Ein schmerzhafter Ausfall
von Franz Schandl
Mit dem (vorläufigen? ) Ende dieser Zeitschrift geht ein Stück linker Theoriegeschichte in Österreich zu Ende. Auch ein Stück eigener.
Einerseits ist es ärgerlich, daß der Medieninhaber, die KPÖ, meint, gerade das Theorieorgan einsparen zu müssen und weniger den Rotstift bei den diversen Kandidaturen und Wahlen zückt. Geist und Reflexion stehen bei fast allen Teilen der Restlinken nicht hoch im Kurs. Man hält sie für entbehrlich. Andererseits ist aber zu bemerken, daß man sich im Bundesvorstand der KPÖ die Entscheidung nicht leicht gemacht hat, es zu Kürzungen in allen Bereichen gekommen ist und sogar Personal abgebaut werden mußte.
Indes war einiges gelungen. Seit Beginn der neunziger Jahre hatte das „Weg und Ziel“ ganz wichtige Etappen weg vom faden Verkündigungsorgan, hin zur linken Theorie- und Debattenzeitschrift zurückgelegt. Natürlich kann man über die Öffnung der KPÖ verschiedener Meinung sein. Es ist wohl insgesamt eine wilde Mischung aus Notwendigkeit und Überzeugung, Taktik und Schwäche, die hier zum Ausdruck gekommen ist. Trotzdem wagte man, sich mit Leuten einzulassen, die man vor Jahren als "objektiv konterrevolutionär" bekämpfte. Das war manchmal schwierig, für beide Seiten, aber es war aushaltbar. Und es trug auch bescheidene Früchte.
Ein abschließendes Urteil über die Zusammenarbeit ist weder möglich noch sinnvoll, wenngleich meine Befürchtung darauf hinausläuft, daß (durch einen wahrscheinlichen Prozeßgewinn gegen die Treuhand) eine zu Geld und Kräften gekommene KPÖ über kurz und lang auf österreichische PDS macht, sich also endgültig in einen linkssozialdemokratischen Wahlverein wandelt, der schon so seine Unvereinbarkeiten gegen links pflegt. Sollte ich mich irren, sollte es mich freuen.
Tatsache aber bleibt, daß in den letzten sieben Jahren, seitdem ich mich der Zeitung formal und inhaltlich verbunden fühle, vieles möglich wurde, was woanders nie und nimmer gegangen wäre. Ganz banal: längere theoretische Texte zu veröffentlichen, die finanziell (wenn auch bescheiden) honoriert werden, das sollte man nicht unterschätzen. Daß dies nicht mehr der Fall ist, ist ein in vielfacher Hinsicht schmerzlicher Ausfall.
Vieles, was ich geschrieben habe, konnte jedenfalls nur geschrieben werden, weil die „Weg und Ziel“-Redaktion es wollte, anforderte, oder zuließ. Ich hätte es mir sonst (im wahrsten Sinne des Wortes) einfach nicht leisten können. Dafür möchte ich Danke sagen. Der Grad meiner Verwirklichung war wirklich groß, ja ich muß sagen, er war selten so groß wie im „Weg und Ziel“ in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre. Das noch dazu, wo es in nicht wenigen Fragen schwere, ja vielleicht sogar unüberbrückbare Differenzen mit der offiziellen Politik der KPÖ gibt.
Daß diese Toleranz (die in Teilbereichen durchaus Ignoranz gewesen sein mag) gerade jene aufbrachten, die man so leichtfertig Stalinisten schimpft, spricht für die Ermöglicher. Nie wurden seitens der Partei und ihrer Verantwortlichen administrative Schritte gegen mißliebige Artikel oder Autoren gesetzt. Die Redaktion werkte weitgehend autonom, obwohl sie kaum zu einer nachvollziehbaren und ordentlichen Struktur finden konnte, Entscheidungen mehr im informellen Graubereich fielen als in verantwortlichen Gremien. Man wußte nie so genau, wer für was zuständig ist. Ich habe dabei zwar manches verstehen gelernt, manches werde ich aber nie verstehen. Eine Unsitte war zweifellos die Veröffentlichung von qualitativ eigentlich nicht entsprechenden Beiträgen aus taktischen Gründen und bündnispolitischen Überlegungen. Trotz aller positiven Entwicklungen ist es uns aber letztendlich nicht geglückt, die Zeitschrift zu entstigmatisieren. Doch das wäre notwendig gewesen, wollte man über den engen Bereich hinaus reüssieren.
Gesellschaftskritische Äußerungsmöglichkeiten sind äußerst beschränkt. Durch das Ende von „Weg und Ziel“ werden sie zusätzlich eingeschränkt. Auch das Ausweichen ins bürgerliche Feuilleton ist hierzulande nur in bescheidenem Ausmaße möglich. Außerdem muß man dort immer wieder damit rechnen, daß Chefredakteure in guter alter Manier gegen Kommunisten liberale Schreibverbote aussprechen.
Wir befanden bzw. befinden (da es ja die „Volksstimme“ weiterhin gibt) uns in einer doch grotesken Situation, was meint, daß von allen Zeitungen bzw. Zeitschriften, die den Autoren auch ein Honorar zahlen, die Organe der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) die mit Abstand offensten sind, die es auf dem Blättermarkt in Österreich gibt bzw. gab. Das gilt es unbedingt hervorzuheben, wo doch alle anderen so auf ihre Unabhängigkeit Wert legen, damit aber nur demonstrieren, daß sie einer einzigen marktwirtschaftlichen Grundrichtung angehören. Vor allem, was die hiesige Innenpolitik betrifft, gibt es für Texte, wie ich sie für notwendig erhalte, zwar Platz in deutschen und schweizerischen Tages- und Wochenzeitungen, nicht jedoch hierzulande. Auch wenn man die Freude nicht übertreiben soll, sind die Zeitungen der KPÖ eine einzigartige Option, die es als Autor und Leser zu nutzen gilt. Man denke etwa nur an die Jugoslawienberichterstattung.
Bedanken möchte ich mich ausdrücklich bei Maria Wölflingseder, die fast ein Jahrzehnt als „Weg und Ziel“-Koordinatorin mit ihren Autorinnen und Autoren so ihre Mühe hatte, aber auch selbst mühsam sein konnte. Das Produkt war ihr stets mehr als die zusammengetragenen Artikel. Vor allem ihre Illustrationen waren meist äußerst anregend. Sie war jedenfalls die Garantin, daß zum Schluß ein herzeigbares und ansprechendes Heft erscheinen konnte. Weiters bei Julius Mende, dem Verbindungsmann der und zur KPÖ, der seine Rollen, wenn auch des öfteren in patriarchaler Manier und manchmal mit unberechenbaren Auftritten, so doch ganz ausgezeichnet meisterte. Es ist die Frage, ob es je einen besseren Doppelagenten geben könnte als ihn, dem es zweifellos über lange Zeit gelungen ist, beide Seiten (Partei und Autoren) einigermaßen zufriedenzustellen.
Aber das nützt nichts, das „Weg und Ziel“ ist sistiert. Es wird mir abgehen. Ein Neubeginn, man darf das nicht unterschätzen, wird äußerst schwierig sein. Es ist leichter, etwas einzustellen, als etwas aufzubauen. Sollte man sich wiedergründen, soll man mich anrufen.
Wer unbedingt will, daß Gedachtes mitgedacht wird, muß selbst was kreieren. Das war 1995/96 auch eine der wichtigsten Überlegungen als einige "übriggebliebene" Linke, die sich mehr oder weniger der Wertkritik verbunden fühlten, beschlossen, ein zusätzliches Produkt ins Leben zu rufen. Es war unsere Absicht, ein Verständigungsorgan zu schaffen, das uns relativ kompromißlos nach eigenem Gutdünken werken läßt. Abseits von linkem Traditionalismus und postmoderner Zersetzung wollen wir ganz deutliche Akzente setzen, und unserem Publikum niveauvolle Texte schenken.
Spartanisch in der Form, reichhaltig im Inhalt, das sind die „Streifzüge“. Sie sind ein wertkritisches Strömungsblatt, das sich primär sich selbst und nicht der linken Pluralität verpflichtet fühlt. Was aber wiederum nicht heißt, daß ausschließlich Beiträge aus dem eigenen Spektrum abgedruckt werden. Bisher sind 15 Ausgaben erschienen. Anders als bei „Weg und Ziel“, wo oft eine Mentalität vorherrschte, Marke: "Die Partei soll zahlen", war bei uns von Anfang an klar, daß die Zeitschrift nur Bestand haben kann, wenn das Publikum bereit ist, sie mitzutragen. Nach einigen Durststrecken, hat sich das Blatt weitgehend konsolidiert. Es steht auf festen Beinen, sowohl was die Autorenschaft betrifft als auch die finanzielle Lage.
Bei uns gibt es kein obligates Abosystem, sondern die Bezieher sind je nach Lust und Möglichkeit, aufgefordert, uns zu unterstützen. Das funktioniert immer besser. Vor allem die zahlreichen Auslandsbestellungen haben dazu beigetragen, daß wir behaupten können, daß die „Streifzüge“ ein zur Zeit stabiles Zeitschriftenprojekt sind. (Ähnliches gilt übrigens nicht für seinen Herausgeber, den Kritischen Kreis, der ist eine mehr fragile Angelegenheit, nicht er trägt die Zeitung, sondern sie erhält ihn. ) Autorenhonorare können wir aber deswegen noch keine zahlen, wenngleich uns bewußt ist, daß die Anforderungen, die wir an das Schriftgut stellen, früher oder später auch abgegolten werden müssen.
Natürlich können die „Streifzüge“das „Weg und Ziel“ nicht ersetzen. Sie vermögen aber den theoretisch Interessierten Nährstoff zuzuführen, und da wir von selbständigen Leserinnen und Lesern ausgehen, glauben wir auch, daß unsere Zumutungen sie zwar fordern, aber nicht überfordern werden. Alle „Weg und Ziel“-Leser und -Leserinnen laden wir daher ein, sich die „Streifzüge“ anzuschauen. Eine Auflistung der letzten Ausgaben findet sich im Inserat. Unser einmaliges Angebot: Abonnenten und Abonnentinnen des „Weg und Ziel“, die wollen und uns das mitteilen, erhalten den Jahrgang 2000 gratis. Das ist ernst gemeint. Eine Postkarte genügt. Werft einen Blick auf uns, was wir zu sagen haben, sollte reichen.