Strohsack, seine Spezis und die Mafia
Was als einfacher Arbeitskonflikt begann, entwickelte sich zu einer gezielten Attacke auf gewerkschaftliche Rechte
von Franz Schandl
Auslöser war die Entlassung einer Magna-Mitarbeiterin, die sich die Freiheit erlauben wollte, einen Betriebsrat zu gründen. Das ist zwar laut Gesetz möglich, nicht aber laut Stronach. Die als „Querulantin“ titulierte wurde gekündigt. Vor dem Arbeitsgericht ist nun ein Verfahren wegen ihrer Entlassung anhängig.
Gewerkschaften hält Magna-Chef Frank Stronach für überflüssig. Er braucht sie nicht und er will sie nicht. Sie stören und nerven. Seinen Arbeitern, also den ihm gehörenden Arbeitern, rät er, keine Mitgliedsbeiträge zu zahlen, was ja nichts anderes bedeutet als aus der Gewerkschaft auszutreten. Auf die Frage, warum er im aktuellen Fall nicht nachgebe und die Gründung des Betriebsrats zulasse, wird der austro-canadische Konzernherr deutlich: „Das wäre ja genauso, wie wenn man Schutzgeldzahlungen an die Mafia leistet, damit man seine Ruhe hat.“ Das kann wiederum nur meinen, daß Gewerkschaften Vereine sind, die an den Löhnen der Arbeiter in krimineller Weise schmarotzen. Offene Schützenhilfe erhielt Stronach sogleich von Jörg Haider.
Wenn der Vorsitzende der Metallarbeitergewerkschaft, Rudolf Nürnberger, von einem Stapel Beschwerden aus der Magna-Zentrale in Oberwaltersdorf spricht, dann gibt es keinen Grund, daran zu zweifeln. Demagogen der Fairneß wie der dem Jörg Haider ausgekaufte Karl-Heinz Grasser verlangen nun die Offenlegung dieser Briefe, wohl wissend, daß Nürnberger das nicht tun kann, ohne die Absender zu gefährden. Denn solche Leute würde Magna wohl einmal mehr als Querulanten einstufen und sich ihrer alsbald entledigen. Was hier mafiotischer ist, überlassen wir unseren Lesern.
Stronach spricht aus, was nicht wenige wünschen: Gewerkschaftliche Errungenschaften sind dezidiert in Frage zu stellen. Nichts anderes tut er, wenn er gültige Gesetze durch interne Firmenregelungen („Mitarbeiter-Charta“, „Fairneß-Komitees“, „Vertrauensleute“ etc.) zu ersetzen trachtet. „Das machen wir uns schon selber aus“, ist aber nichts anderes als die Rückkehr zum betrieblichen Patriarchen. Der kümmert sich schon um das Wohlbefinden seiner Untergebenen. Wer’s nicht glaubt, kann ja gehen.
Der Aufstieg des steirischen Schlossers Franz Strohsack zum kanadischen Milliardär Frank Stronach liest wie eine Bilderbuchgeschichte des kapitalistischen Trottoirs. Sie bedient das Tellerwäschersyndrom, nachdem jeder es schaffen könnte, wäre er nur richtig tüchtig. Aufgefettet mit öffentlichen Fördermillionen baut nun der Ex-Österreicher an seinem österreichischen Imperium. Und nicht nur Fabriken für die Zulieferung von Autoteilen interessieren ihn, nein Wettkanäle will er betreiben, in der Fußball-Bundesliga mitmischen, eine Trabrennbahn errichten u.v.m. Der Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt.
Gegenwärtig sitzt Stronach auf dem längeren Ast: Jede kleine Gemeinde winselt gemäß den Diktaten der Erlebnisgesellschaft um den Bau einer Wunderkugel oder eines unterirdischen Labyrinths. Der reiche Onkel aus Amerika wird hofiert wie der gute König, dem sich ein braves Volk von Vassallen unterwerfen will. Wer das Geld hat, schafft an, lautet doch eines dieser kapitalistischen Naturgesetze. Wachelt Stronach mit den Scheckbuch, werden die Knie zittrig, kommt ein ganzes Land auf allen Vieren gekrochen. Fußballvereine betteln, gekauft zu werden, Fremdenverkehrsverbände erflehen Freizeitparks, Politiker pilgern nach Übersee und erbitten Produktionsstätten.
Denn Frank Stronach verfügt über Arbeitsplätze. Sein Vorteil ist, er kann stets ultimativ verhandeln, weil mit dem Verlust oder dem Nichtzustandekommen von Standorten drohen. Ja, er muß gar nicht explizit aussprechen, was implizit im Raum steht. Und tatsächlich, wer die heilige Kuh des Arbeitsplatzes zum Zweck menschlichen Daseins erklärt, der ist mit dieser Logik schnell ein Gefangener Stronachs. „Jeder Job ist besser als keiner“, sagte erst unlängst ein Präsident jenseits des großen Teiches.
Wie schwach die Position der Gewerkschaften schon geworden ist, demonstriert auch die Haltung Viktor Klimas. Daß der sozialdemokratische Parteivorsitzende dezidiert Stellung gegen Stronach nehmen könnte – aber woher denn! Jener verweist in neutraler Äquidistanz nur auf das Arbeitsrecht, an das sich alle zu halten haben. Es gehe darum, „die Gesprächsfäshigkeit in vertraulicher Form wieder herzustellen“, so der Kanzler. Der Victory wird sich mit dem Strohsack also zusammensetzen und ihm bei einigen Gläsern Wein auf gemein-österreichisch erklären, daß er zwar tun kann, was er will, nur sagen soll er es nicht so laut.
Nicht Angst hat Stronach vor den Gewerkschaften, wie das der ÖGB-Vorsitzender Fritz Verzetnitsch meint, sondern im Gegenteil, die Gewerkschaften müssen sich vor den Stronachs fürchten. Diese gedeihen freilich auf sozialdemokratischem Mist. Die Partei des großen Kapitals, das ist in Österreich nicht die ÖVP, sondern die SPÖ. So sitzen die Stronach-Spezis Ex-Bundeskanzler Vranitzky und Ex-Verkehrsminister Streicher nicht zufällig in dessen Aufsichtsrat. Von der Ansiedelung von General Motors vor zwanzig Jahren bis zu Stronachs Magna, das waren stets sozialdemokratische Projekte. Das lief über Jahre auch ziemlich gut, weil die Interessen von Großkonzernen und Arbeitern synchronisiert werden konnten. Innerbetriebliche Sozialleistungen waren dort deutlich besser als in den Klein- und Mittelbetrieben. Die Löhne sowieso. Meist auch das Arbeitsklima und die Aufstiegsmöglichkeiten.
Doch in neoliberalen Zeiten der globalisierenden Konkurrenz und dem Verschwinden geschützter Märkte wird der Wind rauher und jede zusätzliche rechtliche Absicherung, die von Arbeitern eingefordert werden könnte, ist ein Geschäftshindernis. Da hat Stronach schon recht. Gewerkschaften sind nur bei einem sich ständig erweiternden Markt sozialpartnerschaftlich nützlich, ansonsten sind sie hinderlich. Das ist auch der objektive Grund, warum diese konfliktarme Form der Zusammenarbeit von Lohnarbeit und Kapital schwer in die Krise geraten ist. Das Eindringen internationalen Kapitals wird dies noch verstärken. Bedenklich ist aber auch, daß die Gewerkschaften außer der Beschwörung der guten alten Zeit wenig zu bieten haben. Motto: Durchhalten bis zum Nachgeben.
So regiert das „neue Kapital“, das sich aus allen sozial- und rechtsstaatlichen Beschränkungen befreien will. Marodierend zieht es über den Erdball. Und seine Apologeten schreien immer lauter. Arbeiter sind demgemäß auf das zu reduzieren, was sie ohne Gewerkschaften im Kapitalismus sind: isolierte Arbeitskraftbesitzer, die als Konkurrenten gegeneinander antreten und folglich auszuspielen sind. Das Einfordern obligater Rechte wird als Querulantentum diskreditiert, anhaltende Kritik mit dem Abzug von Arbeitsplätzen bedroht.
Konformität ist erwünscht. Wie jene der politischen Handlanger, die eilfertig assistieren und artig applaudieren. Einer davon – heißen tut er Herbert Paierl, sein tut er ÖVP-Wirtschaftslandesrat in der Steiermark – spricht wohl stellvertretend für fast alle von Chancen, die „nicht durch leichtsinnige und unbedachte Querschüsse“ gefährdet werden dürfen. Eben: Guschen und kuschen!
aus: Volksstimme 33, 19. August 1999, S. 1.