Die Kulturhauptstadtkarawane zieht weiter, Meindl bellt ihr nach
Von Dominika Meindl
In wenigen Tagen wird sich in einem gloriosen, strahlebunten Feuerwerk die Kulturhauptstadt aus Linz verabschieden. Nun liegt ja der historische Sinn der Silvesterböllerei im Vertreiben böser Geister. So eine Interpretation hat aber Linz’09 nicht not. Denn: Es hat statt fieser Geister viele Gäste nach Linz gebracht. TschiTsching! machen die Registrierkassen.
Der neu geweckte Widerspruchsgeist wird uns Eingeborenen hoffentlich auch noch eine Weile bleiben – bevor die kritische Betrachtung der Kulturhauptstadt wieder zum stadttypischen Gesumpere abflacht.
Wir kritisieren und resümieren, dazwischen kaufen wir noch schnell die Überbleibsel im Linz’09-Shop. Schneekugeln in rosa, oder „Ich war dabei!“-TShirts in hellblau um okkasionelle 5 Euro. Denn am Ende wollen wir dann doch alle dabei gewesen sein, obwohl wir so viel gemault und gejault hatten.
Grund dafür gab es schon. Bis heute zieht sich die Malaise mit dem Linzer Auge durch. Denn es dreht sich doch nicht. Faul dümpelt das als Prestigeobjekt angepriesene Nudlaug’ in den trüben Fluten der Donau. Andererseits! Sollte es nicht zum Mahnmal der revolutionären Anstrengungsvermeidung in Zeiten unannehmbarer Arbeitsbedingungen umgedeutet werden? Es könnte ja jemand „Ich spiel’ da nicht mit!“ draufsprühen, oder „Es dreht sich nicht alles ums Geld“.
Es heißt übrigens, die Intendanz könne der Stadt sogar Geld retournieren. Das hätte die Freie Szene gern. Sie fürchtet, dass die Fördermittel künftig für die Bespielung der neuen, teuren Kulturbetonsärge draufgehen. Das AEC hat’s vorgemacht, als es MitarbeiterInnen „freisetzte“ – letztendlich zugunsten der Funkelfassade. Daran muss sich der Umgang der Stadt mit Linz’09 messen lassen.
Böse Worte müssen auch den Heeresnachrichtendienst treffen. Der hat unter anderem die Kennzeichen der BesucherInnen des Linz’09-Projekts Subversivmesse aufgeschrieben und ausspioniert. Könnte ja einer der Clownsrebellen einem FP-Politiker defaitistisch eine lange Nase drehen und damit dessen religiöse Gefühle verletzen. Was für eine Bestätigung der Veranstalter! „Auch wenn ich paranoid bin, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht trotzdem verfolgt werde.“ Mit Ihrem Steuergeld, falls jemand noch ein Argument braucht, um sich über solche Machenschaften zu echauffieren.
Apropos überwacht: Scharf ist das Linzerauge des Fahrscheinkontrollors. In der Bim wird so lückenlos kontrolliert wie nie zuvor. Ob das wegen der vielen potenziell zahlungsunwilligen KulturfolgerInnen passiert? Bei 11 Prozent mehr Gästen müssen doch auch schwarze Schafe zu scheren sein. Diese Form der öffentlichen Verkehrsmittelbewirtschaftung ist schlicht und ergreifend unsympathisch.
Für übermotivierte Schwarzkappler und untermotivierte Schwimmplattformen kann die Organisation von Linz’09 wirklich nichts. Wir wollen sie jetzt auch nicht mehr dögeln, denn das nahende Ende unseres Kultur-Sonderstatus macht uns milde, ein bisschen wehmütig sogar.
Ja, es gab nicht wirklich einen roten Faden im Programm. Ja, viele Projekte wurden nie realisiert. Ja, die `09er agierten zum Teil hochnäsig und umständlich. Aber: Etliches, wie etwa das gelbe Bellevue über der Autobahn, das Haus der Geschichten, der Keplersalon, die Subversivmesse, der kranke Hase etc., war gut. Sehr gut sogar. Es war angenehm, ein wenig mehr internationale Aufmerksamkeit zu bekommen als üblich, klar. Auch wenn es oft Schelte für die am Ende doch nicht wirklich pulsierende Stahlstadt gab. Immer nur her damit, wir haben ja auch selbst gescholten und werden das weiter tun.