Wohnen statt Kanonen

Mit diesem Slogan versucht die Kommunistische Partei Österreichs ihren Einzug ins Europaparlament zu bewerkstelligen

von Franz Schandl

Und es schaut gar nicht so schlecht aus. Nach dem fulminanten Ergebnis in Salzburg möchten die Kommunisten nun auch bei den Europawahlen und bei den Nationalratswahlen im September ihren Erfolgslauf fortsetzen. Auch der Windschatten der grünen Turbulenzen dürfte der KPÖ nützen.

Anders als die KPD war die KPÖ nie eine Massenpartei, auch wenn nach den niedergeschlagenen Aufständen im Februar 1934 viele enttäuschte Sozialdemokraten ihren Weg zu den Kommunisten gefunden haben. Da war die Partei aber bereits verboten. Im antifaschistischen Widerstand, deren bedeutendste Kraft sie gewesen ist, hat sie einen erheblichen Teil ihrer Kader verloren. Nicht wenige säuberte man freilich auch selbst, sei es in Österreich oder im Exil. Nach 1945 galt sie als Russenpartei. Dementsprechend war sie angeschrieben und somit weitgehend abgeschrieben.

Anders als PCI oder PCF konnte die KPÖ nach 1945 kaum auf messbare Ergebnisse verweisen, aus den parlamentarischen Körperschaften wurde sie sukzessive rausgewählt. Bis 1989 war die KPÖ ein treuer Vasall der Sowjetunion. Abweichungen gab es selten. Sobald sie sich formierten, wurden deren Protagonisten schnell kaltgestellt oder ausgeschlossen. Toleranz war keine gegeben. Die KPÖ war stets kremltreu. Mit dem Stalinismus wurde erst gebrochen, als dieser zusammengebrochen ist. Mit dem Untergang des Realsozialismus 1989/91 glaubte man, die KPÖ sei endgültig erledigt. Der Aderlass in den eigenen Reihen war beträchtlich. 2003 wurde die Partei dann auch noch durch die deutsche Treuhand per Gerichtsentscheid enteignet, ihr Vermögen als getarntes Eigentum der SED konfisziert. Viele Jahrzehnte agierte die KPÖ inoffiziell als Vermittlerin diverser Geschäfte Österreichs mit den Ostblockstaaten und kassierte eifrig Provisionen.

Das traditionelle Volksstimme-Fest im Wiener Prater glich viele Jahre einer Zeitreise, die wehmütig oder gar depressiv machte. Das Ende schien ganz nah. Doch das sollte sich als Irrtum herausstellen. Der bisher nicht von Erfolgen verwöhnte KPÖ-Apparat erwies sich wohl gerade deswegen als zäh und langatmig. Die Öffnung der Partei erfolgte zwar etwas plötzlich und planlos, indes hatte sie durchaus ihre Meriten. Die Partei hat einiges zugelassen, sowohl in ihren Publikationsorganen als auch in ihrer Bündnispolitik. Man verabschiedete sich weitgehend von der unerträglichen Vereinnahmung und Bevormundung. Auch wenn es oft mehr Folge der Verunsicherung gewesen ist, als der Strategie, ist die Partei von einem Closed Shop zu einem doch offenen Laden geworden. Es ist gelungen, den Restposten in einen Aktivposten umzugestalten und zu stabilisieren. Die seltsame Mixtur aus Lagermentalität und Lagerkoller sollte Geschichte sein.

Vor allem der Zuwachs durch die 2017 aus ihrer Mutterpartei ausgeschlossenen Jungen Grünen, erwies sich als ausgesprochener Glücksfall. Der Coup ist jedenfalls eine taktische Meisterleistung gewesen. Vor allem das Erscheinungsbild der Partei in der Öffentlichkeit hat sich drastisch geändert. Kaum jemand wirkt heute so jung und frisch wie die KPÖ. Noch dazu tummeln sich dort keine Karrieristen und Opportunisten. Die obligate Diätenbeschränkung lädt diese auch nicht unbedingt ein, erhöht jedoch umgekehrt die Attraktivität der Organisation und ihrer Mandatare. Den Stellenwert der Fonds, die die Spenden der Abgeordneten an sozial Bedürftige vergeben, sollte man nicht unterschätzen.

Nach außen agiert die KPÖ sehr zurückhaltend. Bestimmte Positionen – die KPÖ Steiermark etwa vertritt den EU-Austritt – werden öffentlich nicht vorgebracht. Auch puncto Migration drängt man sich nicht vor. Nur nirgends anecken, scheint die Devise zu sein. Von einer inhaltlichen Offensive kann daher keineswegs gesprochen werden. Man weiß oft nicht genau, wofür die Kommunisten eigentlich stehen, resp. wohin der Weg führt. Das weiß freilich auch die KPÖ nicht so genau. Das Explizite ist aktuell nicht ihre Stärke. Sahra Wagenknecht etwa betreibt im Vergleich eine viel offensivere und kantigere Politik als die KPÖ. Politisch wird die KPÖ als Formation eines sozialdemokratischen Komparativs wahrgenommen, nicht als revolutionäre Kraft. Es sei heute auch so, so der Parteivorsitzende und EU-Spitzenkandidat, Günther Hopfgartner, dass man sich „nicht primär auf die Linke orientiere“, und dass es vielmehr gelte, das „politische Subjekt in der Praxis zu entwickeln“.

Moderat moderieren sie sich in die Parlamente. Die meisten Stimmen holen die Kommunisten aber mitnichten aus der Arbeiterklasse. Zwar ist die KPÖ (anders als andere linke Strömungen) dort zumindest marginal verankert, aber ihre eigentliche Bastion ist das nicht. Das zeigten auch die heurigen Wahlen zur österreichischen Arbeiterkammer, der Standesvertretung der unselbständig Erwerbstätigen. Hier liegt trotz Zugewinnen der Prozentsatz der Kommunisten weit unter dem inzwischen in urbanen Gebieten erreichten Richtsatz, man denke an Graz, Salzburg oder neuerdings sogar Innsbruck. Immerhin aber kann die KPÖ bei den immer zahlreicher werdenden Nichtwählern punkten und nicht wenige wiederum zum Wahlgang ermutigen. Es ist aber bloß ein Bruchteil dieser sehr amorphen Masse der Politikverdrossenen, der angesprochen wird.

Gebetsmühlenhaft trägt man die Wohnungsfrage als das zentrale Anliegen vor. Diese Rechnung ist bisher auch aufgegangen. Trotz der Brisanz des Themas sind dem aber keine Massenkundgebungen (vergleichbar mit Berlin) vorausgeeilt. Mobilisierungen auf der Straße und an der Urne müssen also nicht synchron laufen. Es ist eine Single-Issue-Veranstaltung, auch wenn das EU-Wahlkampfmotto „Wohnen statt Kanonen“ nunmehr auf eine Ausweitung schließen lässt. Man ist strikt gegen Waffenlieferungen an die Kriegsparteien, tritt für Verhandlungen ein und ist ein entschiedener Verfechter der österreichischen Neutralität. Man wolle „mit der Kriegslogik brechen“, so Hopfgartner. Etwas heikler als der Ukraine-Krieg ist da schon der Nahost-Konflikt. Walter Baier, der ehemalige Vorsitzende der KPÖ und nunmehr Präsident der Europäischen Linken fordert Sanktionen gegen die israelische Regierung, tritt für die Anerkennung des Staates Palästina ein und kritisiert vehement die doppelten Standards der politischen Eliten der EU. Trotzdem duckt man sich oft weg. Diverse Statements wirken sehr defensiv. Man übt sich in Diplomatie und hält sich betreffend antiimperialistischer Solidarität zurück. Den Vorwurf des linken Antisemitismus will man sich nicht einhandeln.

Der Zuspruch ist weder klassenmäßig noch programmatisch zu begründen. Gegenwärtig gibt es aber ein starkes Bedürfnis nach einer Kraft im Parteienspektrum, die weder rechts aufläuft noch sich abermals in der Mitte positioniert. Dieses Bedürfnis ist eher diffus als dezidiert, geschweige denn differenziert. Doch alleine die Vorhandeinheit ist ein Novum. Vor allem ist der Kommunismus kein Schreckgespenst mehr, eher versetzt er bis weit in bürgerliche Schichten in ein anregendes Kribbeln. Zwar gibt es durchaus Stimmen, die ernsthaft fragen, warum die KPÖ nicht verboten sei. Es bleibt aber dem ehemaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) und seiner Parteikollegin, der niederösterreichischen Landeshauptfrau, Johann Mikl-Leitner überlassen, laut in die antikommunistische Trompete zu blasen. Doch das verfängt nicht. Im Gegenteil, zur Zeit hält schon ein Drittel der Befragten die KPÖ für regierungsfähig. Die Marke wird alles andere als „toxisch“ (Schüssel) empfunden. Vergessen werden soll dabei auch nicht, dass es die Vorläufer der Volkspartei, die Christlichsozialen 1934 (noch Jahre vor den Nazis) gewesen sind, die die österreichische Demokratie entsorgten.

Die KPÖ macht nicht unbedingt richtig, was sie früher falsch gemacht hat. Indes ist der Organisation auch kein wirklich schwerer Fehler unterlaufen. Es ist nicht die Position, es ist die Konstellation, die die KPÖ stark macht. Die Partei hat einen Lauf. Die Erfolge kommen eher auf sie zu, als dass diese hausgemacht sind. Momentan greift diese Stimmung, ob das langfristig ausreicht, die Erfolge zu stabilisieren oder auszubauen, darf bezweifelt werden.

Aktuell ist man jedenfalls nicht mehr Zuschauer. Jahrelang war man Mitbewerber, wurde aber als Mitspieler nicht Ernst genommen. Die Frage, die sich bei bundesweiten Wahlen oft stellte, war, ob die KPÖ nun die Einprozent-Marke knackt oder nicht. Diesmal dürften die Hürden (5 Prozent bei der Europawahl und 4 Prozent zur Nationalratswahl Ende September) aber überspringbar sein. Das Argument der weggeworfenen Stimme fällt weg, die Kommunisten betreten wieder die Bühne.

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