten werden, dann müsste die Ressourceneffizienz jeweils um das Zehnfache der oben genannten Werte des BIP-Wachstums steigen – also nach 50 Jahren um das 27-fache, nach 100 Jahren um das 70-fache, nach 200 Jahren um das 520-fache, nach 300 Jahren um das 3800- fache. Schwindelerregende Werte. Es ist sehr schwer vorstellbar, dass solche Effizienzsteigerungen, bezogen auf den gesamten wirtschaftlichen Output, möglich sind. Bei sehr großem Optimismus könnte gerade noch ein Faktor 100 realistisch erscheinen.

Wobei bereits zweifelhaft ist, ob eine Effizienzsteigerung um einen Faktor 10 (der in weiten Teilen der Nachhaltigkeitsszene kursiert) erreichbar ist, insbesondere wenn es sich um rein technologische Effizienzsteigerungen handelt und die gesamte Wirtschaft betrachtet wird. Die Hoffnung auf die „Effizienzrevolution“ wird bislang von erfolgreichen Beispielen einzelner Produkte oder Dienstleistungen genährt, wo – bezogen auf den jeweiligen Betrachtungsausschnitt – tatsächlich beachtliche Effizienzverbesserungen erzielt werden konnten, wie etwa die Bücher „Faktor 4“(3) oder „Öko-Kapitalismus“(4) dokumentieren. Dass diese partiellen Effizienzgewinne sich auf die makroökonomische Ebene verallgemeinern lassen, darf bezweifelt werden. (5)

Ein Effekt, der Effizienzverbesserungen bei makroökonomischer Betrachtung negativ beeinflusst, ist der so genannte „Rebound- Effekt“. Er bleibt oft unberücksichtigt und lässt sich folgendermaßen charakterisieren: Wenn sich Unternehmen durch Einsparungen beim Ressourcenverbrauch auch Geld ersparen, was sich die ProponentInnen des „Öko-Kapitalismus“ ja gerade wünschen, dann werden auch mehr Investitionsmittel frei, die nach profitabler Anlage suchen. Wird dieses Geld in Produktionsbereiche mit niedriger Ressourceneffizienz investiert, so kann der positive Effekt der Verbrauchsreduktion in einem bestimmten Produktionssektor insgesamt gesehen sogar negativ werden. „Fließt“ das „freiwerdende“ Geld in die Erweiterung der Produktion derselben, nun ressourcensparender hergestellten Warensorte, so wird der positive Umwelteffekt ebenfalls deutlich gemindert.

Effizienzverbesserungen im weiteren Sinn sind auch durch soziale Innovationen erzielbar, beispielsweise durch gemeinsame Nutzung von Gütern. Dadurch wäre der Bedarf an diesen Gütern drastisch zu verringern. Diese Option würde aber potentiell das Wirtschaftswachstum senken bzw. zu einer Schrumpfung der Wirtschaft führen, was im Kapitalismus krisenhafte Erscheinungen mit sich bringt.

Selbst wenn man annimmt, dass der konstant niedrig gehaltene Verbrauch an nicht erneuerbaren Ressourcen in erster Linie durch Substitution (zu 90 Prozent) und nur zu 10 Prozent durch Effizienzsteigerungen erreicht werden soll, müsste die Effizienz in gleichem Maße steigen wie das BIP, also nach 300 Jahren etwa um den Faktor 380.

Möglichkeiten zur Substitution nicht erneuerbarer durch erneuerbare Ressourcen sind letztendlich durch die verfügbare Fläche begrenzt. Man denke etwa an Nutzung von Photovoltaik zur Gewinnung elektrischen Stroms oder an die verschiedenen Arten von Biomasse zur Gewinnung erneuerbarer Rohstoffe und Energieträger. Aber lange bevor noch die absolute Grenze bebaubarer Fläche erreicht ist, kommen vielfältige Nutzungskonflikte zum Tragen. Ein steigender Flächenbedarf für erneuerbare Energieträger und Rohstoffe bedeutet z. B. Konkurrenz für die Nahrungsmittelproduktion. Dabei wäre auch noch zu bedenken, dass die Landwirtschaft gerade im Zuge einer Ökologisierung eigentlich mehr Fläche in Anspruch nehmen müsste als derzeit.

Unsere Meinung daher: Es gibt Grenzen der Effizienzverbesserung und der Substituierbarkeit, auch wenn heute noch nicht bekannt ist, wo diese Grenzen liegen. Ein stetiges wirtschaftliches Wachstum ist mit einem konstant gehaltenen niedrigen Verbrauch an nicht erneuerbaren Ressourcen und daher mit einer wesentlichen Prämisse ökologischer Nachhaltigkeit nicht vereinbar.

Wie sieht es eigentlich mit qualitativen Aspekten des Wirtschaftswachstums aus? Könnte man es zumindest insofern rechtfertigen, als es eine schier unermessliche Fülle an Wohlstand (zumindest für die meisten BewohnerInnen der OECD-Länder) gebracht hat? Der im ersten Moment vielleicht plausible Zusammenhang zwischen Wachstum und Wohlstand hält – in dieser simplen Sicht – einer kritischen Prüfung nicht stand. Denn erstens sind im BIP auch Ausgaben für Rüstung, innere Sicherheit, Reparatur von Umweltschäden etc. enthalten. Zweitens kann man mit Hilfe von Wohlstands-Indikatoren wie dem ISEW (Index of Sustainable Economic Welfare) zeigen, dass die Lebensqualität für viele Länder seit den 80er-Jahren trotz stetigen Wachstums des BIP (oder gerade deshalb) sinkt oder stagniert. (6) Ab einem gewissen Punkt – so könnte man sagen – wird zusätzliches Wachstum benötigt, um die durch dieses Wachstum verursachten Probleme nach Möglichkeit (d. h. innerhalb der Grenzen von Finanzierbarkeit und Profitabilität) zu kompensieren.

Eine weitere „qualitative Dimension“ des Wirtschaftswachstums sei hier nur erwähnt: Wenn bestehende Märkte nicht mehr wachsen können, müssen neue entstehen. Das bedeutet, dass erstens immer neue Bedürfnisse für neue Waren „erfunden“ werden müssen und dass zweitens immer mehr Bereiche, die bis jetzt vom Markt verschont geblieben sind, in seinen Strudel gezogen werden. Aktuelle Beispiele sind die Vermarktwirtschaftlichung des globalen Saatguthandels (der Großteil des global eingesetzten Saatguts wird noch am Profit „vorbei geschwindelt“) oder die Nutzung von Gentechnik. Auch der (Würge-)Griff der multinationalen Konzerne nach öffentlichen Dienstleistungen im Rahmen des WTO-Abkommens GATS (General Agreement on Trade in Services) fällt hier hinein. Das GATS kann als eine – im Rahmen des kapitalistischen Systems „rationale“ – Notwehrmaßnahme angesehen werden, mit dem Ziel, die Wachstumsmaschinerie noch eine Zeit lang am Weiterlaufen zu halten. Auch in dieser Hinsicht ist fortgesetztes Wirtschaftswachstum seiner Qualität nach also negativ.

Warum wir das Wachstum nicht einfach stoppen können(7)

Wenn fortwährendes Wirtschaftswachstum einmal als gravierendes Problem anerkannt ist, so liegt die Schlussfolgerung nahe: Wir sollten es stoppen. Aber so einfach ist das nicht. Einerseits produziert Marktwirtschaft, solange sie noch nicht gesättigte Märkte vorfindet, aus sich selbst heraus Wachstum.

Das liegt daran, dass in einer Marktwirtschaft sowohl Einzelunternehmen als auch die Arbeitsproduktivität (also die Menge an Waren, die eine Arbeitskraft herstellen kann) wachsen (müssen). Wie man weiß, sind Unternehmen in einer Marktwirtschaft gewinnorientiert, und sie sind das nicht (nur) deshalb, weil es netter ist, Gewinne als keine Gewinne zu machen, sondern weil entsprechend hohe Gewinne die besten Voraussetzungen für das Überleben in der Konkurrenz am Markt sind. Wer Gewinne macht, kann diese in die Anschaffung besserer Produktionsanlagen reinvestieren und damit Waren produzieren, die der Konkurrenz eine Nasenlänge voraus sind, oder kann im nächsten Jahr einen großangelegten Werbefeldzug starten etc. Weiters dienen Gewinne der Verteilung gesellschaftlicher Ressourcen, d. h. Geld, „Arbeitskraft“, Kreativität, Maschinen und Rohstoffe fließen in diejenigen Bereiche, die am gewinnbringendsten sind. Gewinne sind der Maßstab für Unternehmenserfolg, d. h. sie belohnen markteffiziente Verhaltensweisen. Modellhaft betrachtet, agiert ein Unternehmen im Grunde wie ein Flugzeugpilot im Blindflug: Alles, was es an Informationen über seine „soziale Umwelt“, also die menschlichen Bedürfnisse und seinen Erfolg in ihrer Befriedigung bekommt, sind die Geldsignale in seiner Buchhaltung. Je mehr Gewinn hereinkommt, desto besser hat das Unternehmen die Vorgabe des marktwirtschaftlichen Autopilots erfüllt. Darin besteht die unveränderbare Logik des marktwirtschaftlichen Steuerungssystems. Natürlich versuchen Unternehmen beispielsweise durch Marktforschung ihre Informationen über die soziale Unternehmensumwelt zu verbessern. Jene oben skizzierte, grundlegende Logik bleibt aber davon unberührt.

Nur in Nischenbereichen ohne nennenswerte Konkurrenz, ohne die Möglichkeit zu fortschreitenden Produktivitätssteigerungen sowie bei unternehmerischer Selbstausbeutung können sich (Klein-) Unternehmen auch ohne Gewinne eine Zeit lang am Markt halten. Verluste dürfen sie auf längere Sicht jedenfalls keine machen, wollen sie nicht ihren ökonomischen Untergang herbeiführen. Dieser Fall kann aber sehr rasch eintreten, wenn ihre Produkte plötzlich von der Konkurrenz billiger hergestellt werden oder sich die Nachfrage ändert.

Wie können Gewinne nun gesteigert werden? Erstens indem die bestehenden Anlagen besser ausgelastet oder erweitert werden, also mehr produziert und abgesetzt wird, oder zweitens durch neue Anlagen die Arbeitsproduktivität steigt und mit weniger Arbeit – also weniger Kosten – der gleiche Output erreicht werden kann. Eine dritte Möglichkeit besteht darin, die Löhne zu senken. Diese Strategie ist aber prinzipiell nur begrenzt anwendbar und stößt schon vor Absenkung des Lohns auf ein für den Fortbestand der lohnabhängigen Bevölkerung absolut notwendiges Niveau auf sozialen Widerstand. Das ist für die Unternehmen nicht zuletzt selbst wiederum mit Kosten verbunden und trägt auch zur Erosion ihrer Absatzmärkte bei; was – nebenbei bemerkt – gerade den selbstzerstörerischen Charakter des neoliberalen Standortwettbewerbs ausmacht. Im „volkswirtschaftlichen Idealfall“ aber und in Summe ergeben Wachstum von Unternehmen und Arbeitsproduktivität das Wachstum der Gewinne und damit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit eines Staatsgebiets. Das ist die eine Seite der Medaille.

Die andere, politisch unmittelbar relevante Seite besteht darin, dass im kapitalistischen System die Wirtschaftsleistung ständig wachsen muss, um keine gröberen Krisen entstehen zu lassen. Die Alternative im Kapitalismus ist eben nicht Wachstum oder Stabilität, sondern Wachstum oder Niedergang. Auf den ersten Blick klingt es ja eigentlich absurd, warum das so schlimm sein soll, wenn der in Geldeinheiten gemessene wirtschaftliche Output 2002 „nur“ gleich hoch ist wie 2001 oder gar so niedrig wie 1998. Zumal man doch schwer behaupten kann, dass in den OECD-Ländern ein Mangel an wirtschaftlichem Output herrscht. Es ist ja eher so, dass unsere Gesellschaft unter den Folgen des Überflusses leidet (Stichworte Wegwerfgesellschaft, Konsumterror etc); einmal abgesehen von der prekären Lage benachteiligter Randgruppen, die selbst in unseren Überflussgesellschaften zu kurz kommen, was an marktwirtschaftlichen Verteilungsmechanismen liegt.

Woher kommt es also, dass unsere PolitikerInnen eine stagnierende oder schrumpfende Wirtschaftsleistung fürchten wie der Teufel das Weihwasser?

Stagnierende Wirtschaftsleistung oder selbst die bloße Erwartung einer Stagnationsphase führt zum Rückgang von Neuinvestitionen – weil nur bei Erwartung entsprechender Gewinne investiert wird oder weil sich die letzte Investition noch nicht rentiert hat (diese amortisiert sich schneller bei höheren Gewinnen, sinkende oder stagnierende Gesamtwirtschaftsleistung drückt die Gewinne im Schnitt). Branchen, die direkt von der Investitionstätigkeit anderer leben, sind zuerst betroffen, z. B. die Baubranche oder die Hersteller von Produktionsanlagen. Diese bauen aufgrund gesunkener Auftragslage Arbeitsplätze ab, die Arbeitslosenzahlen steigen, mehr Arbeitslose führen dazu, dass es weniger Konsumausgaben gibt, was wieder andere Branchen betrifft. So kann sich eine Abwärtsspirale in Gang setzen. Die Angst vor dieser Abwärtsspirale ist es also, die PolitikerInnen schlaflose Nächte bereiten kann. Noch bevor es dazu kommt, wird die Notwendigkeit des Wirtschaftswachstums zumeist mit der Notwendigkeit der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit begründet. Die durch das Wachstum der Arbeitsproduktivität verursachten Arbeitsplatzverluste können nur durch eine entsprechend wachsende Wirtschaft kompensiert werden. Weiters kann Wachstum Verteilungskonflikte mildern – ein weiterer Grund, weshalb es bei PolitikerInnen so beliebt ist. Wenn der Wirtschaftskuchen wächst, können theoretisch alle mehr davon bekommen, ohne dass jemand zurückstecken müsste.

Aber muss denn nicht der Staat eingreifen, wenn das Wirtschaftswerkel einmal ins Stocken gerät und die Abwärtsspirale droht? Nun: Er tut dies in der Regel, allerdings ist er in seinen Möglichkeiten beschränkt. Über die Steuereinnahmen ist der Staat auf Gedeih und Verderb an den reibungslosen Lauf der Wirtschaftsmaschine gebunden. Kürzt er die Ausgaben, verschärft er über weiteren Nachfrageentgang die wirtschaftliche Krise. Deshalb stampft der Staat in diesem Fall nach Möglichkeit Investitionsprogramme (für Autobahnen, militärische Güter oder ähnliches) aus dem Boden oder stellt etwa anderen Staaten Kredite zur Verfügung, damit die Produkte seiner Wirtschaft dort Absatz finden können. Allerdings hat die Staatsverschuldung, wie nicht erst seit dem Zirkus um das Nulldefizit bekannt ist, auch ihre Grenzen. Begibt man sich noch eine Stufe tiefer auf der Suche nach Ursachen für den Wachstumszwang, wird man fündig und stößt auf – Geld.

VertreterInnen der so genannten Freiwirtschaftslehre könnten an dieser Stelle in Versuchung geraten, erleichtert aufzuatmen, da Geld endlich die ihm entsprechende Würdigung erfährt. Anders als in der Freiwirtschaftslehre hakt sich unsere Kritik allerdings nicht am Zins fest, sondern geht noch weiter. In der Freiwirtschaftslehre gilt der Zins quasi als die Wurzel allen Übels, ergo auch als Wurzel für den Zwang zum Wirtschaftswachstum – was auf den ersten Blick einer gewissen intuitiven Logik nicht entbehrt, da ein Unternehmen mindestens so erfolgreich wirtschaften (so viel Gewinn einfahren) muss, dass es neben der Kapitalrückzahlung auch die Zinszahlungen für Fremdkapital bedienen kann. Die Schlussfolgerung jedoch, höhere Zinsen bedingten höheres Wirtschaftswachstum bzw. niedrigere Zinsen niedrigeres Wachstum und zinsfreies Geld („Freigeld“) führe quasi automatisch zu einer nicht wachsenden Wirtschaft, ist falsch. Dies lässt sich schon dadurch zeigen, dass in der wirtschaftspolitischen Alltagspraxis die Zinsen gesenkt werden, gerade um das Wachstum anzukurbeln. Bei niedrigeren Zinsen werden mehr Investitionen rentabel. Dadurch erhofft man sich eine Erhöhung der Investitionstätigkeit und in Folge eine Ankurbelung des Wirtschaftswachstums. Zinsfreies Geld allein würde die Kreditvergabe unattraktiv und eine komplexe, vernetzte und flexible Marktwirtschaft unmöglich machen. Aus diesem Grund wird in der Freiwirtschaftslehre ein so genanntes „Schrumpfgeld“ propagiert. Wenn Schrumpfgeld nicht ausgegeben oder nicht verliehen (investiert) wird, verliert es kontinuierlich an Wert. Das aber ist ein Mechanismus, der erst recht wieder zur Ankurbelung des Konsums und der Investitionstätigkeit führt. Zudem würden durch ein Schrumpfgeld kapitalintensive und ökologisch tendenziell negative Großtechnologien (Atomtechnologie, Gentechnik u. ä. ) möglicherweise attraktiver. Wie all das mit einer nicht wachsenden, ökologisch nachhaltigen Wirtschaft vereinbar sein soll, bleibt schleierhaft. Freigeld war in der Praxis daher genau dort erfolgreich, wo die Wirtschaft angekurbelt werden sollte (siehe z. B. das oft zitierte Freigeld-Experiment in Wörgl(8)).

Uns geht es im Gegensatz zur Freiwirtschaftslehre um etwas anderes, nämlich um die Eigenschaft des Geldes, abstrakten Reichtum, also „Reichtum schlechthin“ zu repräsentieren. Es geht uns um die Ursache und um die Folgen dieser Eigenschaft. Im Geld drückt sich der abstrakte ökonomische Wert der Waren aus. Dieser Warenwert ist etwas in höchstem Grade Mysteriöses; bringt er doch die unendliche konkrete Vielfalt des „Warenuniversums“, vom Eierlikör bis zum TV-Gerät, auf einen einzigen Nenner. Als Wertgegenstände sind die Waren qualitativ völlig gleich gemacht. Damit sind sie auch quantitativ vergleichbar. Das ist zwar völlig verrückt, nichtsdestoweniger ein gesellschaftliches Faktum, dem sich die Einzelnen nicht entziehen können: Bezahlt muss werden.

Erst der Wert stellt einen sozialen Zusammenhang zwischen den scheinbar unabhängigen Warenproduzierenden her. Denn die Menschen sprechen sich nicht direkt über die Produktion ihrer Gesellschaft ab, sondern produzieren für die konkreten gesellschaftlichen Bedürfnisse voneinander isoliert. Ihre soziale Beziehung erscheint ihnen so nur indirekt, nämlich als eine Eigenschaft und eine Beziehung ihrer Produkte; als die Werteigenschaft ihrer Waren und die Wertverhältnisse ihrer Waren am Markt. Die mysteriöse Werteigenschaft kommt den Waren selbstverständlich nicht von Natur aus zu. Trotzdem müssen die Warenproduzierenden der Werteigenschaft und den darauf beruhenden „ökonomischen Gesetzen“, also den Zwängen von Angebot und Nachfrage, von Rentabilität und Finanzierbarkeit usw. gerade so gehorchen, als handelte es sich um echte Naturgesetze. Das nannte Marx den „Fetischcharakter der Ware“. Weil die Warenproduzierenden keine direkte soziale Beziehung haben, ist auch der Zweck ihrer Produktion kein direkter. Es kann ihnen nicht darum gehen, konkrete Bedürfnisse zu befriedigen, sondern es muss ihnen darum gehen, abstrakten Reichtum in der Form von Geld zu „erwirtschaften“.

Eben darin ist nun der Zwang zum Wachstum angelegt. Wie der Wert ist auch das Geld etwas Abstraktes ohne jeden konkreten Inhalt. Es „stinkt nicht“, wie es so schön heisst, und man kann es auch nicht essen, was nicht erst Häuptling Seattle auffiel. Was man nicht essen kann, kann uns aber auch nicht satt machen. Im Unterschied zum „Bedürfnis“ nach abstraktem Geldgewinn kann jedes konkret-sinnliche Bedürfnis auch konkret-sinnlich befriedigt werden. Eine Mahlzeit sättigt, ein Glas Wasser löscht den Durst und eine Liebesnacht stillt das Begehren. Geld aber stillt kein konkret-sinnliches Bedürfnis, sondern entfesselt erst das unstillbare Verlangen nach nichts anderem als sich selbst. Aus 10 Euro können 100 werden, aus 100 Euro kann man 1000 machen und so fort. Die Vermehrung von Geld findet an sich selbst keine Grenze, weil sie als solche keinen Nutzen hat und daher nur um ihrer selbst willen betrieben werden kann. Wenn wirtschaftlicher Erfolg nicht von der Befriedigung konkreter Bedürfnisse abhängt, sondern sich an abstraktem Geldgewinn bemisst, der immer nur in die Produktion von mehr Geld investiert wird, so ist auch gar nichts anderes denkbar: je höher der Gewinn, desto erfolgreicher. Das ist das Grundgesetz des Marktes, dem niemand „bei Strafe des Untergangs“ (Marx) zuwider handeln kann, weder Staat noch Unternehmen noch Angestellte.

Attac: Hellgrüner Wachstumsmotor?

Was hat eigentlich die Globalisierungskritik in Gestalt von Attac zur ökologischen Problematik des Wirtschaftswachstums zu sagen? Auf den ersten Blick steht Attac im Vergleich zur dominanten Strömung innerhalb der Nachhaltigkeitsdebatte ja gar nicht so schlecht da.

Die Forderungen von Attac (Entschleunigung der Finanzmärkte, Stopp der Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen, Einführung international verbindlicher sozialer und ökologischer Mindeststandards, ökologische Steuerreform) laufen darauf hinaus, zumindest einige der schlimmsten Entwicklungen in Richtung Nicht-Nachhaltigkeit zu bremsen. Sie gehen teilweise weiter als so manche offizielle „Nachhaltigkeitsstrategie“. Beispielsweise wird im Grünbuch für eine österreichische Strategie zur nachhaltigen Entwicklung („Österreichs Zukunft nachhaltig gestalten“) das Thema Finanzmärkte sinngemäß mit dem lapidaren Hinweis abgehandelt, man möge doch gefälligst ethisch und ökologisch korrekt investieren. (9)

Aber sind die medienwirksamen Forderungen von Attac und die Zielsetzungen seines Mainstreams auch nur ansatzweise hinreichend, um den Herausforderungen der Nachhaltigkeit gerecht zu werden?

Zumindest bis jetzt scheinen Wachstumskritik und damit fundamentalere Kritik am herrschenden Wirtschaftssystem kein Thema für den medienwirksamen Mainstream bei Attac zu sein. Im Gegenteil, Wachstum wird befürwortet, es müsse nur der Schwenk vom virtuellen Wachstum auf den Finanzmärkten hin zum bodenständig gediegenen Wachstum in der so genannten „Realwirtschaft“ vollzogen werden. Das illustriert etwa ein Zitat von Stephan Schulmeister aus dem Artikel „Aktien – Das virtuelle Kapital“(10), der auf der Homepage von Attac-Österreich zu finden ist. Darin kommentiert er die Wachstumsdynamik der „goldenen“ 60er-Jahre folgendermaßen: „Diese Entwicklung entsprach dem Grundzug des , Realkapitalismus‘, das unternehmerische Gewinnstreben entfaltete sich auf den Gütermärkten, verbunden mit einem stetigen Wachstum von Realkapital, Produktion und Beschäftigung, gleichzeitig blieben die Finanzmärkte stabil. Ihre Rolle war es, der Realwirtschaft zu dienen und nicht umgekehrt. „

Wachstum wird auch gebraucht, um die Pensionen zu sichern. Die scheinbar ökologisch motivierte, im Grunde aber wachstumsbejahende Perspektive des Attac-Positionspapiers „Pensionen“ ist etwa folgende: „Ein weiteres Wachstum der Wertschöpfung ist nur möglich, wenn die Volkswirtschaft durch massive ökologische Weichenstellungen in eine , nachhaltige‘ Richtung gelenkt wird. Die Wertschöpfung muss sich in Bereiche verlagern, die keine oder nur einen Bruchteil der Umweltschäden von heute anrichten. „(11)Auch Jörg Huffschmid, Verfasser der inoffiziellen „Attac-Bibel“ mit Titel „Die politische Ökonomie der Finanzmärkte“ setzt auf „Wachstum“, das selbstredend ein „ökologisches“ sein müsse. (12)

Zweifellos ist es sinnvoll, wenn verglichen mit dem heutigen Niveau die Produktion von Solarzellen, Wärmedämmstoffen, biologischen Lebensmitteln oder öffentlichen Verkehrsmitteln wächst. Aber dieses „Wachstum“ ist gerade kein gesamtwirtschaftliches Wachstum, denn im selben Maße müssen konventionelle Energie- und Lebensmittelerzeugung, die Produktion von Autos und die Schöpfung neuen „Bedarfs“ abnehmen. Es ist also richtig gesprochen ein Strukturwandel ohne Wachstum, möglicherweise sogar mit sinkender gesamtwirtschaftlicher Wertschöpfung. Und dieses Wachstum bestimmter Bereiche ist auch nur für eine Übergangsphase sinnvoll, bis die im wahrsten Sinne des Wortes fossilen Infrastrukturen ausgetauscht sind und aufgrund sozialer und technischer Innovationen das Bedarfsniveau für die verschiedensten Güter und Infrastrukturen gesunken ist.

Wenn es tatsächlich gelänge, einen beträchtlichen Teil des spekulativen Finanzkapitals wieder in die reale Warenproduktion umzulenken, worauf ja die zentralen Attac-Forderungen hinauslaufen, so wäre mit einem beträchtlichem Wachstumsimpuls zu rechnen. Es zirkulieren bekanntlich enorme Mengen an Finanzkapital. Ist Attac also ein Wachstumsmotor?

Dass dieses potentielle Wachstum dann so lupenrein ein ökologisches sein würde, ist zu bezweifeln. Erstens sind auch dem „Wachstum“ von relativ umweltfreundlichen Gütern und Infrastrukturen Grenzen gesetzt und zweitens ist es nicht ganz trivial, die InvestorInnen unter kapitalistischen Bedingungen zu überzeugen, ökologisch sinnvoll zu investieren. Dann müssten nämlich die ökologischen Investitionen im Schnitt auch die rentabelsten sein.

Einmal ganz abgesehen davon, dass eine „Dienstbarmachung“ der Finanzmärkte für die reale Warenproduktion in großem Stil nicht besonders realistisch ist. Die von den Nationalstaaten gebildeten Strukturen der Weltökonomie sind harte Nüsse, und allein mit „Lobbying und Medienarbeit“ ist da sicher wenig zu machen. Vor allem aber ist zu bedenken, dass das Abheben der Finanzmärkte gerade eine Reaktion auf die Sättigung der Warenmärkte und die Erschöpfung des damals möglichen Produktivitätswachstums am Ende des „Wirtschaftswunderkapitalismus“ der 60er Jahre und die darauf folgende tiefgreifende Veränderung von Produktionsmethoden, Unternehmensstruktur, gesellschaftlichen Verhältnissen und Staatensystem darstellt. Eine einfache „Umkehrung“ dieses Epochentrends erscheint daher in hohem Maße fragwürdig.

Am Wachstum also führt kein Weg vorbei, so scheint’s. Auch für Attac. Man wird den Verdacht nicht los, dass Attac als Alternative zum Neo-Liberalismus gegenwärtig mehr oder weniger explizit einen Neo- Keynesianismus strapaziert. Wahrlich keine „andere Welt“, so ist man versucht zu schließen.

Im 2. Teil unseres Texts wollen wir die Palette an gängigen Vorschlägen, die sich mit dem Übergang zu einer nachhaltigen Gesellschaft auseinandersetzen, einer kritischen Analyse unterziehen.

Im 3. Teil schließlich geht es um die Perspektiven radikalerer, ihrem Anspruch nach systemtransformierender Entwicklungswege.


Anmerkungen

(1) World Commission on Environment and Development (1987): Our common future, Oxford Paperbacks; auf Deutsch: Volker Hauff (Hrsg. ) (1987): Unsere gemeinsame Zukunft. Der Brundtlandt-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, Greven; Fred Luks (2002): Nachhaltigkeit, Europäische Verlagsanstalt.

(2) BUND / Misereor (Hrsg. ) (1997): Zukunftsfähiges Deutschland. Ein Beitrag zu einer global nachhaltigen Entwicklung, 4. überarbeitete Auflage, Basel u. a.

(3) Ernst-Ulrich v. Weizsäcker, Amory B. Lovins & L. Hunter Lovins (1996): Faktor 4. Doppelter Wohlstand – halbierter Naturverbrauch, Drömer Knaur, München.

(4) Paul Hawken, Amory B. Lovins, L. Hunter Lovins (2000): Öko-Kapitalismus, Riemann, München (Original: Paul Hawken, Amory Lovins, L. Hunter Lovins (1999): Natural Capitalism, Little Brown and Company).

(5) Zur Vertiefung dieses Aspekts sei die Lektüre von „Die nachhaltige Gesellschaft“ von Saral Sarkar empfohlen, der sowohl technologische als auch ökonomische Gegenargumente anführt; Saral Sarkar (2001): Die nachhaltige Gesellschaft. Eine kritische Analyse der Systemalternativen, Rotpunkt Verlag, Zürich.

(6) Wouter van Dieren (Hrsg. ) (1995): Mit der Natur rechnen – Der neue Club-of- Rome-Bericht, Birkhäuser Verlag.

(7) Vertiefend dazu: Elmar Altvater (1991): Die Zukunft des Marktes – Ein Essay über die Regulation von Geld und Natur nach dem Scheitern des „real existierenden Sozialismus“, Westfälisches Dampfboot; Elmar Altvater, Rolf Hecker, Michael Heinrich & Petra Rinkel-Scharping (1999): Das Kapital. doc. Das Kapital (Bd. 1) von Marx in Schaubildern mit Kommentaren, Westfälisches Dampfboot; Grüne im Europa-Parlament (Hrsg. ) (1993): Ökologie und Marktwirtschaft, verfasst von Jens Dörschel; Richard Douthwaite (1999): The Growth Illusion. How economic growth has enriched the few, empowerished the many and endangered the planet, 2. Aufl. , New Society Publishers.

(8) Fritz Schwarz (1951/1992): Das Experiment von Wörgl, Genossenschaftl. Verlag freiwirtschaftlicher Schriften, Bern.

(9) Anonym (2001): Österreichs Zukunft nachhaltig gestalten. Grünbuch für eine österreichische Strategie zur nachhaltigen Entwicklung, Wien, http://www.nachhaltigkeit.at/strategie/pdf/endtextbka_gruenbuch.pdf

(10) Stephan Schulmeister (2001): Aktien – das virtuelle Kapital, Kommentar in: Der Standard, 22.1. , http://www.attac-austria.org/infos/virtuelles_kapital.php

(11) ATTAC Österreich: Zukunft der Pensionen, Positionspapier Nr. 1, http://www.attac-austria.org/download/pensionen_lang.rtf

(12) Jörg Huffschmid (1999): Politische Ökonomie der Finanzmärkte, VSA-Verlag.